Ding und Dinglichkeit

Ding und Dinglichkeit

Keine Frage, die Welt ist voller dinglicher Phänomene. Um viele davon wird einiges Gewese gemacht, etwa um Autos, Mobiltelefone, Schuhe. Das sind die

Die Haarspange oder wie weiblich zeige ich mich im Büro

| 72 Lesermeinungen

Es graut mir, wenn ich die Optionen sehe, die jungen Frauen während der Quotendebatte angeboten werden. Sind Karriere und Familie doch nicht mehr vereinbar? Karriereweib oder Hausmutter - stop. Wer einen Kompromiss eingeht, wird nie eine Quotenfrau im Vorstand. Doch ich habe etwas gegen diese Rollen. Ich bin schließlich nicht im Theater, ich arbeite hier.

Die Querelen um die Frauenquote betreffen mich direkt – wie mühsam! Unaufgefordert zwingt mich die Debatte, meine Rolle als Frau ernst zu nehmen. Nicht Mensch lässt man mich sein, nein! Du bist eine Frau, brüllen mich die Zeitungen an, und stehst deswegen nicht aufrecht genug in Diskussionsrunden, kannst nicht im Imperativ sprechen und lässt dich unterbrechen. Du willst dich doch in faule Komfortzonen nach ein paar Jahren Pseudokarriere zurück ziehen und dich an einem sonnigen Vormittag am Spielplatz auf einen Latte Macchiato verabreden. Beweis‘ gefälligst, dass du anders bist! Sonst gibt es keine, die wir zur Quotenfrau heran züchten können. Doch liebe Herren, liebe Herrinnen, da mache ich nicht mit. Für kein Kopfstreicheln aus der männlichen Vorstandsebene und auch kein Abzeichen mit rot durchgestrichenem Fötus aus der Riege der Boss-Anzugträgerinnen. Nein, diese Suppe ess‘ ich nicht, denn so bin ich nicht.

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Das Geschrei geht morgens vor dem Spiegel schon los. Schmink dich nicht wie eine, die mit tiefem Ausschnitt, dünnen Absätzen und wellenden Haaren, weil morgens eine halbe Stunde unter Lockenwicklern, durchs Büro stolziert! So eine willst du nicht sein, die ein Meeting mit einer Bar verwechselt, wo sie gewohnt ist, den baggernden Männern Körbe zu geben. Dabei noch einen arroganten Blick aufsetzt, als müssten diese Typen selbst merken, dass sie mindestens drei Ligen unter ihr spielen. Ah ah, sie schnippst in die Luft und hält ihnen die Handfläche abwehrend vor die Nasen. Sie hat nicht die letzten zwei Karrierestufen übersprungen, damit hier nun Scherze gemacht werden.  Eine Femme Fatale, eine toughe Frau mit postfeministischen Allüren, eine dominante Nervensäge. Wer kann denn so arbeiten? Also nehme ich meine Haarspange, drehe den Zopf dreimal herum und stecke ihn hoch.

Die armen Männer, denke ich, was werden sie doch attackiert zurzeit, dabei wollten sie doch immer nur das Beste für das Unternehmen. Und der Beste ist schließlich nicht nur an Qualifikationen zu messen, sondern auch daran, wer am besten in ihr Team, in ihre Reihen, in ihren Club passt. Sie meinten es doch nicht böse, als sie all die Jahre auf Geschäftsführertreffen in den schönsten Messemetropolen und luxuriösen Hotels, weit weg von Kind und Kegel, lieber unter sich geblieben sind. Das war bestimmt nicht so angenehm, wie es von außen scheint.

„Liebe Herren Vorstandvorsitzende“, so beginnt ein öffentlicher Brief in der Wirtschaftswoche, in dem Personalberater Heiner Thorborg zum Gegenmarsch auf die Frauenquote bläst. „Es geht auch um Ihre Position!“ Thorborg hat den Feind genau erkannt. Die Pfeile werden aus höchster Instanz abgefeuert, dieser verdammt weiblichen Politik, und bringen die warm gesessenen Positionen zum Glühen. Die Armen.

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Früher hatten sie es leichter: da rauchte man im Büro und kniff der Sekretärin in den Po, wie in der chauvinistischen Fernsehwelt von „Mad Men“, in der Frauen ihren Platz im Vorzimmer wissen. Die TV-Serie braucht sehr viele Folgen um zu erzählen, wie eine Einzige in der Werbeagentur Sterling Cooper im New York der Sechziger es schafft, ihr Namensschild an die Bürotür zu kleben. Es wundert mich, dass Alpha-Mädchen Stunden mit „Mad Men“ verbringen können, als würden sie  auch gerne Ballonröcke bis zur Wade tragen und ihrem schneidigen Chef das Butterbrot schmieren. Wird das Konzept Hausfrauchen & Büromännchen wieder ein Referenzmodell? Tatsächlich habe ich den Satz „Ich suche einen Mann, zu dem ich herunter schauen kann“ noch von keiner gehört.

Pling macht es zu meinen Füßen. Meine Haarspange ist auf die weißen Fliesen gefallen. Wieso bloß, die sitzt doch sonst immer verlässlich? Da sehe ich im Spiegel warum und mag meinen  Augen kaum trauen: Meine langen blonden Haare biegen sich langsam nach oben, kriechen den Kopf hinauf als schwebe über mir ein Haar-Magnet und stehen mir dann schließlich kerzengerade zu Berge. Wirklich wahr, genauso ist es geschehen, da steckt keine Baroness von Münchhausen in mir. „Wenn ich jetzt noch die Arme ausstrecke, könnte ich auch „die schwankende Frau“ von Max Ernst sein.“
Der Surrealist malte seine Frauenfigur mit weißem Röckchen und spitzen Ballerinas 1923 vor einem Gerüst, das ihr hölzerne Beine und Metallstangen zur Stütze anbietet. Ob sie davor schwebt oder im Rücken daran befestigt ist wie eine Marionette am Faden, bleibt offen. Die rosa Lippen stehen offen vor Erstaunen, doch ihr Blick ist versperrt, davor hat sich eine Metallstange gebogen. Die Haare stehen ihr zum Himmel. Zwischen zwei metallenen Säulen oder Schornsteinen hat sich der Boden für sie geöffnet, und sie schwebt oder schwankt in Schräglage immer weiter nach oben.

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Doch genug der Trugbilder, ich mache mir jetzt die Haare schön. Und zwar ganz so, wie ich sie heute am liebsten habe. Offen, mit leichtem Seitenscheitel, die vorderen Strähnen eingedreht und am Hinterkopf mit meiner Spange zusammen gemacht. Leicht verspielt und beeinflusst von der Empire-Frisur im achtzehnten Jahrhundert. Das passt besser zu meiner Haltung, denn wenn ich in ein paar Jahren mit einem erfolgreichen Mann erfolgreiche Babys haben will, dann kriege ich sie auch, so Gott will. Zumindest denke ich mir das heute. Vor sechs Jahren habe ich an nichts anderes gedacht, als beruflich genau an den Punkt zu kommen, an dem ich heute stehe. Und wenn ich erst ab Vierzig nach drei Kindern wieder in die Vollzeit zurückkehren will, dann tue ich das. Bestimmt kann ich dann viel besser kommandieren. Aber Mütter sind auch bekannt dafür, gut schimpfen zu können,  genauso wie schlichten zwischen verstrittenen Parteien. Das sind wertvolle Führungseigenschaften, keine Frage.

Dass die Angst vor einem „Prädikat ungeeignet“ tatsächlich unsinnig ist, wird der demographische Wandel zeigen. Die Sozialsysteme wird er zwar kaputt reißen, die Alten wie Kompost verrotten lassen, aber Jobs gibt es dann genügend.  Der Kopf darf nur in der Familienzeit nicht aufhören, auf neue Erkenntnisse zu pochen. Nur wer stehen bleibt, hat verloren. Schon heute bieten Aktiengesellschaften, vor allem solche von öffentlichem Interesse, spezielle Karrieretrainings für Frauen an, Telekom hat die Quote freiwillig eingeführt. Mit manch anderen Großindustriellen muss man noch mal reden, aber dreht sich eine Gesellschaft weiter, kann niemand endlos dagegen halten. Erst recht nicht die Wirtschaft.

Aber ja, es wäre mir lieb, dass von oben an Hebeln gedreht wird, sodass die Rückkehr leichter ist und ich mich nicht wieder ganz unten anstellen muss. Wenn ich bis dahin überhaupt noch dieselbe bin und nicht schon Schriftstellerin, Rockstar oder Politikerin. Ich schwanke noch.

 


72 Lesermeinungen

  1. FAZ-soma sagt:

    Ich wäre sofort eine...
    Ich wäre sofort eine Quotenfrau, wenn es dann soweit ist! Sehe das als Kompliment mit gesamtgesellschaftlicher Vorbildfunktion. Bye bye Opferrolle.

  2. FAZ-soma sagt:

    Lieber Kuchenzusatz: es gibt...
    Lieber Kuchenzusatz: es gibt eben immer wieder neuen Schnatternachwuchs, der sich aufgeregt darüber austauschen möchte. Deswegen wird die Debatte auch nicht so schnell alt, sondern hält es einer Aktualitätskurve wie man sie aus der Mode kennt.

  3. icke sagt:

    <p>Vroni, Sie kennen wohl...
    Vroni, Sie kennen wohl nicht die Abteilung „Personal Tax“ bei AA selig, da diskutierten die Herren morgens die neue Kollektion von Hermès.
    Ich sehe das so: wir müssen sowieso bis 70 schaffen, da müsste es doch auch nach der Kinderpause noch passen, irgendwie

  4. icke sagt:

    <p>Und wenn Stöckelschuhe zu...
    Und wenn Stöckelschuhe zu mir gehören?
    Meine Mutter gab mir den Rat, nie chicker als meine Chefin zu sein – es sei denn ich wolle sie herausfordern. Hat sich in meiner Erfahrung bestätigt.
    Die andere hübsche Herausforderung sind nämlich die Damen, die Haus, Auto, Ferien, Mann (oder auch nicht mehr) und Kinder in der Reihenfolge haben, mit Kinderfrauen usw jongliert haben um noch präsenter in der Firma zu sein als die Herrren, und jetzt die nächste Generation kommt, die meint man könne doch auch sowohl mit dem Arbeit wie mit der eigenen Familie bekannt sein und nicht nach der MAxime leben: Familienmütter werden gerne gesehen, solange sie keine Kinder haben.

  5. Vroni sagt:

    <p>Deutschland braucht eine...
    Deutschland braucht eine Frauenquote, damit die Frauen, die es wollen, in Verantwortungspositionen kommen. Warum? Es geht um die Signalwirkung, dass sich in D. ändern muss, was woanders längst Realität ist.
    (Warum einige Frauen Top-Karrieren gar nicht wollen und auch zunehmend manche Männer nicht mehr, habe ich bereits erläutert.)
    .
    Falls ein paar Damen drunter sein sollten, die es „nötig gehabt haben“, mei. Ist Kollateralschaden. Die meisten gut ausgebildeteten und fähigen Frauen sind, traut man diversen Datensätzen, die sich Statistik nennen, in den meisten Fällen eher über- als unterqualifiziert. Das beruhigt, da geht oiso no a bissi was.
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    Dass ausgerechnet Merkel sich der Quote widersetzt… Ohne Mentor Kohl wäre sie nicht, wo sie jetzt ist.

  6. FAZ-soma sagt:

    an icke: je höher der Absatz,...
    an icke: je höher der Absatz, deso höher die Position? Dann möchte ich bitte Ex-Negativo-Schuhe, die Spuren im Boden hinterlassen, wo auch immer ich gehe.

  7. perfekt!57 sagt:

    <p>glückwunsch zum tollen...
    glückwunsch zum tollen blog! und ja: die richtung stimmt schon.
    .
    – kluge frauen wenden sich sowieso und zu recht dem leben zu – und nicht dem geld. reines erwerbstreben ist langweilig. für frau wirklich weit! unter niveau.
    -und drei kinder sind klasse. und 7 wie frau minister hat, früchte der liebe, tatsächlich, können sogar noch viel besser sein.
    – entscheidet frau aber selber.
    – und vroni hat in allem recht: knecht und turbo-knecht ist doch bloß für die, bei denen es fürs eigene unternehmen/die selbstständigkeit nicht gereicht hat.
    – und man muss, ganz sachlich, nicht immer soviel planen: einfach den gefühlen trauen und dann das richtige machen.
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    (psst nicht weitersagen, geschichte aus der praxis, geht nicht jeden was an: ich war auf geschäftsreise, ziemlich die ganze woche. und wir hatten schon kids. und eisprung war für die. oder mi. angesagt. (bloß keine pille, die versaut frau nur die libido). ich kam also freitag abends heim, und die liebe war groß. liebe eben. und genau im moment wusste meine frau: das wars. ich sag nee. sie sagt doch. und war so. schwanger. das doofe (geniale!) ei hatte gewartet! fraus gefühle teilen sich nun mal ihrem körper mit, nicht wahr? und wenn ihr gefühl weiß, weil so viel liebe vorausdenkt, weil er kommt zwei tage später als normalsprung, dann wartet das folikel geduldig bis voll gespannt eben mit … .q.e.d. . leben ist so genial sag ich immer wieder, vor allem zu zweit, beonders wenn man sich immer ständig in die augen schaut und überall nur „ja!“ sieht.)
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    – und krisen kommen auch.
    – und nie versuchen einen „krüppelmann“ (büro?!) (durch liebe womöglich!) verändern zu wollen: krüppel bleibt krüppel, bleibt sackgasse. wird nie was von.
    .
    – und wenn männer schuld sind, muss frau nüchtern bleiben. nur info: „Die Geschichte von Le, einer dänischen Litaratur-Dozentin, und ihren „Knotenmännern“ wurde in den 70ern geschrieben, wirkt aber mit seinen Aussagen taufrisch und hochaktuell. Les Männer, im Rückblick beschrieben, sind „Knotenmänner“, die nicht in der Lage sind, ihre Gefühle zu zeigen und auszuleben, ihre Beziehungen mit Nähe und Wärme zu füllen. Sei es der erste Knotenmann, Les Ehemann, der außer dem gemeinsamen Kind keine Spuren in Ihrem Leben hinterlässt, …“
    http://www.amazon.de/…/3499146894 (bei „knotenmänner“ nützt aber nichts, wirklich nichts, auch nicht, denen ein buch zu empfehlen oder aufzuzwingen)

  8. Vroni sagt:

    <p>@ icke</p>
    <p>"Ich sehe das...

    @ icke
    „Ich sehe das so: wir müssen sowieso bis 70 schaffen, da müsste es doch auch nach der Kinderpause noch passen, irgendwie“.
    .
    Das sollte man meinen.
    .
    In der Praxis ist es so, dass Berufswissen mittlerweile eine dermaßen niedrige Halbwertszeit hat, dass es sinnvoller erscheint, keine Kinderpause von 1-3 Jahrn zu machen. Sonst fängt frau wirklich bei Null wieder an.
    .
    Prof. Christiane Nüsslein-Volhard (Nobelpreisträgerin) hat das eindrucksvoll beschrieben in einem Vortrag letzten Jahres in der LMU (München), in dem ich anwesend war. Und sie wurde da dafür von vielen jüngeren Naturwissenschaftlerinnen angegriffen. Sie ging sogar darüber hinaus: Gerade bei Naturwissenschaftlern sei es in ihren Augen nicht machbar, dass die frischgebackene Frau Doktorin sich nur halbtags den Violen, Bioreaktoren und Reaganzgläsern zuwendet und halbtags den Windeln. Sonst sei die Karriere im buchstäblichen Eimer des reinen Asistentenjobs. Falls man eine anstrebte.
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    Über die Zeit bis 70 wurde gar nicht mehr gesprochen.
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    Man könnte ja, wie gesagt meinen, gut, fängt man/frau eben in den Naturwissenschaften geduldig bei Null wieder an und holt das auf. Solche Lösungen sehen die Hierarchiemuster bei den Universitäten derzeit gar nicht vor. Die haben bereits Probleme, ihre 40+ Junior-Professoren anständig unterzubringen und bezahlen Privatdozenten (Habilitierte ohne eigenen Lehrstuhl/Ruf) lausigst bis gar nicht. Am liebsten stecken sie also solche Frauen in Drittmittel-finanzierte Forschungseinheiten. Und die sind nicht: die Bundesliga. Karriere also mausetot, und frau hats nicht gemerkt.

  9. perfekt!57 sagt:

    <p>"Deutschland braucht eine...
    „Deutschland braucht eine Frauenquote, damit die Frauen, die es wollen, in Verantwortungspositionen kommen.“
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    Exakt. Weil frauen fast immer die besseren Chefs sind. Was sich schon darin ausdrückt, dass sie sich zu schade sind (und viel zu intelligent), sich gegen „dummbacken“ von „konkurrenten“ mit deren methoden (unter niveau!) „hochzuboxen“. (denn jede frau ist eigentlich sowieso konkurrenzlos)
    .
    ist frau aber erst mal oben gewinnt das unternehmen: weil frauen langsamer, bedächtiger, abwägender, klüger, endgültiger entscheiden: und dann die einmal richtig getroffene entscheidung lang, länger durchhalten (wie ehe und kinder und freundschaften). und das macht den erfolg: männer sind oft zu sprunghaft, werfen heute dumm weg, wass sie gestern erst unter mühen erreichten.
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    je höher die frauenquote deste höher der erfolg einer gesellschaft. in jahrzehnten zu messen. beweisbar. wir brauchen die quote. eigentlich noch heute. ganz dringend.

  10. Unbekannt sagt:

    <p>Wer braucht bitte eine...
    Wer braucht bitte eine Frauenquote wenn er durch Leistung überzeugen kann? Hat sich eigentlich mal jemand Gedanken gemacht was eine solche Quote für die Herren der Schöpfung bedeutet?
    Wie muss man(n) sich z.B. einen Recruitingday an den Universitäten in Zukunft vorstellen? Mit Fairness hat das wirklich nicht viel zu tun…
    Abgesehen davon ist der wohl wahrste Satz des gesamten Artikel folgender: „Tatsächlich habe ich den Satz „Ich suche einen Mann, zu dem ich herunter schauen kann“ noch von keiner gehört.“
    Bei aller Liebe, diese Quote ist nicht nur unfair, sie erschüttert die Grundsätze unserer sogenannten „Leistungsgesellschaft“.

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