Es gibt nur zwei Sorten von Menschen: Die einen geben bei einer gelben Ampel Gas und die anderen nicht. Niemals sollten diese beiden Spezies aufeinander treffen müssen. Am besten räume man jeder eine eigene Fahrbahnspur ein. Das wäre sehr zur Freude der Krankenkassen, die sich die Folgekosten für geplatzte Arterien im Halsbereich sparen könnten. Kieferorthopäden dagegen, die sich der Schönheit verpflichten, verdienen recht gut an den zerknirschten Zahnkronen. Und auch der Fahrradfahrer freut sich am Schaden der anderen, wenn er die gestikulierenden Autofahrer ohne Ton fluchen sieht. Er selbst ist Anarchist, selbst rote Ampeln gelten für ihn nicht.
Im Korsett der Straßenverkehrsordnung ist die gelbe Ampel die einzige Richterin, die beiden Fahrern Recht gibt. Was also tun, wenn der Vordermann fünfzehn Meter vor der Ampel vom Gas geht, weil er mit Gott gegebener Ruhe den Tag im stetigen „eins nach dem anderen“ verlebt? Sich dabei am besten noch für vorausschauendes Fahren lobt, schließlich wird die Ampel rot werden, irgendwann gewiss. Sie merken wohl nicht, was sie anderen damit antun, welche Freude sie rauben! Bei ihnen entsteht keine Ekstase, wenn einmal das Gaspedal kippt und Fliehkraft den Körper tief in den Autositz presst, der Motor dazu im Crescendo stöhnt. Nur schaukeln ist schöner.
Den Gelb-Bremser trifft man auf der Autobahn wieder. Auch er hat ein Recht auf die linke Spur, ich weiß. Aber warum macht er das ausgerechnet dann geltend, wenn bergab gerade neue Rekorde erzielt werden? Gemächlich zieht er hinter dem Lastwagen hervor und weicht keinen Tachostrich von seiner vernünftigen Reisegeschwindigkeit ab. Vor allem betagte Herren scheinen zu wissen, was für alle gelten sollte. Schließlich leuchten in Sichtweite – tatsächlich aber am fernen Horizont – schon wieder rote Rücklichter. Dort angekommen, könnte man sowieso nicht schneller fahren. Wozu noch Eile?
Zum Haareraufen auch folgendes: Auf einem 120 km/h Abschnitt liefern sich ein grüner VW-Beetle und ein gelber Audi auf einer zweispurigen Autobahn ein Rennen. Der Beetle bleibt sicherheitshalber genau fünf Stundenkilometer unter dem Verbot und der Audi drei drüber. Vom Wagemut des anderen angestachelt, und weil sich niemand gerne überholen lässt, legt der Beetle sechs drauf. Nun gerät der Audi-Fahrer in Sorge. Die Angst erwischt zu werden, steigt ihm in den Kopf. Soll er ablassen und sich wieder brav dahinter setzen? Aufgeben? Nachlassen? Verlieren? Niemals. Drei mehr noch kann er mit seinem Gewissen vereinbaren. Mag hinter ihm die Schlange auch länger und länger werden.
Gerechterweise fahren die, die sich an die Geschwindigkeitsgrenze halten, immer nur rechts.
Bei mir läuft das gleiche Spiel, nur zwischen den Markierungen 190 und 200. Ich weiß, wir schaffen es, uns vor diese abgesenkte Schnauze zu schieben, mein lieber Golf! Später gibt es einen großen Schluck Öl, versprochen! Und vielleicht mal wieder einen Staubsauger und eine Feucht-Kur Cockpitpflege. Und Sommerreifen.
Das ist kein Berg, nein, höchstens ein Hügel! So ist er fein, lobe ich. Doch was tut das Machoauto nach all der Mühe? Nur um mir zu zeigen, dass ich schwach bin, wird er aus reiner Boshaftigkeit schneller. Plötzlich will er mehr, aber ich werde es ihm nicht geben. Geschieht ihm nur recht, dass ein Volvo mit Fahrradträger immer näher kommt. Er wird bremsen müssen, und wenn es das letzte ist, was er tut. Dreist setzt er noch den Blinker links. Als wüsste ich nicht, was hier gespielt wird. Er muss lernen, dass auch er sich hinten anstellen muss. Tatsächlich bremst er ab. Der Klügere gibt nach, der Schnellere niemals.
Triumphierend glaube ich, ihn los zu sein und ziehe gnädig wieder auf die rechte Seite der Fahrbahn. Ich werde niemandem den Weg versperren. Ich weiß, was sich gehört. Wie niemals gerufen, zieht die blöde Schnauze erneut an mir vorbei und drängelt sich vor. Ihr geduldigen Engel, kommt ihr heute noch zu mir und streicht mir über die Schulter? Langsam wird er frech: Er bremst mich sogar aus. 160 zu überholen, schaffe ich blind. Wieder links raus, und vorbei – jetzt aber endgültig. Als ich auf Schulterhöhe bin, schaue ich mir den Kerl genauer an. Wild gestikuliert eine schöne Frau neben ihm. Darfst nicht so schnell fahren, was? Offensichtlich hat sie sich durchgesetzt und er bleibt vernünftig. Hätte ich ihm auch geraten.
Befreit von diesem drängenden Problem, kann ich endlich bei Vollgas meine Gedanken sortieren. Es ist die ideale Zeit, um den dreißig-Sekunden-Pitch vorzubereiten. Stell dir vor, dein Chef-Chef steht mit dir im Aufzug und du hast genau vier Stockwerke Zeit, um ihm deine Idee zu verkaufen. Zweihundert nach vorne und vier nach oben, der beste Ort für gute Ideen, denn nichts anderes kann mehr umfangen, als Einfälle allein. Zu meiner Linken bestellen die Bauern ihre Äcker, zur Rechten verläuft ein Fluss. Und ich nur bei mir und meinen Chips, den Weingummis und Joghurt-Schokolade. Delicioso!
Stimmt, da hab ich mich wohl...
Stimmt, da hab ich mich wohl vom Beat verleiten lassen! Danke!
<p>Liebe Sophie....
Liebe Sophie.
Nachdem ich häufiger in den Niederlanden mit gemütlichen 120 und ruhiger Musik unterwegs war, hat sich eine gewisse therapeutische Wirkung eingestellt, und ich vermisse das deutsche jenseits der 130 nicht mehr – verspüre noch nicht einmal mehr den Drang danach.
Das Lob der ständigen Beifahrerin, der besten Ehefrau von allen, blieb zwar aus, aber ebenso das hysterische Genörgel an meinem Fahrstil, das früher stets ausbrach.
[Mithin möchte ich diese vollkommen relaxte Fahrweise mit der eines Commissario Montalbano (Andrea Camilleri) vergleichen.]
Nun, seitdem komme(n) ich (wir) viel entspannter an – keine Schulter-Nacken-Verspannungen und Kopfschmerz (und Streit) mehr – und beim Abheften der Tankrechnungen freue ich mich über die geringere Anzahl an Belegen. Die Insekten am Kühler wurden auch weniger…
🙂
Ich wünsche Ihnen weiterhin gute Fahrt.
Ihr V
<p>Auch wegens all des...
Auch wegens all des geschilderten Stresses hab ich vor 15 Jahren für mich „das Auto“ abgeschafft. Man sieht als Spaziergänger viel mehr von der Stadt (z.B. Architektur (grauenhafte Moderne, wunderhübsche „alte“), Läden, Menschen), man kurvt nicht sieben Mal um den Block um einen Parklatz für die fünf Quadratmeter externes Wohnzimmer zu finden, man muss keine Angst vor Rabauken haben, die wieder mal – eifersüchtig? oder nur dumm? – den Lack meines dreißig Jahre alten 280er Coupe… usw. (ja, fast endlos, dieser Stress, all der Ärger, die Kosten…).
Nein, danke.
Aber -wie immer – köstlich zu lesen! Danke.
<p>Mainstream gequake. Immer...
Mainstream gequake. Immer wieder zum aufwärmen. Und das nächste Mal geht es über die Eigenarten der Göttergatten; Oder über Schräbergartenpächter, oder sonstiges -ach so tolles-. Vielleicht auch Gartenzwerge.
Dann bringt doch mal was richtiges auf den Tisch! Fragt mal nach, wo der Mainstream hin will und ob es wirklich da so gut ist. (Meine Meinung: Nein!) Hakt doch mal nach, ob der Mainstream weiß, was er alles dabei überennt. Oder auch nach dem Hype auf Phrasen und warum das immer noch so bei den Leuten zieht.
Quo vadis, Moderne? Als hätte...
Quo vadis, Moderne? Als hätte sich das noch niemand jemals zuvor gefragt.
<p>@V: Die...
@V: Die Geschwindigkeitsbegrenzungen in NL und B sind dort wirklich sehr angenehm. Mich be“schleicht“ dort allerdings häufiger das Gefühl, dass diese Begrenzungen nur dazu dienen, den eigenen Bürgern die räumliche Enge des eigenen Landes weniger deutlich vor Augen zu führen. Man wäre ja sonst in unter einer Stunde durch.
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@KG: Ad 1: Was an Ihren Ausführungen „kritisch“ sein soll, erschließt sich mir nicht; dazu müssten sie erst einmal „genau hinsehen“.
Ad 2: „Denke nie gedacht zu haben, denn das Denken der Gedanken ist gedankenloses Denken! Denke nie, denn wenn du denkst du denkst, dann denkst du nur du denkst, gedacht doch hast du nie!“ – Mit „Gedanken“ war’s also auch nichts.
<p>SvM: falsches Auto? Gibt es...
SvM: falsches Auto? Gibt es ein Auto, in dem ich als Fahrer schlafen kann? Ich meine richtig schlafen, nicht so wie diese vielen Leute auf der Straße…
Die Lobby der Fahrlehrer scheint übrigens genauso zu schlafen. Sonst müßte man den Führerschein alle zwei Jahre erneuern. Bei TÜV, QMS usw. geht es doch auch. „Rezertifizierung der Fahrerlaubnis“, was für schöne Begriffe man sich das ausdenken könnte.
<p>Paulchen P, auf den...
Paulchen P, auf den Interstate Highways der meisten US-Bundesstaaten ist das Tempo-Limit 75 mph (ungefähr 120 km/h). Auch wegen der räumlichen Enge?
Oder waren etwa Niederländer an der Planung beteiligt – möglicherweise sind Sie da ja auf eine Verschwörung gestoßen? Eisenhower hatte m.W. jedenfalls deutsche Vorfahren.
<p>Auch ohne gestikulierende...
Auch ohne gestikulierende Beifahrerin fehlt dem Gelbbremser das Durchhaltevermögen bei hohen Geschwindigkeiten. Sie schlaffen immer schnell ab.
Ich persönliche finde hohe Tempi noch aus einem weiteren Grund für sehr entspannend: bei 200 kommen die Wahnsinnigen von hinten nicht so schnell ran. Bei 230 kann man sich langsam ganz nach vorne konzentrieren, ohne jemandem im Weg zu stehen. Wirklich wunderbar. Transzendenz.
CO2-mäßig natürlich eine Sauerei, dafür muss halt die CO2-Kompensationstankkarte als Ablass herhalten.
<p>Die heutige Zeit ist so...
Die heutige Zeit ist so hektisch geworden, dass viele Leute gar nicht mehr kapieren, um was es im Leben geht. Stets höher, weiter, schneller. Wie lange ist es her, als man das letzte mal eine Biene beim Blütenstaubsammeln beobachtet hat? Wann ist man das letzte mal abseits der Wege durch die Natur gewandert und hat vielleicht das Glück gehabt einen Fuchs (lebendig, nicht überrollt neben der Fahrbahn) bei seinem unbeschwerten Leben beobachten zu dürfen? Bei den meisten, die hier über Pferdestärken und Zylinderzahlen quatschen wahrscheinlich schon sehr lange. Ist aber auch schwierig, wenn man lichthupend, blinkend und wild gestikulierend, am besten noch mit Handy am Ohr und Burger in der Hand hinter einem A6 hängt und sich aufregt, warum er dem eigenen S6 nicht Platz macht, obwohl man schon seit 2,8 Sekunden vom Gas runter ist und 3 km/h an Geschwindigkeit eingebüst hat.
Ich selbst fahre gemütlich Auto und halte mich größtenteils an die vorgegebenen Maximalgeschwindigkeiten. Und das hat Gründe. Es ist günstiger. Es ist entspannter. Und wenn man umsichtig fährt, behindert man nicht einmal jemanden. Im Gegensatz zu vielen Rasern …