Die Liebe auf den ersten Blick sei die einzig solide, verriet mir einer mit mehr Lebenserfahrung als ich sie habe. Alle Versuche, mit Geduld und viel Liebe eine Beziehung zu beginnen, hätten noch nie funktioniert; jedwedes Ringen um den idealen Start sei immer nur zum Scheitern verurteilt.
Was für ein Elend! Jeder Tag auf dem Kalender muss also grün umkringelt werden. An jedem Tag, in jeder Nacht kann es passieren, dass man sich verliebt. Wer hat dafür die Nerven und die Zeit? Was für ein Stress. Dabei sollte man sich darauf freuen! Ab dem Moment perlt Lachen von den Verliebten in bunten Luftschlangen, und viel Konfetti dazu. Die Zeit ohne ihn ist nur auszuhalten, wenn gleich wieder – fest versprochen – die Tür aufgeht: Sein Gesicht glättet sich in sanftes Strahlen, die Augen schießen Wärme. Die ungeduldig ersehnte Nähe wird zu einem Guss aus Ruhe. Schweben ist dafür zu leicht gesagt. Selbstverständlichkeit zu lang. Sowieso. Das trifft es besser. Niemand trägt Schuld, wenn nun die eigenen Konturen verschwimmen. Wen sollte es schon stören, dass man nicht mehr ist, wer man dachte, geworden zu sein?
Vielleicht ist man sich sogar schon begegnet! An welchem Tag könnte das gewesen sein? Potenzielle Momente blasen sich mit Wichtigkeit auf. Aber hätte es dann Sinn gemacht, sich tschüss zu sagen? Hätten sie nicht denken müssen, dass es viel besser wäre, einfach mit dem Auto wegzufahren? Der Tag war doch so schön. Ein Leben danach sowieso. Wenn nicht mit ihr in seinen Armen, wann dann? Dass sie ihren Kopf an seine Schulter lege – er fände es schön, ihn da zu spüren.
Für diesen Moment rennen die Willigen in den Fitnessclub, in die Bar oder ins Büro. Doch Amor ist geizig wie immer. Oder er schläft. Oder vergnügt sich anderweitig.
Tatsächlich ergeht es den Suchenden wie dem armseligen Goldsucher, der alleine in seiner Hütte wohnt und jeden Tag zum großen Fluss geht. Jemand hatte ihm vor zwei Ewigkeiten den Floh ins Ohr gesetzt, dass in diesem Wasser schon große Schätze gefunden wurden. Durch seine Mühe wird er zwar fündig, doch immer nur sind es kleine Nuggets, die bei geringster Erschütterung zerfallen. Trotz allem Frust und entgegen jeder Lust hat er nach 999 Tagen des mürben Schürfens einmal noch Hoffnung aufgesetzt und ist mit seinem Sieb an den Fluss gegangen. Doch wieder hat er kein Glück.
Damit die Geschichte den Mythos vollzieht, muss das Ende wohl lauten:
Aus Gewohnheit und was sollte er auch sonst tun, ging er am nächsten Tag wieder an den Fluss und fand einen Diamanten, größer und schöner, als er ihn sich jemals hätte erträumen können.
Viel wahrscheinlicher aber als diese zaubernde Lösung am 1001. Kalendertag findet er auch weiterhin nichts, was seinem Anspruch genügt. Irgendwem muss die Mühe in Rechnung gestellt werden. Die Induktion gebietet diesen Schluss gar, denn immer nur ist man der Täuschung erlegen gewesen: Nichts hält an, denn nichts hält aus.
Wie mühsam ist die Suche nach einem Schuldigen, wenn Liebe nicht entsteht: er, sie, die andere. Der Alte. Das Timing. Aus Frust wird hartnäckiger Stolz, der vor jeder weiteren Kerbe schützen muss. Man sollte sich damit begnügen, dass es Liebe nur in der Oper gibt. Oder bei anderen, die als Paar so betörend einheitlich wirken. Was der eine immer wollte, ist der andere schon lange gewesen. Mag die Wunschvorstellung auch erbärmlich simpel sein und niemals zugegeben. Die heimliche Lücke, sie schloss sich ohne viel Getöse.
Sollte man es wieder wagen? Oder gar nur zulassen? Denn bei welcher Szene am nächsten Tag der Kopf-Film auch stoppt: Es war zumindest wie verliebt. Gewiss berauscht, intuitiv richtig an seinen Lippen, in seinen Händen auch. Zwischendurch in verschwommene Augen geschaut, mit Mühe den anderen fixiert. Den Blick des anderen dabei geprüft: War er tatsächlich dort, wo man selbst auch war? Ja, klar!
Doch wer möchte schon einmal noch erleben müssen, wenn die Freude am anderen erlischt. Frisch entdeckt, neugierig als interessant erkannt, und doch sich bald nur flüchtig begrüßt wie gerademal bekannt, vordergründig und lieber ignorant. Nicht entblößend, ob man lange auf halber Strecke den anderen erwartet hatte, bis man es dann wieder sein ließ.
Denn Vergänglichkeit durchzieht schon die kleine Liebe mit ihren grauen Schatten.
Nur in kurzen Momenten leuchtet süßes Glück. Warm, weich, schüchtern.
Dann, schwarz/weiß schmerzt es in den Augen.
Wer hat an dem Dimmer gedreht?
Mit morbider Verklemmung beobachtet man,
wie die Liebe stirbt, sogleich sie wächst.
Denkt klug, alles vergeht wie bisher.
Denkt hektisch, will schmecken.
Denkt nicht. Nur nicht schlucken.
Foto: Tiemo Marquarding/Laura Karasek
Wie süß - Uhren im...
Wie süß – Uhren im Partnerlook. Die kleinste Einheit des Kalenderblatts.
Na? Verliebt?...
Na? Verliebt?
<p>ah, da sitzen ja zwei...
ah, da sitzen ja zwei menschen auf dem ast einer – ich vermute – blühenden japanischen zierkirsche. auf den ersten blick gar nicht gesehen. man möchte bei dem bild und dem text zu einem maikäfer werden!
der text passt gut zum aufkeimenden frühling aller orts.
grüße,
<p>Es hat was für sich das...
Es hat was für sich das Konzept der perfekten romantischen Liebe durchzudeklinieren. Aber hat das je wirklich funktioniert?!
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PS: Der Text ist zum Schmelzen schön. Danke verehrteste SvM!
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PPS: Natürlich stimmt auch: „Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen…“ – und da kann man sich noch so lange bemühen und nach Gold schürfen.
Wie man sich verliebt ist mir...
Wie man sich verliebt ist mir ein Rästel, aber „dass“ steht zumindest außer Frage.
<p>Das ist doch mal ein...
Das ist doch mal ein schöner Artikel. Die Liebe ist schon etwas schönes, wenn man sie mal hat. Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich meine wahre Liebe gefunden habe :).
<p>Sehr schön hat es Kurt...
Sehr schön hat es Kurt Tucholsky – die 2. Zeile von Böhmenfürst – beschrieben:
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Beine, die Hüften, das Mieder,
vielleicht war das mein Lebensglück
– vorbei, verweht, nie wieder.
<p>Wie schön, inhaltlich als...
Wie schön, inhaltlich als auch von der Sprache – Ich liebe es, wenn die Sprache so schön angewandt wird. Herzlichen Dank dafür.
Ja, als ich noch Single war, da gab es auch dieses Hoffen, dass heute der tag sein sein wird an dem sie in mein Leben tritt. So ganz ohne wenn und aber, bedingungslos und krachend, wie die Liebe verklärt dargestellt wird. Sie tat es nicht und doch habe ich meine Liebe gefunden, ganz langsam zog sie in mein Herz ein, machte es sich gemütlich und läßt mich bis zum heutigen Tage wohlig durchs Leben schreiten
In der Kommentaren-Gemeinde...
In der Kommentaren-Gemeinde geht es also meistens gut aus. Das gefällt mir.
Cooler Artikel und coole...
Cooler Artikel und coole Uhren!!