„Die Hochzeit währte acht Tage lang,
und die Hunde saßen mit bei Tische
und machten große Augen.“
Hans Christian Andersen
Wenn die Hochzeitsplanung Fahrt aufnimmt, werden Ästheten zu Athleten. Jedem Detail ist aufgetragen, den Stil des Paares zu vermitteln, von der zwei- bis vierblättrigen Einladung auf Büttenpapier bis zum gebeizten Lachs beim Katerfrühstück. Wein bleibt nicht Wein, sondern hat mit dem Vorsatz Hochzeits-Wein aus delikater Rebe gepresst zu sein. Doch über Geschmack lässt sich am besten streiten, und so wird die Weinauswahl gewiss zur Feuertaufe, spätestens für Schwiegereltern. Eine Serviette ist plötzlich kein Textil mehr, um mit starken Nerven den Soßenfleck vom wasserscheuen Seidenkleid zu heben. Es ist die Hochzeits-Serviette, die farblich zu den Gambas, dem Blumenschmuck und der Wandfarbe passen muss. Das Gefährt, welches das junge Glück von der Kirche zum Empfang fahren soll, wird zum heiligen Unterboden, auf den sich das frisch vermählte Paar als erstes platzieren wird. Identität und Präsentation sollen zusammenfinden und so stellt sich einer mit vollem Ernst der Frage: Sind wir eher eine Kutsche, eine Trecker-Schaufel oder ein Cabrio?
Wie gut, dass es ein Detail gibt, das dem Übermaß an geschmückter Festlichkeit lässig die Waage hält: der Ehering. Gold, schlicht, immer gleich. Von modischer Abwandlung verschont, erhält er sich stets dieselbe Form und Wirkung: Diese Person hat bei einem „so gut wie verheiratet“ nicht haltgemacht. Neurotischem Besserwissen zum Trotz, in Fernsehen und Literatur marktschreierisch vorgetragen, hat sich der Wunsch durchgesetzt, dass aus dem ‚ich‘ ein ‚wir‘ werden soll. Erklären kann ich mir das nicht. Wie sagt man wohl dazu, wenn Liebe dieses Stadium erreicht? Wenn man in der Kunst vor einem Werk steht, das sich der Ratio nicht erschließt, die Wirkung dennoch deutlich spürbar ist, räuspert man sich hoheitsvoll und befindet: Es funktioniert.
Wie es zwischen den beiden nach der Hochzeit funktionieren wird, ist trotz aller guten Vorboten für niemanden vorhersehbar; zwischen Verlobung und Heirat allerdings zweitrangig. Darüber muss man sich vorab Gedanken gemacht haben. Jetzt bleibt dafür keine Zeit mehr. Die Gästeliste muss aufgesetzt werden und zwar in vier Sektionen. Dabei hat die Verlobungsanzeige die höchste Auflage, als nächstes die Hochzeitsanzeige, der Polterabend kommt an dritter Stelle, zuletzt im kleinen Kreis – relativ gesehen – der eigentliche Hauptabend.
Das Gästeranking wird angeführt von der Familie, danach folgen die liebsten Freunde mit Anhang, dann die allgemeinen Freunde. Abgerundet wird die Aufstellung mit Gegeneinladungen. Man möchte schließlich nicht unhöflich sein, doch nicht an der eigenen Hochzeit! Doch mit Blick auf Budget und Platz wird schnell klar: es muss radikal gestrichen werden. Die Liste sollte demnach niemals an Dritte gereicht werden, schon gar nicht an die verschwiegene Familie.
Wie an keinem zweiten Tag entlädt sich die anrührende Bedeutung der Liebe zweier Menschen nicht nur auf Dinge, sondern auf alle Beteiligten. Eine Mutter wird zur Bräutigam- bzw. Brautmutter und darf demnach unverhohlen höchsten Aufwand bei Schneiderin und Hutmacher betreiben. Beim Schmuck fällt auf: Je schmaler die glitzernden Reihen an Armband oder Ohrring, desto echter. Die Väter öffnen vor dem Dîner ehrfürchtig die Schatulle, in der das Bundesverdienstkreuz oder ein verliehener Orden auf Samtkissen ruht. Mit feierlichem Ernst stecken sie die Auszeichnung an ihr Revers, derweil sie einmal noch in Ruhe ihre Hochzeitsrede durchdenken. Konnten sie die besten Worte dafür finden, was sie ihrem Kind mit auf dem Weg geben wollen? Nicht im Zwiegespräch und im Vertrauen, sondern diesmal vor allen Gästen, sodass des Vaters Anliegen auch in Freunden und Verwandten weiter wirkt?
Es scheint den Gästen erlaubt, an diesem Tag unverheiratete Geschwister unverblümt zu fragen: „Und, wann ist es bei dir soweit?“ Wer würde es außerhalb dieses traditionsbefeuerten Szenarios wagen, derart in die Fundamentale zu gehen? Im normalen Leben beteuern Singles ihr Überglück in der reinen Gegenwart. Selbst zufriedene Paare wiegeln lieber ab, zu übermächtig ist die Vorstellung, selbst vor den Altar zu treten. Doch bei einer Hochzeit, gerade wenn sie am Anfang der Saison gehalten wird, durchfährt es den Gast, wenn der Pastor spricht, der Mensch sei nicht dafür gemacht, allein zu bleiben.
Die Präsenz aufrichtiger Liebesversprechen stößt einen Single ins Grübeln. Mit welchen Zutaten sollte er sich den Partner backen, um es selbst zur perfekten Hochzeit zu bringen? Heimlich beäugen Paare mit kritischer Neugier das Präsent für die Gäste, die Häppchen beim Empfang, die Distanz zwischen Bar und Tanzfläche. Ob sie es wohl genauso machen würden?
Aber zugeben möchte das natürlich keiner. Erstmal.
Sehr unterhaltsam beobachtet....
Sehr unterhaltsam beobachtet. Hat Anna ein selbst gemaltes Bild geschenkt?
<p>Das schöne am Reden halten...
Das schöne am Reden halten ist, man weiß sofort, ob ein Witz funktioniert. Danke JR für das Schmunzeln. Und nein, Anna war leider nicht da, aber sie hat den Hut gebastelt.
<p>Liebe Sophie,</p>
<p>ach,...
Liebe Sophie,
ach, schön wärs. Aber die Eheringe werden vom Design nicht ausgenommen. Rund und golden, das ist 80er Jahre, heute sind die Ringe eckig (vier- oder drei-), bikoloriert oder grau (sic! aus Palladium, Titan oder wie sonst das im Kongo geplünderte Metall immer heißen mag). Zum Glück halten die zugehörigen Ehen in der Regel nicht lange, sodass diese Modedinger schon nicht mehr getragen werden, wenn sie in 5 Jahren altmodisch aussehen.
.
Sagt man noch „altmodisch“?
Vielleicht bin ich in diesen...
Vielleicht bin ich in diesen Dingen zu sehr im 19. Jahrhundert verhaftet, ich sehe (fast) nur goldene, schlichte Eheringe. Klassik währt am längsten.
Altmodisch? Tatsächlich selten, stimmt. Irgendwas ist „out“, „over“, „so 2009“.
<p>Liebe Sophie,</p>
<p>ich...
Liebe Sophie,
ich kann mich geradezu hinein versetzen in das turbulente Hochzeitsgeschehen, das du so schön bildlich in deinem Blog beschreibst – besonders was den Satz der Singles betrifft, die gefragt werden „Wann es denn selber soweit sei?“ Man fragt sich natürlich schon: „Oh je werde ich am Ende eine von diesen alten, verschrobenen Junggesellinen, die übrig bleiben und sich einen Mops als treuen Ersatzehemann anschaffen?“ So möchte doch keine enden, aber am Ende gibt es doch immer solch ältliche Damen, die alleine geblieben sind. Vielleicht waren auch diese einst junge, knackige Mädls, die nicht im Traume daran dachten übrig zu bleiben und einen dicken stickenden Mops einem rasanten Ehemann vorzuziehen. Doch ehe sie sich versahen, saßen sie umhüllt in einen Dunst übel riechender Mops Furze einsam und alleine – im schlimmsten Falle strickend – vor dem Fernseher – um ihrer Lieblingsbeschäftigung (nur aufgrund der Ermangelung einer interessanteren Tätigkeit) vor dem Fernseher dem Geschehen des sonntäglichen Rosamunde Pilcher Liebesgedönse zu verfolgen. Die Träume einer heissen Liebesnacht längst verdrängt und im Rotwein und Schnaps ertränkt. STOP! Mädls lasst es nicht so weit kommen, schwingt das Tanzbein, sucht euch (am besten reiche) Ehemann und lebt euere Leben ehe es zu spät ist!!!!! Herzlichst Eure Gertrude!!!
<p>@Gertrude</p>
<p>Ich glaube...
@Gertrude
Ich glaube nicht, daß das mit dem „Tanzbein schwingen“ sehr zielführend ist, denn die wenigsten Männer wollen doch eine Tänzerin bekommen. Und der Ratschlag mit dem „Leben leben“ ist auch nicht so toll formuliert; wir alle leben unsere Leben, ehe es zu spät ist, seien die Leben auch so oder so.
Und zuletzt: „Ehemann suchen“ ist gut, „Ehemann finden“ jedoch wichtiger – wenn man so will, wie Sie raten.
Und um das von Ihnen recht witzig beschriebene Klischee der hängengebliebenen Mauerblume wieder etwas zurecht zu stutzen, noch was aus meiner Erfahrung:
Ich habe eine Reihe von älteren Damen mit Mops und Schnaps erlebt, die nicht deshalb so waren, wie sie waren, weil sie nicht einen Mann im Leben hatten, sondern mehrere.
ganz hübsch aufgepast am...
ganz hübsch aufgepast am letzten Wochenende hat die gute Sophie und einwenig aus der familiären Schule geplaudert, dazu noch den Ausschnitt des schönsten Kleides
Man darf gespannt sein wie Sophie dereinst mal ihre Freunde geglücken wird.
<p>Zum Glück sagt das für...
Zum Glück sagt das für den Ring verwendete Material nichts über die Haltbarkeit der Ehe an sich aus. Solche Aussagen rangieren auf einer Ebene mit Verschwörungstheorien und religiösen Bekenntnissen. Nur „spießig“ golden ist die zweisame Zukunft schon lange nicht mehr und das schon seit längerem. Die Ringe sind lediglich ein Symbol der Beziehung, nicht mehr und nicht weniger und das ist auch gut so.
Super Artikel! Bringt Spass zu...
Super Artikel! Bringt Spass zu lesen
Fürst Böhmen, das sind ja...
Fürst Böhmen, das sind ja famose Verhältnisse. Klingt wie die Vorlage für eine schrecklich komische Beziehungskomödie aufgeführt im Volkstheater oder im Sat1 FilmFilm. Ich bitte S.Erlaucht. doch recht inständig!