„Wo ist er? Ich bin es leid, immer nur Ausschau zu halten nach der wahren großen Liebe, aber nichts passiert. “ Auf Englisch hört sich die Szene aus der Fernsehserie mit sozialisierender Wirkung „Sex and the City“ noch besser an. „Where is he?“ und das iiii in „he“ zieht die romantisch-heimelige Charlotte im New Yorker Café irrsinnig in die Länge und klopft dabei mit den Händen auf die Tischplatte.
Ja, wo bleibt er oder sie denn nun? Die wahre leuchtende Liebe?
Wir werden neunundzwanzig und dreiunddreißig. So wächst auch die Ungeduld, vor allem weil unsere Lebenszeit, je älter man wird, immer schneller vorbeigehen soll.
Dazu setzt der charakterliche Verfall langsam ein: Wir entdecken unsere Schrulligkeiten gleich zwangartiger Routinen. Mit einem verschmitzten Lächeln rechtfertigt man seine Neurosen, die ohne Partner im ein-Mensch-Haushalt unkorrigiert florieren. Im Schutzmantel des alleinigen Ichs fühlt man sich sicher: Vorder- und Abgründe sind bekannt, Vorlieben und Abneigungen ebenso. Es lebt sich doch ganz gut so.
Dennoch: Drei oder vier Mal die Woche bekriecht, für einen Moment oder viele Sekunden, ein Gefühl des Mangels. Aber so ist das eben. Auch daran hat man sich gewöhnt, was soll man auch tun. Es liegt eben nicht in der eigenen Macht, sich Liebe zu schicken.
Ob wütend auf den Tisch geklopft wie Charlotte in „Sex and the City“, drei Tränchen im Sonntag-Abend-Blues verdrückt oder bewundernd auf glückliche Paare geblickt: Die Liebe gibt sich von menschlichen Regungen total unbeeindruckt, unbeeinflusst und unsteuerbar. Zufall, Schicksal, Pech: Die Erklärungen wirbeln durcheinander und keine Verantwortung ist dingfest zu machen.
Dabei erinnert die Liebe in ihrer abstrakten Autonomie an eine andere Glaubensfigur, deren Erleben sich auch nicht einfordern lässt: Es ist Gott. Wieso?
Auf Kommando zeigt er sich ebenfalls nicht. Und, die Frage nach der Existenz Gottes ist wie die Frage „Gibt es die wahre Liebe für mich?“ Die Antwort lautet entweder ja oder nein. Ein „ich weiß nicht“ genügt auf Lebensdauer nicht.
Gott ist vielfältig: Man findet ihn in der Natur, im Gotteshaus, in einer wundersamen Rettung oder einer Gefühlsstärke, die an Gewissheit grenzt. Was bisweilen auch nicht weiter hilft, denn er ist nicht auf Knopfdruck zu verspüren. Manchmal zu erkennen. (Himmel sei Dank nicht ständig.)
Die Liebe ist vielfältig: Man findet sie bei seinen Geschwistern. Beim ersten Hund. Bei den Eltern und in einer Freundschaft. Christlich gesprochen auch ganz eindeutig in der Liebe zu sich selbst. Wie kein Zweiter fordert Jesus mich auf, auch mich zu lieben, so wie ich andere lieben kann. Aber natürlich steht an erster Stelle ihres Selbstverständnisses: Die Liebe zwischen Mann und Frau.
Auch hier wieder eine Brücke:
Wer über Gott spricht, ob in einem Song, in einem Gospel, in einem Psalm oder in einer philosophischen Abhandlung, der wird von ähnlich Empfindenden bald schon gut verstanden werden. Genauso wie einer den anderen verstehen kann, wenn man von Schmetterlingen, Herzschmerz oder Nachvibrieren spricht.
Ist es eigentlich verwegen zu sagen, dass Gott die Liebe in mir ist?
Es lässt sich beobachten, wer Gott einmal findet, wird ihn unter normalen Umständen nicht wieder verlieren. Er bleibt. Und, weil Gott zu finden ist, tut dies, wer ihn sucht.
Und weil die wahre Liebe genauso grundsätzlich da ist – so erzählen mir die Leute – lautet die Antwort einfach, ja. Es gibt sie und damit auch für mich.
Aber es kann sein, dass sie auf unterschiedliche Weise und zu unerwarteten Momenten und Zeitpunkten auftaucht. Wir werden sehen. Doch der Glaube daran fällt nicht schwer. Vielleicht ist er sogar die einzige Chance, Liebe zu bewältigen.
Denn sie wird dir nie gehören, sie ist autonom. Gott wird dir nie gehören, er ist autonom. Das ist das Ding.
Immerhin lässt er sich deswegen auch nicht von jemand anderem einfach so wegnehmen. Und so wünsche ich mir und bete, dass die wahre Liebe bei mir bleiben wird.
Cause I am dangerously in love with you.
<p>Also was ist das für ein...
Also was ist das für ein Ding, diese Liebe? Wie fühlt sie sich an? Ist sie wirklich mehr als ein uns täuschendes Spiel der Hormone? Und wenn ja, wäre es die Gesellschaftlichkeit, die sich dahinter verbirgt, also eine gewisse gesellschaftliche Konvention, die das machte? Bzw., ist diese Konvention gar selber eine Illusion? Gibt es überhaupt eine solche zwischen Mann und Frau – ob der verschiedenen Kosmen (ob ihrer Antagonismen, blog.herold-binsack.eu)? Oder, und ich sage es ganz provokant: Ist diese Konvention nicht einfach nur das zynisch formulierte Recht des Stärkeren? Der eigentliche Akt der Vergewaltigung, der somit jeder Liebe vorhergeht? (Ich denke Frau Schwarzer blog.herold-binsack.eu würde das so formuliert haben – in ihren jüngeren Tagen.) Und liegt darin nicht die Quelle um des Irrens um das Thema Liebe?
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Betrug und Selbstbetrug sind da zwei mögliche Prädikate zu dieser Liebe. Die, solange sie nicht eingestanden sind, Liebe unmöglich machen. Bzw. Liebe auf das reduzieren, was sie zwangsläufig dann ist. Kampf! Kampf um die Macht. Kampf um die Einsicht. Kampf um den Selbstwert. Kampf um das Glück (was auch immer das sei). Kampf um die nackte Existenz. Hoffnung, Verzweiflung. Selbstgesetztes Unglück. Ja Lieblosigkeit. Rache. Hass und Verachtung. Pure Notwendigkeit. Vielleicht, denn ohne völlige diesbezügliche Einsicht. Selbstgesetzte Unfreiheit (blog.herold-binsack.eu) daher.
Leider hat FAZ hier ja keine...
Leider hat FAZ hier ja keine „like“ Funktion. Sonst könnte man da einfach wortlos draufklicken!
<p>Sehr schöner, tiefsinniger...
Sehr schöner, tiefsinniger und berührender Artikel! Mir war gar nicht klar, dass man eine Parallele zwischen dem Glauben, in der Form Gottes, und der Liebe ziehen kann. Ich persönlich würde noch das Schicksal mit einbinden und so das zufällige Zusammentreffen zweier Menschen begründen! Zusammenfassend ist es wohl eine „höhere Macht“, die die Liebe steuert – egal ob Gott, Schicksal oder auch Zufall. Man kann diese Art von Zuneigung wirklich nicht erklären und v.a. nicht beeinflussen; weshalb es einzigartig ist, wenn ein Paar sich gefunden hat.
Das i-Tüpfelchen in diesem Artikel sind die Zitate aus Sex-and-the-City! Diese Serie hat nämlich mehr Handlung als die meisten Leute denken mögen!
<p>Beste Sophie</p>
<p>Sie...
Beste Sophie
Sie haben keine Scheu vor grossen Themen, das muss man Ihnen lassen!!!
(nicht schlecht!)
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Und das nächste Mal erklären Sie uns doch bitte den Sinn des Lebens 😉
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Ihre ergebene K.
<p>Die wahre Liebe ist wohl...
Die wahre Liebe ist wohl das einzige was Gott und der Teufel gemeinsam geschaffen haben. Sie ist himmlisch und wunderschön und doch gibt es nichts, das so tief verletzen kann wie sie.
<p>Warum...
Warum gekürzt?
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Hallo, Frau Maltzahn, ich danke Ihnen, dass Sie meinen Beitrag gesendet haben. Doch warum haben Sie ihn gekürzt? Zudem dies, ohne das zu kennzeichnen? Was stört Sie an den ersten drei Absätzen? Halten Sie das für unwesentlich, was ich hier zum Diskurs zwischen Mann und Frau sage?
<p>Liebe ist auch das bewusste...
Liebe ist auch das bewusste Eingehen einer langfristigen Selbst-Verpflichtung. Das aber ist heute kein Wert mehr. Liebe ist Verliebt-Sein + Vertrauen, Kenntnis und Annahme. Wer sich nicht selbst verpflichten will, verschliesst sich damit auch der Liebe. Das ist manchmal Schicksal. Häufiger allerdings selbstgewählt.
Gruss,
Thorsten Haupts
Lieber Devin08, nicht...
Lieber Devin08, nicht unwesentlich, nein. Aber es wäre so schade gewesen, wenn der erste Kommentar die ganze Mühe gleich auf sexuelle Dinge leitet. Darum geht es in dem Beitrag einfach nicht. Ihre letzten beiden Absätzen zielen viel präziser auf das Thema ab und deswegen wollte ich das hervorheben. Das nächste Mal mit (…) 🙂
<p>Mir genügt ein "ich weiß...
Mir genügt ein „ich weiß nicht“ völlig, das ist die einzige Gewissheit auf die ich mich verlasse. Und warum steht die Liebe zwischen Mann und Frau an erster Stelle? Ich finde die Liebe der Mutter zu ihren Kindern sehr viel wesentlicher, da sich aus dieser Beziehung meiner Meinung nach alle anderen Formen der Liebe entwickeln.
<p>Verehrte Frau von...
Verehrte Frau von Maltzahn,
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wunderbar, wirklich außergewöhnlich.
Ein seltenes, journalistisches Juwel und persöhnliches Bekenntnis.
Vielen Dank!