Auf Dekadenz folgt Fäulnis, das weiß die Kunst am allerbesten. In öliger Tiefe und doch gestochen scharf glänzen die Obstkörbe auf Vanitas-Gemälden und führen uns Vergänglichkeit vor Augen. Von der Pracht angelockt, geht man auf das Bild zu und lässt sich von Birnen und Feigen verköstigen, -bis der Blick sich seiner nicht mehr sicher ist: Hockt da tatsächlich eine Fliege auf der Erdbeere? Und zwar eine richtig fette, grün schimmernde? (Finden Sie nicht auch, dass die gemeine Stubenfliege das unappetitlichste Wesen von allen ist?)
Doch damit nicht genug: Auch die Erdbeere ist nicht mehr die drallste. Sie glänzt nicht, sondern schimmert höchstens matt, denn sie hat bereits begonnen, weich zu werden.
Manche Maler setzten noch einen oben drauf und ließen Schnecken über Äpfel glitschen, Fliegen in Weingläsern ertrinken und Totenköpfe über Tische kollern
Warum ich davon erzähle? Vor gar nicht langer Zeit habe ich ein reales Vanitas-Motiv gesehen. Es hat sich mir geradezu aufgedrängt und zwar im ganz banalen Zusammenhang. Ich hätte Ihnen schon längst davon berichtet, aber ich musste mich von dem Eindruck erst einmal erholen.
Es war an einem der wenigen, heißen Tage in diesem Sommer. Ich saß mit einer Lektüre in einem Frühstücks-Café. Sonntags bauen sie hier immer ein großes Buffet auf von dem man essen darf, soviel man will. Bis 17 Uhr, so verspricht es die Speisekarte, – damit auch die Verkaterten, die mittags die Augen zum ersten Mal öffnen, noch versorgt und abgerechnet werden können.
Gegen zehn Uhr wuselten Familien auf der Terrasse zwischen beschirmten Kinderwägen durcheinander: Es gab Pfannkuchen und Lasagne, gekochte, getrocknete und frische Tomaten und pesto-isierten Mozzarella. Türme von Schinken, Käse, blanchierten Eiern und dazu zwei, drei Sektchen wanderten vom Buffet an die Tische.
Gegen ein Uhr mittags allerdings erschlaffte die Szenerie deutlich. Statt Ball spielen auf der Restaurantwiese, zog man sich lieber unter den ausladenden Sonnenschirmen und Marquisen zurück. In der prallen Sonne ließ es sich jetzt kaum aushalten. Die Damen fächelten sich hektisch Luft zu und die Herren bereuten heimlich ihre Stilverbundenheit, niemals kurze Hosen tragen zu wollen.
Natürlich waren auch die Kellnerinnen und Kellner an so einem heißen Tag schnell müde und brauchten mehr Pausen als sonst, – wenn sie nicht gerade frische Weintraubenschorle mit Eis servieren mussten.
Und so kam es, dass die Sonne am Himmel weiter wanderte und ihre Strahlen den Schatten unter den Schirmen stetig mehr verdrängten. Zentimeter für Zentimeter eroberte die Hitze auch das Buffet. Es fiel erst gar nicht auf, dass der Käse schwitzte, seine Ränder verkrusteten und sie sich schon bald nach oben bogen. Dem Schinken ging seine kräftige rote Farbe verloren, sodass er in grau und grün schimmerte. Immer mehr Wespen entdeckten den Kuchen und stachen ihre Rüssel in seinen warm gelierenden Zucker.
Aber niemand kümmerte sich darum. Keiner dachte daran, das viele Essen ins Kühle zu tragen. Bis 17 Uhr musste es ja laut Speisekarte draußen aufgebaut sein und neue Gäste anlocken. Viel zu spät kam einer auf die Idee, dass man den Schirm drehen könnte, sodass er über dem Buffet stand: Doch jetzt war der Kuchen zu trocken, das Obst zu weich und über das Joghurt hatte sich eine Kruste gelegt. Für Allergiker glich das Buffet einem Sperrgebiet, weil Wespen-Sonderzone. Das konnte man den Gästen nicht mehr anbieten. Ich weiß nicht, wozu sich die Leute vom Restaurant entschlossen haben, ob sie alles wegschmeißen wollten oder nicht. Irgendwann bin ich gegangen, bis dahin blieb das Buffet stehen wie es war, – als mache es nun auch nichts mehr.
Warum ich nicht aufgestanden bin und mich zum Retter allen überflüssig präsentiertem Essen erhoben habe? – Ich weiß es nicht, ich tat es einfach nicht. Ich bin ja auch nicht derjenige gewesen, der das Buffet aufgebaut hat. Warum sollte ich mich überall verantwortlich fühlen? Ich bin doch nur der Gast. Und dennoch weiß ich: Es ist auch meine Schuld, meine Schuld, meine große Schuld.
Ich habe gelernt, das...
Ich habe gelernt, das Vergangene nicht bewerten zu müssen.
Es ist wirklich weg und ich werde es bestimmt nicht in die Gegenwart zerren, falls es nicht zu meinem Wohl dient. Und Schuld? Wann ist Schuld, Schuld?
Sie wollten nichts böses, also ist auch nichts böses geschehen, oder?
Das schließt natürliches kritisches Überdenken nicht aus, aber um Ihretwillen, und ohne Schuld-Gefühle. Es garantiert das gute Leben!
man bist du früh dran :)...
man bist du früh dran 🙂 DK&LG aus B.!
Früher Vogel fängt den Wurm....
Früher Vogel fängt den Wurm.
War ich am falschen Ort, um...
War ich am falschen Ort, um das „wenig“ vor dem „heiß“ mitvollziehen zu können, oder interpretiere ich das „heiß“ zu engstirnig?
Defintiv am falschen Ort. In...
Defintiv am falschen Ort. In Deutschland gab es nur Frühling und dann kam der Herbst. Und zwischendurch nur wenige, heiße Tage.
Ehe das Suchen beginnt: Das...
Ehe das Suchen beginnt: Das erste Bild oben gibt’s hier in GROSS:
http://www.ruhr-uni-bochum.de/kgi/stillleben/data/images/8/089_hoch.jpg
Erdbeere wie Fliege suche ich noch…
<p>Das täglich Schlimme:...
Das täglich Schlimme: Vorab-in-Scheiben-Schneiden von Schinken und Wurst beim Fleischer oder an der – wie heißt es heute? – Wursttheke. Wenn die Scheiben da einige Zeit nackich liegen, trocknen sie auch aus. Ergo: das Studium als „Wurstfachverkäuferin“ (o.s.ä.) war sinnlos.
...und dann lösen die...
…und dann lösen die schönsten Dinge Ekel aus. Das ist doch verrückt.
<p>Und noch eines obendrauf:...
Und noch eines obendrauf: Eine weitere Unzulänglichkeit der Frühstücksbüffetkultur liegt im Umgang mit Ei. Ein nach zwei Minuten nach Fertigstellung nicht verspeistes Rührei wird kalt und trocknet aus bis nur noch ein Klumpen dunkelgelber Eimasse zurück bleibt. Vom Bacon mal ganz zu schweigen. Bei gegebenem Wetter gibt es das beste Frühstück bei uns zu Hause im Garten. Es wird auch garantiert alles gegessen. Da wir nicht mehr auf Brautschau oder Gattensuche sind, ersparen wir uns das Büffet, das ungeachtet des Preises zwangsläufig immer zweitklassig ist. Obendrein ersparen wir uns die mit den Speisen gealterten Gesichter der „Verkaterten“.
<p>Peter Greenaway: Der KOch,...
Peter Greenaway: Der KOch, der Dieb…