Tu Gutes und rede darüber, sagen die Amerikaner. Doch hier tun wir uns schwer damit, wenn einer vor anderen seinen Heiligenschein poliert.
Gewiss sollte man damit vorsichtig sein, man könnte in die Ecke gerückt werden, in der soziales Engagement seinen abstoßendsten Anstrich erhält.
Ich habe mal auf einer Veranstaltung in einem luxuriösen Hotel gearbeitet, die sich gleich zwei gesellschaftliche Ziele auf die Fahne geschrieben hatte: Kunst fördern und die Armut in Afrika bekämpfen. Die ausstellende Künstlerin arbeitete mit Zelten, die sie mit Kleidung, Magazinausschnitten oder Watch-out-for-HIV-Plakaten benäht hatte. Von diesen Zelten wurden die Besucher in Empfang genommen, dann folgte im Lichtmaschinenwirbel ein über mehrere Räume reichendes Buffet mit Sushi, Austern, Filetsteaks und einem Schokoladenbrunnen in Form eines Männchens inmitten von tausend Küchlein. Champagner wurde gereicht oder frisch gepresster Erdbeersaft, und an der Bar konnte man zwischen verschiedenen Rum-Jahrgängen wählen.
Der Kontrast zwischen dem dekadenzgetränkten Szenario und dem prononcierten Zweck erreichte seinen Höhepunkt, als Bildschirme eingeschaltet wurden, die Szenen aus afrikanischen Flüchtlingscamps zeigten. Das Ganze hätte eine Installation sein können, wenn auch eine plakative. Doch es schien keinem aufzufallen. Alle waren restlos mit dem eigenen Glanz beschäftigt. Natürlich gab es noch einen Spendenaufruf vom Unicef-Delegierten, der eine wenig beachtete Rede hielt. In welchem Missverhältnis die gespendete Summe zu den Kosten allein dieses Abends stehen musste, kann man sich ausmalen.
Dass auch nur ein einziger Gast den Abend mit dem Bewusstsein erlebt hat, hier an einer Weltverbesserungsveranstaltung teilgenommen zu haben, kann ich mir nicht vorstellen. Wohl eher tauscht man sich darüber aus, dass Dana Schweiger ja viel größer sei als man dachte oder fragt sich, ob Udo Lindenberg eigentlich den ganzen Abend an der Bar verbringt.
Nein, mit solchen Leuten will man nicht verwechselt werden.
Aber lassen wir das schlechteste aller Beispiele beiseite und schauen auf der Skala, die bei Mutter Theresa und ihresgleichen endet, auf das breite Mittelfeld.
Man zahlt Kirchensteuer, kauft den „Straßenträumer“ oder wirft dem Bettler zwei Münzen in den Pappbecher. Ein Redebedarf dürfte sich aus diesen kleinen Gesten wohl kaum entwickeln. Wer fester zupacken möchte und von Zeit zu Zeit sein Abendprogramm gegen Armensuppe oder seinen Urlaub für eine Betreuung im Behinderten-Camp eintauscht, gerät schon eher ins kommunikative Dilemma.
Denn man möchte über die Erfahrungen sprechen, will seine Erlebnisse teilen, will andere begeistern und am besten gleich zum Mitmachen bewegen. Doch findet man sich bei spitzfindigen Skeptikern auf der Spitze der Debatte – nach höheren Gesellschaftszwängen und Dazu-gehören-wollen-Komplexen – mit einem Egoismusvorwurf konfrontiert: „Das macht man doch nur, um sich selbst besser zu fühlen.“ Was stimmt. Wie könnte man den Umweg zur eigenen Gefälligkeit über des Nächsten Benefits leugnen? Doch wie sollen sich seriöse Projekte rumsprechen, wenn die Mund-zu-Mund-Propaganda voller Plomben ist? Wenn man in den Verdacht gerät, sich auf Kosten von Hilfsbedürftigen zu profilieren?
Es muss ein Weg gefunden werden, wie man über gute Taten reden kann, ohne dem Projekt, sich und anderen Schaden zuzufügen.
Sie merken, liebe Leser, es hier fehlt ein regelndes System. Dazu möchte ich einen Vorschlag machen:
Es sollten Redezertifikate ausgegeben werden, mit denen man sich seiner guten Tat rühmen darf. Die Laufzeiten betragen sieben, vierzehn oder 21 Tage. Länger darf es nicht dauern, sonst hört keiner mehr zu.
Die Papiere werden außerdem in aktive und passive Zertifikate unterschieden.
Passive Zertifikate können durch Spenden erworben werden und funktionieren nach der einfachen Formel: ein Euro für einen Tag.
Aktive Zertifikate erhält man durch allerlei gute Taten:
Für eine siebentägige Laufzeit kauft man seine Zeitung abends im Restaurant, geht dem Pizza-Lieferanten die Hälfte der Stockwerke entgegen, ruft mal wieder die Großeltern an, reicht die noch gültige Fahrkarte weiter, wenn man in der U-Bahn danach gefragt wird, hilft in der Schlange beim Bäcker dem Nachbarn mit achtzig Cent aus oder ruft den Installateur, wenn die Heizung ausfällt und wartet nicht, bis einer der Nachbarn sich erbarmt.
Für eine vierzehntägige Laufzeit geht man dem Pizza-Lieferanten alle Stockwerke entgegen, sortiert seinen Schrank aus und bringt nur, was noch gut ist, in die Kleidersammlung, schreibt den Paten und Patenkindern zum Geburtstag, meldet einen Stau hinter der Kuppe, kauft dem Bettler an der Ecke endlich mal seine Taschentücher ab, auch wenn man keinen Schnupfen hat oder kocht für die verwitwete, einsame Nachbarin von Zeit zu Zeit ein Abendessen.
Für eine 21-tägige Laufzeit übernimmt man eine Schicht im Monat bei den „Grünen Damen“, sortiert nicht nur den Kleider- , sondern auch den Schuhschrank aus, überwindet die Angst vorm Blutspenden, beantragt einen Organspendeausweis, hält es noch eine halbe Stunde länger auf dem Bürgeramt aus und hilft der Rumänin beim Ausfüllen ihres Antrags oder kocht der verwitweten, einsamen Nachbarin ein Abendessen ohne darin enthaltene Spuren von Nüssen, gegen die sie allergisch ist.
Ach ja, um das Ganze anzukurbeln, darf mit den Zertifikaten natürlich gehandelt werden. Schließlich geht es hier um Aufmerksamkeit für die gute Sache, schließlich sollen noch mehr Menschen darüber reden. Schaden kann das nicht.
Die Vermarktung guter Taten...
Die Vermarktung guter Taten würde sicherlich zu einem neuem Hoch in der heutigen Zeit führen…. Guter Artikel!
Wie wahr! Nehme die 14...
Wie wahr! Nehme die 14 Tage!Tausche 7 zurück und hätte dann gerne ein Abendessen dafür!
Jeden Tag eine gute...
Jeden Tag eine gute Tat!
Herzlichen Dank für die Erinnerung an dieses Motto. Und natürlich darf, nein sollte davon erzählt werden – von mir aus sogar auf Twitter, wenns gar nicht anders geht (weil vorübergehend heiser, unverständlicher Dialekt o.ä.).
... die heiße Schlacht am...
… die heiße Schlacht am kalten Büffet… – da gab es doch mal so ein uraltes Lied
<p>"hilft in der Schlange beim...
„hilft in der Schlange beim Bäcker dem Nachbarn mit achtzig Cent aus oder ruft den Installateur, wenn die Heizung ausfällt und wartet nicht, bis einer der Nachbarn sich erbarmt.“
Hab ich alles schon gemacht und es kam mir ganz normal vor. (Leider darf man Kassiererinnen in Supermärkten kein Trinkgeld mehr geben. Schade).
Auch einen Wasserrohrbruch auf der Straße mitten in der Nacht und auch noch zu Silvester telefonisch der Polizei melden, kein Thema. Mach ich doch gerne. Oder -auch nachts- die Beobachtung seltsamen Tuns gegenüber und Mitteilung an die Polizei (Auflösung: Benzindiebe hatten sich der geklauten Nummernschilder entledigt). Oder Mitteilung an die Behörde, dass eine Straßenlaterne vorm Haus langsam immer schiefer wird (wurde dann tatsächlich ausgebuddelt und neu verankert).
Und jetzt bin ich ein Guter?
An solchen Buffets wie oben geschildert war ich noch nie und es zieht mich auch nicht dahin. Ich vermute, ich habe eine andere Sozialisation? (= einfache Leute). Oder liegt’s daran, dass ich als Steppke bei den Pfadfindern war?
<p>Interessant, wobei ich mir...
Interessant, wobei ich mir nicht sicher bin, ob hier nicht eine große Portion Sarkasmus enthalten ist.
Nun es ist wahr, wir alle sind ichbezogen und wollen glänzen. Eventuell auch dadurch, dass wir sozial und hilfsbereit sind. Gut so gewinnen zwei Seiten und man ist seiner Menschlichkeit gefolgt. Was spricht dagegen? In ihrem obigen Beispiel ganz klar die Verhältnismässigkeit Buffet gegen Spendenhöhe. Aber ich nenne Ihnen hier einmal mein eigenes soziales Egoprojekt: capscovil.com/Kroetenmord.html
Hier können Sie etwas über meinen Frankfurter Krimi erfahren, mit dem Erlös unterstützen der Verlag sowie ich als Autor eine Organisation, die sich um krebskranke und sozial benachteiligte Kinder kümmert. Desweiteren versuchen wir im Krimi neue Trends zu verstärken und zum Nachdenken darüber anzuregen. Charity und technische Trends einfach nur als Verkaufsargumente abzutun, greift heir zu kurz. Bedingt durch eigene Erfahrungen sind Verleger und Autor sensibilisiert für die Belange krebskranker Kinder und möchten eben auch so helfen. Ich kann von meinem normalen Gehalt leben, deswegen ist es mir eine Freude mein Autorenhonorar zu spenden. Ich weiß, dass ich oft gesegnet war auf meinem bisherigen Lebensweg und möchte davon halt auch zurückgeben. Und ja es würde mich natürlich freuen, wenn mein Krimi erfolgreich wird.
PS Einfach virales Marketing für unser Werk sehen Sie auch hier:
https://youtu.be/3yIY1yDcPgA
Also ruhig darüber reden, es schadet nicht!
Ausserdem berechtigt das...
Ausserdem berechtigt das Zertifikat zum Schweigen im Untersuchungsausschuß.
Die Idee mit den...
Die Idee mit den Redezertifikaten ist ausbaufähig. Man könnte sie beispielsweise auf Blogs ausweiten :-).
Gruss,
Thorsten Haupts
Armut der einen gleich...
Armut der einen gleich Reichtum der anderen, wenn Kredit gleich Geld. Man wünscht sich auf eine Südseeinsel. Möge der Rest der Welt reich oder arm sein, ein kleines Glück wäre angenehmer. Ganz ohne Hebelprodukte.
Die einfache Lösung des Neuen...
Die einfache Lösung des Neuen Testamentes in heutiges Deutsch übersetzt:
Spenden Sie an gemeinnützige Einrichtungen der katholischen Kirche in der 3. Welt und schweigen Sie darüber.