Ding und Dinglichkeit

Ding und Dinglichkeit

Keine Frage, die Welt ist voller dinglicher Phänomene. Um viele davon wird einiges Gewese gemacht, etwa um Autos, Mobiltelefone, Schuhe. Das sind die

Jeff Koons und die Juniortüte

| 47 Lesermeinungen

Unsere Konsumwelt überzieht der Künstler Jeff Koons mit glitzerndem Oberflächenzauber. Im Museum geht das Konzept auf. Aber ist es auch alltagstauglich? - Eine Begegnung.

„Welches Spielzeug?“ Fragt mich der automatische Mensch hinter der Kasse. Dafür bin ich doch zu alt, denke ich, auch wenn ich Pommes & Burger als Kinderportion bestelle. Aber vielen Dank fürs  Kompliment. Dann mal her mit dem Spielzeug. Ist ja umsonst. Sind ja nur fünfhunderttausenddreiundsechzig Kilowatt in die Produktion geflossen. Aber Konsumkritik im Fast-Food Restaurant ist schließlich bigott und ich dafür zu träge. Ist so heiß heute.

Bild zu: Jeff Koons und die Juniortüte

Es fügt sich doch gut zusammen: Trash-Food und fauler Mensch. Kein Bock auf Kochen, kein Bock auf Kauen. Dazu gesellt sich ein dumm vergnügliches Plastikteil. Was soll das Ding überhaupt darstellen? Ich schaue mir die  Figur genauer an: Für ein Gesicht hat es nicht gereicht. Hat bloß ein paar Kratzer, die Mund und Nase im Ganzen sein sollen. Bißchen gruselig. Da waren wohl die Produktionsmaschinen nicht filigran genug eingestellt. Hoffentlich war das der Grund und nicht müde, asiatische Kinderhände.

Ist bestimmt eines dieser Monster, die auf dem Comic-Kanal wahlweise die Welt retten oder zerstören wollen. Das Kind am nächsten Tisch weiß jedenfalls genau, welche Kräfte das Monster hat. Es ballert damit die schmatzenden Gäste im Restaurant ab, mit viel Spucke, die aus seinem Mund spritzt. Langsam wischt sich die Mutter den Sprühregen aus ihrem Gesicht. Ihr selbst, aber nicht dem Kind. Dafür hat sie jetzt eine Fettspur mit Ketchup an der Wange. Aber sie stört es nicht. Ist so heiß heute.

Trivialitäten des Alltags? Nicht relevant für einen Geist, der sich in immer höhere Sphären aufschwingen möchte? Hätte man gerne. Doch Leben tropft lauwarm vom immergleichen Burger. Braucht man nicht die Augen vor verschließen. Wird nicht besser, nur weil alles sich ändert. Wenn man sich nur artig nachhaltig verhält. Wenn man nur an etwas glaubt. Wenn man sich stetig bemüht; – zum Schluss isst du die gleiche lasche Fritte.

Bild zu: Jeff Koons und die Juniortüte

Ist ja ein netter Versuch von Jeff Koons, wenn er versucht uns die banale Konsumwelt schmackhaft zu machen und mit einem Oberflächenzauber überzieht. Gerade machen seine Werke Station in der Frankfurter Schirn und im Liebighaus. Kann jeder hingehen und sich selbst illusionieren lassen. Wenn er Spielzeugfiguren zu großen Skulpturen aufbläst, die so tun, als könnten sie schweben. Als könnte man sie an einer Schnur spazieren führen wie einen Luftballon. Dabei sind sie tonnenschwer. Fast so schwer wie ein Burger im Magen.

Bunter Glanz knistert auf Koons Gemälden in der Schirn wie Geschenkpapier. Oh, wie aufregend, ich kriege ein Geschenk. Ich habe Geburtstag! Christus hat Geburstag! Irgendwer hat immer Geburtstag! Wow, ein Geschenk für mich, das freut mich doch. Jeder freut sich über Geschenke. Danke, liebe Fast-Food-Kette für das tolle Gratis-Geschenk in meiner Junior Tüte, das ich ja gar nicht zahlen musste, – mit Geld, Zeit oder gutem Gewissen.

Doch Koons sieht das nicht so streng. Er will uns etwas anderes zeigen, wenn er mit den Spielzeugfiguren arbeitet, die wir von der Kirmes kennen. In einem großen Luftballonstrauß schweben sie dort als Snoopy und Alf zwischen pinkgestreiften Zebras und natürlich Sponge Bob. Sie wiegen sich im Wind und glitzern in der Sonne. Es riecht nach Zuckerwatte und Eiscreme. Der Glücksmoment im Kinderlachen ist natürlich ein gutes Sujet von Koons. Macht gute Laune.

Bild zu: Jeff Koons und die Juniortüte

Aber Koons treibt es noch weiter. Auch Mystik kann er unterbringen, wenn er im Liebighaus zwei mannshohe grüne Hulks eine schwere Metallglocke an einer Tragebahre schultern lässt. Zwischen antiken Asiatika fließt Spiritualität durch den Raum, als wäre sie das einzig wirksame Hilfsmittel gegen die ewigen Lasten der Menschen, die einen Retter brauchen. Einen Retter, der in jeder Zeit zu finden sein muss. Ein Ideal, eine Wahrheit, die ewige Gültigkeit. Allgegenwärtig bis ins Fast-Food-Restaurant. In unserem Fall ist es der Hulk, sagt Koons.

Und weil Koons sich soviel Mühe gegeben hat, nehme ich anerkennend mein Goldpuder und verstreue es auf die Pommes und die Mayo – es ist ja nicht meine Schuld, dass die Welt häßlich ist. Es ist bloß meine Schuld, wenn sie so bleibt.


47 Lesermeinungen

  1. Fritz sagt:

    Hahaha, sehr gut! Die Welt...
    Hahaha, sehr gut! Die Welt verliert ja nicht durch Schönes ihre Hässlichkeit.
    Das glauben höchstens dieser geistig desolate Trupp von Warhol-Epigonen, Tapetenhersteller und Ikea. Und auch unter diesem Aspekt würde Koons schwach wirken, schließlich gibt es zweifellos schönere Kunst als seine Neureichen-Infantilitäten. Das ist niederwertig zusammengetrickst. Mir völlig unerfindlich, wie man diesen laschen Pommes auf den Leim gehen kann. Scheint alles nur noch wie Daily Mirror, Gala und OMG zu funktionieren: Als gut gilt, was prominent ist und ästhetisch Kinderteller-Niveau hat. Koons ist der Paris Hilton der Kunst-Investment-Szene.
    Zur Erinnerung: Kunst hat mal andersherum funktioniert. Woran sich inzwischen aber selbst „Kunstkenner“ und Museumsdirektoren nicht mehr zu erinnern vermögen. Wollen? Dürfen? Hauptsache die Bude ist voll?

  2. Ja, ja, ja, sehr gerne...
    Ja, ja, ja, sehr gerne gelesen, mit einem Lächeln und Hintersinn, fast war ich dabei, nur eine Bitte zum Ausklang: Bitte nehmen Sie die Schuld raus, bitte. Wir sind schon viel zu lange mit diesem Komplex belastet und beladen, immer wieder erzählt Uns der Geist: Du bist Schuld an …, wählen Sie selbst, ich bin Schuld an …, wählen Sie schnell, sonst bin ich es schon wieder nicht mehr. Es reicht! Niemand ist Schuld. An was denn? Bitte. An was denn? Schuld braucht Verantwortung, Verantwortung braucht bewusstes Entscheiden vor, vor, vor einer Handlung, braucht die Einsicht, somit auch die Erfahrung, in die Wirkung und die Folgen einer Handlung, dann und nur dann kann im Anschluss an eine Handlung, und auch nur, wenn es schiefgelaufen ist, eine Schuld gefühlt werden oder gar übernommen werden. Sind Sie, ja Sie da, sind Sie für diese Welt, so wie sie ist verantwortlich? Sind Sie dasJenige, das diese Welt in Gang gesetzt hat, das Uns mit Hunger nach mehr und mehr und mehr und fetten Burgern und fetten Konten ausgestattet hat und mit Dreck machen und mit Armut laufen lassen und …, wählen Sie eine Problemlage Ihrer Wahl … und?; sind sie Verantwortlich? Wenn Sie es sind, dann wird es aber schnellstens RaumZeit, dass Sie etwas ändern oder Wir rücken Ihnen unangenehm auf den Pelz, Occupy Frau von Maltzahn! Nein sind Sie nicht und auch kein Anderes ist es nicht.
    Verdammt, Wir tragen für dieses Geschehen in Uns und mit Uns keinerlei Verantwortung, also auch keine Schuld. Schluss damit.
    Das heisst doch nicht, dass Wir alles, was Uns schiefläuft oder Uns an Uns missfällt einfach weiterlaufen lassen müssen, nur weil Wir für Uns nicht verantwortlich sind, das Mensch hat das Mensch nicht gezeugt!; Wir können sehr wohl etwas ändern, Wir können ALLES ändern. ALLES!
    Und wissen Sie das Beste? Wir können es besser ändern OHNE Schuld. Schuld ist ein Krampf und haben Sie schon mal versucht mit einem Krampf was zu ändern, also ich halte dann eigenlich immer ganz still und schaue das der Krampf vorbei geht, oder bestenfalls mache ich ganz vorsichtige langsame Bewegungen dort, wo der Krampf krampft, mehr ist Uns bisher auch gar nicht möglich.
    Es krampft so dahin und dieser Schulden-Krampf hält Uns ziemlich eng ans Selbst gepresst, da ist kaum eine Bewegung möglich. Merken Sie, was die Schuld mit den Schulden gemeinsam hat? Ja, ja, das Mensch und die Schuld(en), die es ist? Woher haben Wir das nur? Vielleicht von unseren Ahnen, den Äffischen, vielleicht steckt dieser Komplex auch schon in der Materie drinn, Was weiss das schon?
    Verzeihen Sie, wenn ich zu nahe getreten bin, ich bin schon wieder auf Abstand. Sorry, aber das Thema konnte ich nur mit-Gefühl schreiben.
    Meine Schuld, oder? 😉
    Und Ja, Jeff Koons ist ein glänziges knackiges Abziehbildchen der Populär-Kultur, leicht konsumiert, schillernd aufgeblasen und nur schwer zu beseitigen, aber extrem teuer. Damien Hirst ein weiterer Vertreter dieser Richtung, oder auch Anish Kapoor, in D ist es Anselm Richter, ich nenne es Platt-Kunst. MassenHaft.
    Aber gut, ist nur meine Meinung. Bin schon wegg …

  3. Filou sagt:

    Liebe Sophie, warum so tiefe...
    Liebe Sophie, warum so tiefe Gedanken zu Jeff Koons, zur Konsumkritik, zur Kulturkritik? Als von mir so empfundenen Widerpart zur Schwerkunst finde ich Koons geradezu befreiend. Qietschbunt und Glasfiberglatt, so wunderbar banal…
    …tja, dann ist es doch schon Kunst.
    Nun gut, ich muss zugeben, dass ich ein Cum-Laude-Diplom als Flachwassersegler in den Untiefen moderner Kunst besitze. Ich finde Koons nur vergnueglich, die leicht pornografischen Werke von ihm finde ich sogar noch vergnueglicher.
    .
    (Randnotiz vom Lehrer: Worthaeufung ‚Kunst‘, Note 4-, aus Filou wird nie was!)

  4. HansMeier555 sagt:

    Nullkunst.
    .
    Vor 100 Jahren...

    Nullkunst.
    .
    Vor 100 Jahren wurde zum ersten Mal ein „schwares Quadrat“ ausgestellt, und viel neues ist der Kunst seitdem nicht mehr eingefallen.
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    Seitdem ist der Kunstbetrieb eine performance, bei der 100 Jahre lang immerzu der selbe Witz erzählt wird.
    .
    Armselig ist unser Zeitalter. Künftige Generationen werden nichts von wissen oder behalten wollen.

  5. HansMeier555 sagt:

    Sie werden bei unserem...
    Sie werden bei unserem erbärmlichen Anblick nur kurz durch die Nase ausatmen und sich anderswohin wenden.

  6. FAZ-soma sagt:

    Lieber Oliver. Das ist...
    Lieber Oliver. Das ist zumindest ein abgewandeltes Ärzte-Zitat. Mit ein bißchen Punk lutscht sich der Drops doch gleich viel leichter.

  7. FAZ-soma sagt:

    Bin gerade auf der documenta....
    Bin gerade auf der documenta. Es wird nicht besser.

  8. HansMeier555 sagt:

    @Sophia
    .
    Man sollte sowas...

    @Sophia
    .
    Man sollte sowas nicht mal boykottieren.

  9. abf sagt:

    high-gloss heroes,...
    high-gloss heroes, biodegradable.
    wenigstens die spiritualitaet ist rein
    spirituell.
    mehr davon.

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