Zurzeit hat es Mecklenburg-Vorpommern nicht leicht, sein Standortmarketing „Urlaubsland“ zu verteidigen. Jedenfalls nicht, wenn man mit der standardisierten Katalogvorstellung „Sonnenbrand, tropfendes Eis am Stiel, Sand im Portemonnaie“ an die Sache ran geht. Es regnet nämlich. Jeden Tag. Zumindest nicht den ganzen Tag. Aber manchmal auch das. Plitschplatsch prasselt es in die Pfützen, plitschplatsch: Socken nass. Dummerweise ist es schon der zweite Sommer in Folge. Im letzten Jahr stieg der See sogar bis kurz vor unsere Terrasse an. So schlimm ist es dieses Jahr nicht, – noch nicht. Aber das ist wohl nur ein schwacher Trost für den, der die Hoffnung aufgeben und lieber Lana Del Rey in die Sommerdepression folgen möchte.
Allerdings greifen die übrigen mecklenburgischen Parameter auf dem Weg zur Tiefenentspannung trotzdem. Wenn sie nicht sogar durch den Regen noch deutlicher hervorstechen.
Während die Welt hinter dem Nieselregen verschwindet, erlebt der Urlauber die Ausdehnung der Zeit. Das ist ein bekanntes Phänomen; schon Bismarck riet beim Weltuntergang nach Mecklenburg zu ziehen, schließlich passiere hier alles fünfzig Jahre später.
Hier verliert das Diktat des Aktivismus seine Wirkung. Mit bestem Gewissen legt man gerade bei Regen einen Hunde-Tag ein, an dem man sich bloß von einem Körbchen ins andere kuschelt: Langes Frühstück bis drei, kurzer Ausflug zum Supermarkt gepaart mit kleiner Schlössertour, danach Tee und Kekse im Sofa mit gutem Buch. Mittagsschlaf zwischen sechs und acht. Aperitif um neun, Dinner um zehn, Nachtisch um Mitternacht. Danach elf Stunden Schlaf in dunkler Ruhe. So verrinnen zwei Tage wie zwei Wochen.
Verabreden braucht man sich in Mecklenburg nicht. Man hat nämlich schon mehrere Dates. Man ist verabredet mit dem Storchenpaar, das mit seinen roten Schnäbeln bis zehn Meter vorm Haus im grünen Gras stochert. Stundenlang kann man ihnen dabei zusehen. Es stört sie ja keiner, regnet doch. Stört sie aber auch bei gutem Wetter keiner, sonst hätten sie hier gar nicht erst das Wagenrad bezogen.
Sprengt die Sonne zwischendurch die Wolkentürme und verspricht eine trockene Stunde, trifft man sich beim Spaziergang mit dem großen Feldhasen, der durch die Ackerfurche im Stoppelfeld hoppelt. Zwei Kraniche tanzen dazu auf runden Strohballen. Nur der Rehbock will nichts aufführen, dafür hat er keine Zeit, er ist den duftenden Ricken auf den Fersen.
Nach dem Regen jagt auf dem Spaziergang eine Reha-Injektion ins Blut. Aufnahmestation: Nase. Die sensorische Reise beginnt mit Tannengrün. Nächster Halt: honiger Blütennektar. Transit: moorige Erde. Ankunft: Erntekorn.
Die Reise ist visuell gepaart mit rotem Mohn im sich bis zum Horizont streckenden Gold aus reifem Getreide. Mit vollen Blätterreben an meterdicken Baumstämmen. Mit zu Wohnhäusern umfunktionierten Scheunen. Mit Pferden im Garten. Mit mahnenden Schlossruinen und restaurierter Backsteingotik.
Nirgends kann sich der Städter an störenden Merkmalen seines Alltags verhakeln. Nicht mal das Handy findet hier Empfang. Warum sollte man auch telefonieren und sich rausreißen lassen aus dem wohligen Mantel des Ganz-bei-sich-Seins? Reicht doch, dass am Ende der Ferien die eigenen Batterien bis zum Überlaufen voll sind. Und man verwundert ist, wenn man mit Tatendrang zurück ins Leben hüpft. Plötzlich kann man die urbane Hektik wieder gut vertragen. Als hätte sie einem sogar etwas gefehlt. Wer hätte das gedacht?
Schöne Beobachtungen. Ist das...
Schöne Beobachtungen. Ist das Güstrow?
Ich habe meinen Urlaub noch vor mir. Würdest Du etwas besonders empfehlen? Ich will lesen, spazieren, schwimmen und vielleicht ein bißchen Kultur machen. Wo ist dafür eine gute Basis in der Gegend?
Ich finde es als nicht gebürtiger, aber geprägter Hinterpommer etwas bedenklich, dass hier Pommern und Mecklenburg etwas durcheinander kommen:-)
Mein Vater erzählte, dass sie als Kinder diesen roten Mohn mit Vorliebe ausgeschleckt hätten. Geht das überhaupt? Manchmal haben sie aber auch Sand reingefüllt und die Blüte an ahnungslose Opfer weitergegeben.
Ich frage mich, ob man auf diese Hektik nicht grundsätzlich verzichten könnte. Solange man Internet hat!
Das zweite Foto ist geradezu...
Das zweite Foto ist geradezu gespenstisch. Aber toll!
MeckPom ist immer eine Reise wert. Das bisschen Regen…
Ob man Mohn auslecken kann,...
Ob man Mohn auslecken kann, weiß ich auch nicht. Hat der Vater danach überdimensionale Schnecken und rosane Elefanten gesehen? Dann wohl besser nicht. Das Schloss steht in Badedow und ist teilweise von außen renoviert, teilweise ruinös. Es hat ein übliches Nachwende-Schicksal erlitten: wechselnde Besitzer, die sich finanziell daran verheben. Früher gehörte es den Grafen Hahn.
Stimmt, die Grenzen zwischen Pommern und Mecklenburg verschwimmen etwas. Ich hoffe, Sie sehen es mir nach. Es ist der Klangfarbe geschuldet.
Ferien würde ich in der Mecklenburgischen Seenplatte machen. Alles rund um die Müritz ist wunderbar. Aber natürlich gibt es auch noch die Ostsee und die Inseln. Sie finden bestimmt was!
Danke!
War neulich in...
Danke!
War neulich in Schwerin.
Zöge sofort ihn.
-hin...
-hin
Und das da mochte bei der...
Und das da mochte bei der Sippe mit der schwarzen Wildsau im Wappen wohl als „Barock“ durchgehen.
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https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Prebberede_palace.jpg&filetimestamp=20070520164915
...warten auf Rainald Grebe......
…warten auf Rainald Grebe…
und auf nach Brandenburg!...
und auf nach Brandenburg!
Wunderschön! Auf dass das...
Wunderschön! Auf dass das Storchenpaar bei jedem Wetter dort noch mindestens die nächsten 50 Jahre leben möge!
Christian: Was macht man, wenn...
Christian: Was macht man, wenn zu arg die Südfranzosen prahlen?
Casteljaloux: Man zeigt ihnen, dass auch der Norden tapfere Söhne hat!
In diesem Sinne würde ich mir wünschen, mehr über Schlösser im Norden zu erfahren. Gerne auch aus Pommern. Ich finde, gegenüber den prallen Bildern Don Alphonso’s aus dem Süden wäre ein Gang durch die teilrenovierte norddeutsche Ruinenlandschaft lohnen und auch recht „dinglich“.
Vielleicht findet man auch immer ein passendes Ding dazu. Will sagen, ein Motiv, dass ins Blog passt.
Aber es muss ja auch nicht immer alles passen. Wie sagte noch Trappatoni?
„Fußball ist ding, dang, dong – es gibt nicht nur ding!“