Ding und Dinglichkeit

Kleine Tropfen, große Wirkung: Das Taufbecken

Eine Taufe scheint von außen betrachtet recht simpel. Ein bißchen Wasser über den Kopf und fertig ist der jüngste Christ. Der Täufling, immerhin die Festsau, nimmt davon so gut wie nichts wahr. Wie sollte das Baby auch unterscheiden zwischen seiner Taufe und einem gewöhnlichen Montag? Das Kind erschrickt kurz über das plötzliche Nass und döst dann wieder in seine Babywelt ab. Die Taufgesellschaft hört den Reden der Paten zu, gibt sich einer mittelgewichtigen Völlerei hin und erfüllt ihre Pflicht mit dem Taufgeschenk. Dann reisen die Gäste wieder ab und die Spülmaschine schwemmt den Rest Cocktailsauce vom Teller.

Erwachsenentaufe werden nun die Ersten schreien. Dann erst in die christliche Gemeinschaft eintreten, wenn man die Bedeutung verstanden hat. Dann erst, wenn man seine eigene Meinung zum Glauben gebildet hat, statt in eine fremdbestimmte Richtung gewiesen zu werden.

Doch bis dahin sind Jahrzehnte klanglos verstrichen! Die Glaubensbiographie beginnt indes schon früh:

In den ersten Jahren sind die Entwicklungsschritte gewiss klein bis nicht vorhanden. Die ganze Welt passt in die Gegenwart eines Tages: in ein paar Stunden spielen und motzen, folgen und trotzen. Die Welt ist einfach da und in ihr tausend Dinge, die man anfassen kann und tausend, die unsichtbar sind. Alle Unsichtbaren leben nach dem ersten Kennenlernen gleichberechtigt in der kindlichen Phantasie: Lillifee, Nils Holgerssohn und das Jesus Kind. Die kleine Meerjungfrau, der Weihnachtsmann und Maria, Mutter Gottes. Sie alle passen in die Vorstellungswelt und kein Kind hat jemals die Wahrheit gesprochen, wenn es behauptet, noch nie an den Osterhasen geglaubt zu haben. Es gibt erstmal gar keinen Zweifel daran, dass es den Osterhasen gibt oder die Zahnfee oder den Engel Gabriel.

Es gibt auch solche, die wollen bei diesem Entwicklungsstand bleiben und halten stur fest an der kindlichen Vorstellung von Gott als altem Mann mit langem, weißen Bart und goldenem Gewand. Wollen keinen Zweifel zulassen. Sollen sie doch machen wie sie wollen, – es braucht sich nicht jeder an den Rätseln göttlicher Morphologie abzuarbeiten. 

Im Rest gärt irgendwann zwischen zwölf und zwanzig Lebensjahren der Zweifel. Der Platz im Kopf reicht bei ersten Philosophie-Übungen nicht für beiderlei Disziplinen und die alte Theodizee-Frage zerschmettert noch das letzte Verständnis für Gott.

Damit nicht genug: Der Glaube scheint fürs Leben nicht gemacht, denn kein Mensch verhält sich im Einklang mit den Tugenden Christi. Es ist keiner zu finden, der sie authentisch verkörpert und gleichzeitig fest im Leben steht. Keiner, der so großmütig ist. Keiner, der einzig auf das Wohl anderer ausgerichtet ist. Keiner, der alles verzeiht. Keiner, der im Glauben Autonomie erlangt, sodass er ihn über das Leben und sich selbst erhaben macht. Keiner, der glasklar erkennt, was richtig, weil es zu Gutem, und was falsch ist, weil es zu Schlechtem führt.

Bis dann sich demjenigen, der weiter forscht, demjenigen, der in der Kirche Mitglied bleibt, die Frage stellt „Warum gehöre ich eigentlich dazu?“

Was ist eine hübsche Frage ist, viel hübscher als „Warum bin ich davon ausgeschlossen?“

Der Katholitk prüft also seine mystischen Fähigkeiten in den Wunderwäldern der Heiligen, der Protestant seinen abstrakten Purismus. Beide grübeln sie, wie die metaphysische Kraft Gottes ebenso lebendig sein kann.

Bis sich die Pforten öffnen. Bis man erkennt, dass Gott immer dort zu finden ist, wenn die gesamte Schönheit allen Lebens in einer losen Geste steckt.

Ein Beispiel? Wenn Mann und Frau, die sich als Liebe des Lebens gefunden haben, mit ihrem Kind vorm Taufbecken stehen – ihm also den christlichen Weg empfehlen – und ein älteres Geschwisterchen dem kleinen Wonneproppen vorsichtig die Haare abtrocknet.

Ach, es sieht so simpel aus!

Die mobile Version verlassen