Karriere im Takt

Achgott, achgott – DAS Dekolleté

Die halbe Welt regte sich auf oder war konsterniert. Kanzlerin Angela Merkel erschien zum Staatsbesuch in Oslo in einem ungewohnt tief dekolletierten Kleid. Bei der Einweihung der Staatsoper in der norwegischen Hauptstadt sah man die Kanzlerin einmal nicht in ihrem traditionell verschlossenen Outfit von Blazer, Shirt und dunkler Hose. Statt dessen trug sie ein elegantes schwarzes Kleid mit Stola, das allerdings oben herum tief blicken ließ. Mit ihrem mutigen Ausschnitt stahl sie den anwesenden Prinzessinnen regelrecht die Schau. Und die Zeitungen stürzten sich mit Wonne auf diese plötzliche Präsentation weiblicher Reize, die überraschenderweise auch eine Bundeskanzlerin vorweisen kann.

Dennoch hielten sich die Komplimente in Grenzen. Darf eine Frau in solch exponierter Stellung so freizügig Haut zeigen? So viel Mut? Ist ein tiefes Dekolleté einer Kanzlerin überhaupt würdig? Abgesehen von der süffisanten Assoziation, dass hier das zweigeteilte Deutschland öffentlich symbolisiert wurde, gab es unterschiedliche Reaktionen: „Sehr weiblich und elegant.“ – „Endlich mal was Flottes.“ – „Sie zeigt, dass sie auch eine Frau ist.“ – „Das war zu gewagt.“

Vize-Regierungssprecher Thomas Steg fand sich aufgrund des internationalen Busen-Echos bemüßigt abzuwiegeln: „Dass dieses Abendkleid für solche Furore gesorgt hat, lag nicht in der Absicht der Bundeskanzlerin.“ Wirklich nicht? Angela Merkel ist als besonnene Regierungschefin bekannt. Hat sie denn plötzlich der Teufel geritten, der sich um Konventionen nicht schert? Oder war das nur ein kluger PR-Gag, um weltweit auch als Frau wahrgenommen zu werden? Dann herzliche Gratulation! Es ist ihr gelungen.

Wie dem auch sei: Angela Merkels „Offenherzigkeit“ bewegte die halbe Welt. Wir finden: Aufgrund ihrer Stellung und Reputation kann sie es sich erlauben, auch einmal aus der Reihe zu tanzen und glamourös aufzutreten. Das passende „Zubehör“ dazu hat sie ja, wie man sah.

Dies sollte allerdings die „ganz normalen“ Business-Frauen nicht dazu animieren, sich ebenfalls so unverhüllt zu zeigen. Schon gar nicht im Ausland. Die ganze Aufregung zeigt ja, dass hier bestimmte Stilregeln über Bord geworfen wurde. Im Berufsleben ist auch weiterhin ein dezenter Ausschnitt gefordert, der nicht den Ansatz des Busens offenbart. Zumindest tagsüber nicht. Das hat nichts mit fehlendem Wagemut zu tun, sondern mit der Tatsache, dass frau normalerweise ganz andere Qualitäten zeigen will.

Die Etikette-Empfehlungen besagen: Je mehr Haut eine Frau zeigt, desto weniger Autorität besitzt sie. Ein „Hingucker“ lenkt garantiert vom Gespräch ab – auf ungewollte Weise. Mit einem dezent-eleganten Outfit ohne Übertreibungen, nicht zu eng und nicht zu weit, liegen Frauen immer richtig. Klassische Kleidung in klaren Formen, gedeckten Far­ben und aus edlen Stoffen unterstreichen ihre Autorität. Zu trendy oder aufgemotzt zieht Punkte ab.

Klassische Damenkleidung fürs Business besitzt klare Formen ohne Schnörkel, ist typgerecht und aus edlen Stoffen und sie bevorzugt gedeckte, neutrale Farben. Dies unterstreicht die Autorität. Und so tritt auch üblicherweise Kanzlerin Merkel auf. Die Ausnahme bestätigt die Regel. Heimlich geben wir zu, dass uns auch die Ausnahmen richtig Spaß machen.

 

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