… oder
Was Verliebte so tun
Eine unserer Kundinnen speiste kürzlich mit ihrem Verlobten in der Trüffelklasse. Drei Sterne. Und erzählte uns anschließend folgende Geschichte:
Wir bestellten beide die gleichen Vorspeisen und Zwischengerichte. Da wir uns bei den Hauptgerichten nicht einigen konnten, entschieden wir uns für zwei verschiedene. Erwartungsgemäß erfüllten auch diese beiden Speisen unsere Erwartungen und wir wollten sehr gerne den Genuss mit dem anderen teilen und probieren. Wir nahmen also diskret ein Gäbelchen vom Teller des/der Geliebten. Als die Rechnung kam, trauten wir unseren Augen nicht. „Bitte beehren Sie uns nicht wieder“ war darauf zu lesen. Wir stellten den Ober zur Rede. Darauf die spitze Antwort: „Wir essen hier vom eigenen Teller.“ Er hat Recht – wir beehren ihn nicht wieder.
Wir meinen, dass die Reaktion hier vollkommen überzogen war. Generell sollte man auf Etikette-„Verstöße“ nicht aufmerksam machen, schon gar nicht, wenn dabei Gefahr besteht, einen Kunden zu verlieren. Wer offen kritisiert, will sich meistens selbst erhöhen (Seht her, was ich alles weiß, wie vornehm wir hier sind …). Von solchem Benehmen sollte man sich nicht einschüchtern lassen.
Natürlich gibt es im genannten Fall eine stilvollere Variante – auch für Verliebte – als selbst vom Nachbarteller zu picken: Man lässt sich einen frischen bringen und ein Versucherli darauf legen – vom Ober.
Obwohl: In Deutschland hat man immer noch in manchen Restaurants der Sterne-Klasse das Gefühl, erstmal eine Prüfung ablegen zu müssen, bevor man die Küche bemühen darf. Der Maître fungiert überheblich und gelangweilt wie ein Vorgesetzter, von der Auszubildenden muss ich mich wie ein Schulmädchen behandeln lassen. Jeder Gastronom sollte seinen Betrieb durch die Brille des Gastes sehen. Der Service ist Gastgeber für einen Abend – nicht Blockwart. Wer etwas verkaufen will, darf nicht arrogant sein!
Auf der Website des besagten Restaurants war lustigerweise zu lesen: „Unser Ziel ist es, mit unserer jeweiligen Leistung die Anforderungen unserer Partner zu erkennen und ihre Erwartungen kontinuierlich zu übertreffen, um so langfristige Partnerschaften einzugehen und zu pflegen.“ Schöne Worte, nichts dahinter!