Ganz gleich, ob die Welt zu Gast bei Freunden ist oder sich in China
trifft, ob Au pair-Mädchen aus aller Welt die berufstätigen Eltern
entlasten oder die Sommerferien in aller Herren Länder verbracht
werden: Es ist schon interessant, zu sehen, wie’s bei anderen so zugeht
– was gegessen wird, was als beleidigend gilt, wie man miteinander
umgeht. Die Indien-Reisende erzählt, dass dort „ja“ ausgedrückt wird,
indem der Kopf nach rechts und links geschüttelt wird. In der Türkei
dagegen sagt man „nein“, indem man die Stirn nach hinten kippt. Was nun
mal aussieht wie ein Nicken. Und erst die grundlegenden Unterschiede!
Aber nicht nur die anderen sind anders. Es ist halt immer einer Frage
der Perspektive. Engländer und Amerikaner etwa, die zum ersten Mal in
Gmünd (Heimatstadt der „Bloggerin“ Susanne Helbach-Grosser) sind, finden immer dieselben Dinge drollig, faszinierend oder schlicht nervtötend. Und es ist immer wieder amüsant zu lesen, wie uns die Welt so sieht – und lehrreich. „Du hast WAS?“ fragen die Gäste bei typisch deutschen Krankheiten; ein Kreislaufzusammenbruch, der hier zu Lande Betroffene die Tanzschuhe ausziehen oder nach einem Schwächeanfall den
Squash-Schläger einpacken lässt, ist etwas, an dem in anderen Nationen
gestorben wird, und was zum Henker ist ein „Hörsturz“? Von der
Wetterfühligkeit gar nicht zu reden.
Von nicht enden wollender Faszination sind offenbar deutsche Nachbarn, die sich über das Froschquaken am Teich beschweren, den Hund oder das in der Einfahrt gewaschene Auto. Hilft hierzulande wirklich Rugby-Erfahrung beim
Schlangestehen? Sind Mitarbeiter in Baumärkten tatsächlich so unhöflich,
wie das jemand empfindet, der woanders aufgewachsen ist? Wenn Fremde die
Weißwurst und einen Leberknödel beschreiben, ist das zumindest
befremdlich – von den Kutteln gar nicht zu reden -, und fast nicht zu
übertreffen sind Berichte junger Engländer, die die Eingeborenen bei der
Kehrwoche beobachten, vor Vatertags-Ausflüglern zurückschrecken oder
völlig fasziniert das Sperrmüll-Phänomen analysieren.
Wahl-Igginger Mike Bransby, 1941 im englischen Monmouth geboren und
nun seit über 35 Jahren in Deutschland daheim, sinnierte jüngst über
grundlegende Unterschiede zwischen Engländern und Deutschen und die
Veränderungen, die er hier erlebt hat. So seien die Deutschen immer
schon viel zu ernst gewesen, viel zu wenig bereit, über sich und das
Leben selbst zu lachen. Daran habe sich nichts geändert – nur dass er
diese eher grüblerische, fast pessimistische Grundhaltung mittlerweile
übernommen habe. Was ihm aber wirklich wehtut: „Was mir am meisten
gefallen hat, als ich hier ankam, war der Stolz der Menschen auf ihren
Arbeitsplatz und auf ihre Arbeit“. Darauf, dass „made in Germany“ etwas
Besonderes war. Davon sei heute kaum noch etwas zu spüren. Die Städte
näherten sich einander an, ebenso wie die Menschen, bis jeder seine
Identität verliere.
Willkommen hat er sich freilich immer gefühlt, in den 70er Jahren
genauso wie heute. Es ist immer wieder schön, wenn das Vorurteil von den
grundsätzlich fremdenfeindlichen, intoleranten Deutschen früherer
Generationen widerlegt wird. Da gab es zumindest drei alte Franzosen,
die noch Jahrzehnte nach dem Krieg hierher kamen, weil sie wider
Erwarten und trotz der Kriegsgefangenen-Fron Freunde gefunden hatten
statt der schrecklichen Deutschen, die sie zu hassen und zu fürchten
gelernt hatten.
Oder die Sache mit dem Dalai Lama: Ein pensionierter Förster aus dem
Gmünder Raum erzählt von seiner Ausbildung in den 50er Jahren irgendwo
in einem Schwarzwald-Winkel. Aus lauter Langeweile haben die Jungs
damals einem der ihren, der eine Wette gewinnen wollte, den Kopf
geschoren und ihm ein Leintuch umgehängt. Und dann sind sie mit ihm ins
nächste Bergbauerndorf marschiert, um überall zu erzählen, sie hätten
hier einen Vertrauten des Dalai Lama, der auf der Flucht sei. Und, na
ja, nicht einer in diesem Dorf, der die Bande nicht großzügig bewirtete,
voller Interesse und echtem Mitgefühl.
Geschrieben von „Hanne“ in der REMS-ZEITUNG im Verlag Remsdruckerei Sigg, Härtel u. Co. KG, Schwäbisch Gmünd
Abdruck mit freundlicher Genehmigung.