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Karriere im Takt

Der tägliche Hindernislauf um die Fettnäpfchen im Business bringt so manchen aus der Puste. Es geht auch ganz easy – wenn man die „goldenen

Die innovative Korrespondenz

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Im Brief des Anbieters XYZ sprangen mir Sätze entgegen, die an Verstaubtheit wahrscheinlich nicht zu überbieten sind: „Wir entschuldigen uns für die...

Im Brief des Anbieters XYZ sprangen mir Sätze entgegen, die an Verstaubtheit wahrscheinlich nicht zu überbieten sind: „Wir entschuldigen uns für die aufgetretene Störung“, „… reichen wir Ihnen zu unserer Entlastung folgende Schriftstücke zurück“.

 Angeblich steht ja der Kunde im Mittelpunkt aller Unternehmensanstrengungen – so wird immer wieder behauptet. Warum vermeiden wir dann zum Beispiel in der schwächsten Form der Kommunikation, der Korrespondenz, nicht endlich das Papier- oder das Kanzleideutsch?

 Fragen von Susanne Helbach-Grosser an Trainer Ernst Lorenzen von Lorenzen + Partner.

 S.H.-G: Was läuft denn falsch, Herr Lorenzen?

  EL: Immer noch sind die Menschen zumindest am Arbeitsplatz der Meinung, sie müssten sich einer völlig anderen Sprache bedienen, sobald sie den Stift in die Hand nehmen. Wer lebhaft „spricht“, spricht in kurzen Sätzen, er bevorzugt das aktive Verb und nicht das Substantiv, er verwendet einfache Worte, er verzichtet auf unnütze Worte, er vermeidet unnötige Nebensätze, er wählt klare, deutliche Ausdrücke und er schreibt einen persönlichen Stil.

 Diese Vorzüge des gesprochenen Wortes wären ein Segen für jedes Firmenschreiben. Denn ob im Großunternehmen oder im Kleinbetrieb, jeder Brief ist eine Visitenkarte. Haben wir endlich den Mut, so zu schreiben, wie wir sprechen. Vorausgesetzt, wir sprechen gut.

 S.H.-G.: Herr Lorenzen, Sie sagen, dass wir andere mit unserem Schreiben zum Nachdenken anregen, schriftlich begeistern oder auch nur mal wieder auf uns aufmerksam machen wollen. Eigentlich wissen wir ja, dass wir nicht so verschroben schreiben sollen. Warum fällt uns das trotzdem so schwer?

 EL: Für uns muss Schriftliches immer noch „beweisbar“ sein. Wir sind so erzogen worden. Außerdem bringen wir „sicherheitshalber“ mehr zu Papier, als zur Übermittlung des Sachverhalts erforderlich ist. Wir schütten oft das ganze Rohmaterial, das wir gespeichert haben, vor unserem Leser aus. Mein Gesprächs- oder Telefonpartner würde mich als solcher „Zungendrescher“ glatt unterbrechen.

 Schon der erste Satz entscheidet darüber, ob der Empfänger mit Interesse weiterliest oder nicht. Mit dem ersten Satz – ähnlich einem Entree im Verkaufsgespräch – stimmen Sie den Briefempfänger ein, „Ja“ zum folgenden Text zu sagen.

 Eine moderne Anrede, ein letzter Satz, der zum Handeln auffordert, und die Grußformel, die zeitnah ist, „runden“ den Brief ab.

 S.G.H.: Was meinen Sie damit?

 EL: Gern zeige ich Ihnen das auf. In der „Masse“ der Geschäftskorrespondenz ist die Anrede „Guten Tag Herr Muster“ und nicht mehr „Sehr geehrter Herr Muster“ passend. Die Antwort darauf finden Sie im Alltag. Was Sie wie selbstverständlich in der Begegnung mit anderen Menschen nicht „sprechen“, sollten Sie auch nicht schreiben.

 S.G.-H.: Neulich hörte ich, dass kein Satzzeichen mehr hinter die Anrede gehört. Stimmt das?

 EL: Ja, denn der „klein geschriebene“ erste Buchstabe des ersten Wortes zeugt nicht von gutem Benehmen. Und ich kann Sie beruhigen. Das steht seit 1998 im Duden. Nun gut,  wenn Sie zur Geschäftseröffnung oder zum Jubiläum gratulieren, wenn Sie Ihr Beileid aussprechen oder wenn Sie sich bewerben, wenn sich also ein ganz bestimmtes Schreiben von der Masse der „Alltags“-Korrespondenz abhebt, dann ist auch weiterhin die an „eine Form“ gebundene Anrede gefordert.

 S.G.H.: Seinem Anliegen kann man auch sehr viel Kraft geben, indem die Stilmittel wie Bitte und das Dankeschön eingebaut werden. Und dann sollte bestimmt auch ein besonders Augenmerk auf den Schluss eines Briefes gelegt werden, nicht wahr?

 EL: Da der letzte Eindruck bekanntlich bleibt, sollte der letzte Satz so sein, dass er begeistert oder zum Handeln auffordert. Und schreiben Sie nicht mehr „Hochachtungsvoll“. Nein, Sie sprechen im „wahrsten Sinne des Wortes“ keine „Hohe Achtung“ aus, oder? „Verbleiben“ Sie auch nicht mit freundlichen Grüßen. Grüssen Sie freundlich oder grüßen Sie herzlich, das reicht, das ist zeitnah.

  

 


2 Lesermeinungen

  1. sabiosma sagt:

    Sehr geehrte Frau...
    Sehr geehrte Frau Helbach-Grosser,
    leider kann ich im Duden keinen Hinweis finden, dass nach der Anrede kein Satzzeichen mehr folgt.
    In welcher Ausgabe hat Herr Lorenzen diesen Hinweis gefunden? Mir liegt der Duden „Die deutsche Rechtschreibung“, Ausgabe 2006 vor. In dieser steht auf Seite 124 immer noch, dass nach der Anrede ein Komma folgt und das nächste Wort klein geschrieben wird (Ausnahme: Substantiv).
    Ich hoffe, Sie können mir helfen.
    Freundliche Grüße
    Sabine Osmanovic

  2. Herr Lorenzen meint dazu:
    Die...

    Herr Lorenzen meint dazu:
    Die Korrespondenz ist die schwächste Kommunikationsart, darin sind wir uns bestimmt einig. Die Schwäche besteht darin, dass wir allein sind, wenn wir schreiben, und allein sind, wenn wir lesen. Ein Phänomen für die Kommunikationslehre.
    Also, stärken wir sie. Wie? Indem wir „stibitzen“. Wo? Bei der „stärksten“ Art, dem persönlichen Gespräch.
    Der „erste“ Satz ist das Entree der Korrespondenz. Auch darin folgen mir alle.
    Ein guter Verkäufer sorgt immer dafür, dass auch die Außenpolitik stimmt, dass sich das gesamte Unternehmen als Markenartikel präsentiert. Dann erklingt die „Erkennungsmelodie“ des Unternehmens. Also würde er zum Verkaufsgespräch nie mit „ungeputzten, dreckigen“ Schuhen erscheinen oder einer ungebügelten Hose, wenn Sie wollen, oder mit einer Hand in der Tasche bei der Begrüßung. Ja, er weiß, wie er Ihnen zu begegnen hat. Er „will“ nämlich „Erfolg“ haben.
    Was aber geschieht in der Korrespondenz? Wir schreiben den ersten Buchstaben des ersten Wortes des ersten Satzes klein!! Das könnte doch die „Hand in der Tasche“ sein, oder? Zumindest stimmt damit das Entree im Brief nicht 100%-ig.
    Um das „auszumerzen“, wollen wir den „ersten“ Buchstaben „groß“ schreiben. „Nein“, so hören wir Sie sagen, „das geht nicht! Hinter der Anrede steht ein Komma!!“ Okay, dann lassen wir das Komma weg. „Ja?“ Ja!!
    Und nun zum Duden:
    Der Duden gilt auch in Österreich und in der Schweiz. Und die Schweizer setzen seit vielen Jahren aus den oben erwähnten Gründen kein Satzzeichen mehr hinter die Anrede. Das hat sich dort faszinierend bewährt.
    Unsere Nachbarn kommen über diese Vorgehensweise zu Briefanfängen, die begeistern, weil sie sehr oft mehr als fantasievoll sind. So, wie der Verkäufer begeistert, der vom Entree an alles richtig macht und Sie veranlasst, zu kaufen. Der erste Satz ist der wichtigste Satz eines Briefes. Von ihm hängt es ab, ob der Empfänger „mit Interesse“ weiter liest oder nicht.
    Wo steht das?
    In meinem Duden aus 1998, in meinem Duden aus August 2004 ( Seite 71, K 132, ……….in der Schweiz endet die Anredezeile ohne Satzzeichen. Der folgende Text beginnt mit Großschreibung).
    In Schweizer Firmen wurde es längst zu einer Selbstverständlichkeit. (Begründung: siehe oben).
    Viele Unternehmen in Deutschland haben das schon übernommen. Lernen wir doch vom Nachbarn. Warum eigentlich nicht?

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