Eins gegen Eins

Eins gegen Eins

Immer am Ball – das Fußball-Blog. Mal spielen wir Doppelpass, mal kommen wir gut in die Zweikämpfe, und mal suchen wir allein den Abschluss.

Der Lack ist ab – der Seitenspiegel auch

Rockstars, die Hotelzimmer zerlegen, Regisseure, die Minderjährige verführen, Schauspieler, die eine Nacht auf der Wache verbringen, das ist, was man so nett...

Rockstars, die Hotelzimmer zerlegen, Regisseure, die Minderjährige verführen, Schauspieler, die eine Nacht auf der Wache verbringen, das ist, was man so nett als Folklore des Showgeschäfts betrachtet und was, dank Netz und Twitter, in Sekundenschnelle einmal um den Globus geht. Was immer der Hertha-Spieler Patrick Ebert und der Neu-Borusse Kevin-Prince Boateng nachts um drei im Berliner Stadtteil Wilmersdorf getrieben haben, ob sie nun den Lack verschiedener Fahrzeuge beschädigt und den einen oder anderen Seitenspiegel abgetreten haben – Folklore ist es auf jeden Fall nicht, weil in der Showgeschäftabteilung Sport noch andere Bräuche gelten und ein wegen Trunkenheit am Steuer und Beamtenbeleidigung verurteilter Star anschließend kaum einen Film über die Passion Christi drehen wird.

Das Schlimme daran ist, zum einen, wie leicht man sich vorstellen kann, dass es so gewesen sein könnte. Ich habe Boateng, Ebert und dazu Dejagah nur mal in einem Sportcenter in Berlin erlebt, wo sie sich zum Hallenfußball verabredet hatten. Große Klappe, große Gesten, großes Hallo, rüder Ton zur Frau an der Kasse – wie Jugendliche, die voller Geltungsdrang auf sich aufmerksam machen wollen, aber leider gar keine Jugendlichen mehr sind, sondern großkotzige Kleinmillionäre.

Zum anderen muss man sich fragen, was und wen ein Verein, in diesem Fall Hertha BSC, bildet oder bilden kann, wenn er Fußballer ausbildet. Der Hertha-Jahrgang der jungen Wilden, zu dem auch Jerome Boateng gehörte, war einer mit enormen fußballerischen Begabungen – und so undiszipliníert wie kaum einer. Lucien Favre hat nicht auf die Begabung allein geguckt, als er bei Hertha antrat, sondern auf die Teamfähigkeit, und, aus der Distanz betrachtet, hat er vermutlich Recht gehabt, nur Ebert im Kader zu behalten, weil er seine Integrationsfähigkeit – nach Trennung von den anderen – voraussetzte. Dass er Ebert nun suspendiert hat und mit den Amateuren trainieren lässt, zeigt, bei aller Unschuldsvermutung, welchen Hergang der nächtlichen  Ereignisse er für wahrscheinlich oder zumindest denkbar hält. Und für Hertha wie für andere Vereine heißt es künftig, sich zu fragen, wann man von der fußballerischen Begabung absehen muss, weil die Entwicklung der Persönlichkeit mit ihr einfach nicht Schritt halten kann. Ich bin gespannt, wie der Pädagoge Jürgen Klopp mit Boateng verfährt – und kann mir vorstellen, dass er seine pädagogischen Fähigkeiten überschätzt hat, als er den Prinzen mit seinem Lamborghini aus London kommen ließ.