Keine Überraschung: Arminia Bielefeld hat sich von Trainer Thomas Gerstner getrennt. Der Unmut der Fans war groß genug, die Leistung am Montag unterirdisch, und trotz des Siegs gegen St. Pauli kann man kaum behaupten, dass die Arminia dort so viel besser gespielt hätte, sie wurde lediglich durch einen planlosen Gegner begünstigt und durch den fehlenden Zwang, selber das Spiel gestalten zu müssen. Als Augenzeuge am Millerntor ist mir fast schwindlig geworden von einem Spiel, das ab der 46. Minute primär darin bestand, den Vorsprung über die Runden zu bringen.
Gerstner hatte bei Amtsantritt attraktiven Fußball und Platz eins versprochen – hätte er letzteren erreicht, hätte man ihm auch das uninspirierte Spiel sofort verziehen. Über die Systemtreue (4-1-4-1 for ever!) muss man hier nichts mehr sagen, und je genauer man sich die Siegesserie der Hinrunde anschaut, desto mehr schieben sich im Nachhinein die glücklichen Umstände der meisten Siege in den Vordergrund und die mageren Vorstellungen bei Heimspielen. Egal.
Die Gerstner-Gegner der ersten Stunde werden nun sagen, der Kader habe so viel Qualität, dass er sich eine Weile eben auch mit diesem Trainer habe durchsetzen können. Die Gerstner-Befürworter werden ihm zugute halten, er habe mit einem Kader, an dessen Zusammenstellung er praktisch kaum beteiligt war, immerhin einiges erreicht. Ich hatte anfangs gar keine Meinung zu Gerstner, habe mich dann gewundert, wie weit das Spiel der Mannschaft hinter seinen Ankündigungen zurückblieb, um zur Winterpause bei der Hypothese anzukommen, dass es ihm nicht gelungen sei, den Stil der Mannschaft umzukrempeln, in der neben Eilhoff die bundesliga(abstiegs)erfahrenen Bollmann, Lamey, Mijatovic, Kauf, Kirch, Halfar und Katongo weiter Stammspieler sind: weg von Frontzecks Angsthasen-Fußball mit der einen Spitze Wichniarek, hin zu einem variablen Kombinations- und Offensivspiel. Was dann letztlich heißt, dass Gerstner wohl weder über die psychologischen noch taktischen Mittel verfügte, diesen Fortschritt herbeizuführen. Dass man ihn nach dem Sinkflug zum Ende der Hinrunde dennoch hat weiterarbeiten lassen, kann ich mir nur mit der desolaten finanziellen Situation des Vereins erklären. Schlechtes Timing bleibt es trotzdem.
Das Schlimmste jedoch ist, dass man am Ende den Eindruck gewinnen konnte, Gerstner selber habe sich vorzeitig vom Aufstieg verabschiedet. Im Fernsehen, bei der Live-Übertragung des Karlsruhe-Spiels, war eines noch augenfälliger als das Zeitlupentempo, das „Hinten-rum-Spielen”, die ewigen Querpässe zwischen Bollmann, Mijatovic oder Fischer, die regelmäßig in einen halblangen, halbhohen Alibipass in die Spitze mündeten: Es waren die kurzen Kamereinstellungen auf Gerstner, es waren sein Gesichtsausdruck und seine Körpersprache. Seine Gesten und Anweisungen wirkten alibihaft wie die Pässe, als glaubte er überhaupt nicht mehr an irgendeine Wirkung, und fast schien es, als könnte er sich nur mit Mühe beherrschen, um nicht einfach abzuwinken und dem Grauen demonstrativ den Rücken zu kehren.
Einen Moment lang habe ich mir nach diesen Impressionen von der Seitenlinie sogar vorstellen können, dass Gerstner das Trainergespräch nach dem Spiel zur Wutrede nutzen würde; er wirkte dann aber erstaunlich kontrolliert, „Nicht-Leistung” war sein härtestes Wort, aber es blieb spürbar, dass hier jemand nur mühsam die Contenance bewahrte. Auch die Spieler, wie etwa Giovanni Federico, schienen in den Kurzinterviews längst abgeschlossen zu haben mit dem Thema Aufstieg. Wörtlich hat das natürlich niemand gesagt, aber der Blick in die Gesichter, auf den lethargische Auftritt auf dem Feld – sie konnten einen schon auf den Gedanken bringen, als Team sei die Arminia nur noch ein Zombie.
Nachtrag vom 16. März:
Nachdem jetzt bekannt wurde, dass der Arminia vier Punkte abgezogen werden und zudem eine Geldstrafe von 50.000 Euro verhängt wurde, sieht man das Spiel gegen den KSC noch einmal in einem neuen Licht. Könnte es sein, dass man längst davon wusste, zumindest dass ein Punktabzug unausweichlich sein würde? Dass die Verkrampfung und der latente Defätismus von Gerstner auch mit der absehbaren Entscheidung zu hatte? Sieht man mal von dem absurden Vorwurf der “Wettbewerbsverzerrung” ab, wodurch der Verein sich Vorteile in der winterlichen Transferperiode verschafft haben soll – wer außer Touré wurde denn verrpflichtet? Sieht man auch davon ab, dass Pleiteclubs wie Schalke unbehelligt ein halbes Dutzend Spieler einkaufen können: Dann wird ziemlich klar, dass die Wettbewerbsverzerrung erst jetzt und ausschließlich durch den DFB-Beschluss entsteht, weil nämlich von einem derart demoralisierten Team nicht zu erwarten und auch nicht zu verlangen ist ist, dass es in Spielen gegen (ehemalige) Aufttiegskonkurrenten wie K’lautern oder Düsseldorf wie auch in den anderen Begegnungen noch alles gibt.
Und man begreift, dass der DFB sich an den “Kleineren”, mit ihren Siasonzielen schon jetzt gescheiterten Clubs schadlos hält. Längst kursiert auch schon das Gerücht, man werde Hertha BSC mit einem Punktabzug belegen – für die kommende Saison (in dieser gibt’s ja nicht viel abzuziehen), womit man ebenfalls alle Wiederaufstiegshoffnungen schon im Keim erstickt.