Schwer zu sagen, wie man Raymond Domenech gestern Abend inszeniert hätte, wäre man Regisseur und der Mann ein Schauspieler. Aber immerhin ist Domenech ein Theaterliebhaber und hat auch schon sein eigenwilliges szenisches Talent bewiesen, als er während der Euro 2008 seiner langjährigen Lebensgefährtin einen Heiratsantrag von der Seitenlinie aus machte, live im französischen Fernsehen. Er entschied sich jedenfalls für die Stoiker-Pose, im schwarzen zweireihigen Mantel mit den hellen Knöpfen, so sehr um die Kontrolle jedweder Gefühlsregung bemüht, dass er gar nicht mehr so ungerührt wirkte, wie er das wollte, weil er vor lauter Anstrengung auf einmal etwas zu schmallippig wurde. Da wäre sicher ein zweiter Take fällig geworden.
Diese Pose war jedoch vermutlich seine einzige richtige Entscheidung, erst recht, wenn man sich seine enigmatischen Einwechselungen ansieht. Jeder Hauch von Tragik wäre umgehend in Lächerlichkeit umgeschlagen, jedes gestenreiche Hadern, jeder Temperamentsausbruch hätte sich sofort gegen ihn selbst gerichtet. Zidanes tödlicher Satz, Domenech sei kein Trainer, sondern ein „Spieler-Auswähler”, kommt einem völlig plausibel vor; auch weil in der Mannschaft kein Zidane ist, der, wie 2006, eine lustlose Versammlung zumeist erstklassiger Spieler, dazu bringen könnte, auch ohne Konzept des Trainers Fußball zu spielen.
Dass Domenech keine Spielidee habe, wurde ihm ja schon mehrfach vorgehalten, auch von Thierry Henry, glaube ich. Und es gibt bei dieser WM wohl kaum ein Team, dessen Leistungsvermögen in so krassem Missverhältnis steht zu seiner sichtbaren Leistung. Natürlich liegt das an der Haltung der Spieler, an ihrem Unvermögen, sich aus der Paralyse zu lösen, an den Partikularinteressen, die vermutlich noch größer sind, als es die französischen Medien kolportiert haben. Aber es liegt eben auch an einem Verband, der einen Trainer stützt, welcher sich bereits 2006 überlebt hatte, und an einem Trainer, der sich den Umgang mit Spielern zumutet, die nicht auf ihn hören, weil er ihnen offenbar nichts zu sagen hat. Wie groß muss die Selbstgefälligkeit oder Selbstgerechtigkeit gewesen sein, um in einer solchen Konstellation nach 2006 nicht das Naheliegende zu tun, nämlich zu gehen?
Und wenn man hört, Nicolas Anelka habe schon jetzt erklärt, Domenechs Nachfolger Laurent Blanc sei doch noch gar nicht so weit, die Equipe zu trainieren, dann ahnt man schon, dass das Theater auch ohne den Bühnenfreund (und für Astrologie anfälligen) Domenech weitergehen wird. Wie weitsichtig, auch ohne Astrologie, dagegen der mexikanische Coach, wie dezent in der Vorbereitung der Demütigung, als er zwei Minuten vor dem 1:0 den 37-jährigen Cuauhtemoc Blanco brachte, der seine intensivste Laufarbeit dann beim Anlauf zum Elfmeter verrichtete.