Eins gegen Eins

Eins gegen Eins

Immer am Ball – das Fußball-Blog. Mal spielen wir Doppelpass, mal kommen wir gut in die Zweikämpfe, und mal suchen wir allein den Abschluss.

Der Fall Anelka

| 2 Lesermeinungen

Frankreich, das ist, wenn es ums Streiken geht, eine andere Dimension. Gerade hat das französische Team aus Protest gegen die Suspendierung von Nicholas Anelka...

Frankreich, das ist, wenn es ums Streiken geht, eine andere Dimension. Gerade hat das französische Team aus Protest gegen die Suspendierung von Nicholas Anelka das Training verweigert. Der Team-Manager erklärt daraufhin seinen Rücktritt. Der Trainer ist ohnehin nur noch sein eigener Lückenbüßer, eine “lame duck” und nicht einmal, wie der parlamentarische Monarch in der Formel “Il règne, mais ne gouverne pas” (sinngemäß: Er herrscht, aber er regiert nicht) im Besitz von Autorität im Unterschied zu Macht.  Umgekehrt scheint Domenech das beste Beispiel dafür zu geben, was Macht ohne Autorität bedeuten kann. Er konnte noch drohen und Anelkas “Va te fait enculer sale fils te pute” mit seiner Auswechslung sanktionieren, aber die Drohmacht findet an den anderen Spielern ihre Grenze.

So hat man hier – zum ersten Mal? – eine Situation, die ihm Vereinsfussball ganz üblich ist, auch in einer Nationalmannschaft gegeben ist: die Ohnmacht des Trainers gegenüber einer Mehrheitsentscheidung im Team. Klar, weshalb so etwas normalerweise nur in den Vereinen passiert: weil dort die Ökonomie des Fußballs die Spieler am längeren Hebel sitzen läßt. Nationalteams hingegen werden nur für ein paar Wochen zusammengestellt und sind, bei allen wirtschaftlichen Aspekten, die so eine Mannschaft aufweist, keine ökonomische Einheit. Am wenigsten für Spieler, die Verträge haben und nicht auf der Suche nach einem Verein sind, wie die Protestanführer Ribéry und Evra, oder für einen Spieler wie Anelka, der sowieso ständig den Verein wechselt – in dreizehn Jahren neun Mal – und der dadaurch, nach Auskunft von transfermarkt.de  (https://www.transfermarkt.de/de/nicolas-anelka/profil/spieler_3226.html) die höchste Gesamtablösesumme aller Zeiten realisiert hat.

So ein Spieler, für den die nächste WM in sein 36. Lebensjahr fiele, dürfte von Drohungen nicht mehr erreichbar sein. Kommt es in Mannschaften zu einer Häufung von Spielern dieser Art, zerfallen Macht und Autorität des Trainers leicht. Wenn bei vielen Trainern Beschwerde geführt wird, dass Sie Stars nicht mit zur WM mitnehmen – von Ronaldhino bis zu, pardon für den Vergleich, Frings -, dann zeigt der Fall Anelka, dass dahinter mitunter auch die Sorge um die Teamintegration steckt. Domenechs Fehler liegen insofern nicht in zu scharfem, sondern in zu geringem Machtgebrauch. Die Spieler verzeihen es einem Trainer fast nie, wenn er sie aufstellt, obwohl sie renitent gewesen sind.


2 Lesermeinungen

  1. lostverses sagt:

    Ich verstehe Ihre...
    Ich verstehe Ihre Argumentation im zweiten Absatz nicht recht:
    Dass Vereinsmannschaften ‘ökonomische Einheiten’ sind, Nationalmannschaften hingegen keine, das spricht also beides für die Macht der Spieler? Wenn das stimmt und das zugleich ein entscheidender Punkt sein soll: Wieso ist dann das Szenario ‘Spielerrevolte’ in dem Fall von Vereinsmannschaften ‘üblich’, in dem Fall von Nationalteams hingegen ein Sonderfall?
    Der Bindungsmechanismus ‘Geld’, über den bekanntlich die Folgebereitschaft des Spielers zu sichern angestrebt wird, fällt ja – von Prämienzahlungen mal abgesehen – im Fall von Nationalteams vollständig aus. Zieht man allein aus diesem Aspekt Folgerungen, so müsste man den kolportierten Konflikt als ein Gegenfall von Kooperation doch weitaus öfter im Kontext nationaler Auswahlmannschaften erwarten können, oder nicht? Schließlich hängt die Folgebereitschaft der Spieler hier doch sehr viel stärker von gewissermaßen soften Bindungsmechanismen mit Wohlfühlfaktor (Vertrauen etc.) ab. Und daran hat es im Fall Anelka wohl am meisten gemangelt.
    Oder habe ich Sie, Herr Kaube, schlicht missverstanden?

  2. drkaehler sagt:

    Was sich da gerade bei der...
    Was sich da gerade bei der französichen Nationalmannschaft abspielt verwundert mich ja schon sehr! Gerade die vielen Stars müssten doch professionell genug sein, um zu erkennen, dass der Zeitpunkt für die aktuelle Revolte denkbar ungünstig ist. Vor der WM wäre besser gewesen oder eben danach.

Kommentare sind deaktiviert.