Alle reden darüber, dass die Schiedsrichter das zweite Tor der Engländer nicht gesehen haben. Und über die Folgen, die es eventuell hätte haben können, wenn sie doch gesehen hätten, was alle sahen. Doch warum haben die Schiedsrichter es denn nicht gesehen? Böser Wille war wohl kaum im Spiel. Sekunden der Unaufmerksamkeit?
Vielleicht war es ganz anders, und Manuel Neuer ist der Held. Denn er hat den ja ganz unwahrscheinlich tief aus dem Tor zurückspringenden Ball mit einer Selbstverständlichkeit aufgegriffen und wegbefördert, die Zweifel bei den Schiedsrichtern beseitigt haben mag. Anders als beim Wembley-Tor gab es keine Geste der Rechtfertigung oder auch nur der Kommunikation mit dem Schiedsrichter. Wer sich verteidigt, klagt sich an – Neuer nahm den Ball ganz selbstverständlich in Empfang, als ob nichts geschehen sei.
So ähnlich war es auch bei Luis Fabianos, des brasilianischen Stürmers doppeltem Handspiel gegen die Elfenbeinküste. Auch hier konnte man den Regelverstoß, fasziniert durch die doppelte Ballaufnahme und gewissermaßen choreographisch gebannt, übersehen. Erst die Zeitlupe, die der Schiedsrichter nicht hat, führte zur Gewißheit über den wahren Sachverhalt, die Beobachtung des Spiels selber hingegen folgt dem Erstaunen über die ebenso folgerichtige wie verblüffende Bewegung. So auch bei Manuel Neuer.
Insofern war es vielleicht ein Moment der ästhetischen Faszination, abgeschlossen durch des Torwarts entschiedenes Weitermachen als ob nichts geschehen sei, der die Schiedsrichter zur falschen Annahme führte. Es war für eine Zehntelsekunde ein bißchen wie bei Zauberern, denen man, obwohl man irgendwie weiß, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht, mehr glaubt als zu sehen ist. Die Fehlentscheidung von Larrionda ähnelt insofern den vielen Fehlentscheidungen, die sich bei Schwalben zutragen. Wenn die Bewegung choreographisch plausibel ist, ist der Pfiff bzw.Nichtpfiff vorhersehbar. Jedenfalls bei Schiedsrichtern, die durch plausible Bewegungen zu beeindrucken sind.
Ob Neuer es nicht gesehen...
Ob Neuer es nicht gesehen hat!? Schwer zu sagen: irgendwie dürfte es beim Torwart schon ein Gefühl dafür geben, wie weit hinten ein Ball aufschlägt und dass der Ball nicht zweimal senkrecht zur Latte stieg. Aber sicher wäre ich da auch nicht.
Eine schöne Beobachtung, vor...
Eine schöne Beobachtung, vor allem weil sie nicht der Anklage des Mainstreams folgt, die Schiedsrichter hätten nichts gesehen. Natürlich haben sie etwas gesehen, aber eben etwas anderes als die Fernsehkameras. Dieser unterschiedlichen Wahrnehmungsweise auf den Grund zu gehen, verlohnt sich durchaus gerade im Hinblick auf die anstehende Torkamera-Diskussion.
Weniger schön fand ich Neuers erste Reaktion im Interview. Statt sich in Demut zu üben und einfach die Klappe zu halten, mußte er noch auf seine bauernschlaue “Abgezocktheit” verweisen. Man kann von Fußballern – ob Maradona, Fabiano oder auch Neuer – nicht erwarten, daß sie zum eigenen Nachteil dem moralischen Imperativ folgen, aber sich selbst darüber auch noch zu feiern – und von Sportredaktionen darüber feiern zu lassen – halte ich für ebenso geschmacklos wie dümmlich.
Meine Theorie: Der Ball...
Meine Theorie: Der Ball berührte die Querlatte zweimal! Der Ball schlug gegen die Querlatte und von dort ins Tor. Während dieser Zeit befand sich Neuer in der Luft. Der Ball traf nochmals die Querlatte und sprang von da auf (oder gar vor) die Torlinie. Erst hierauf reagierte Neuer und nahm den Ball an sich. Ich “glaube”, Neuer hat den ersten Ball im Tor wohl garnicht gesehen.
Und wenn das den Schieds-/Linienrichtern auch so gegangen ist?
Was könnte am meiner Theorie dran sein?