Vorab: Ich glaube an den spanischen Sieg – und hoffe auf den Erfolg der Niederländer. Nicht zuletzt deshalb, weil sie 1974 und 1978 als die bessere Mannschaft verloren und es deshalb mal verdient haben, als die schlechtere Mannschaft ein Turnier zu gewinnen; auch um zu zeigen, dass das spanische System, welches dem von Barcelona so ähnelt, von einem sympathischeren Team als Mourinhos Inter Mailand an seine Grenzen gezwungen werden kann, weil diese Spielart des jogo bonito vor Sterilität nie ganz gefeit ist. Denn, bei aller Überlegenheit: Es ist ein Spielsystem, das per definitionem nicht allzu viele Torraumszenen erzeugt und von den derart sparsam generierten Chancen zu wenige nutzt. Genau darin liegt die einzige Chance der Niederländer.
Auch wenn im Direktvergleich natürlich die Spanier vorne liegen, so wäre doch der gewissermaßen zweite Abfall der Niederlande von der spanischen Krone die historisch spannendere Geschichte – mögen Niederländer in ihrer Hymne auch immer wieder beteuern, den spanischen König allzeit geehrt zu haben: „den Koning van Hispanje heb ik altijd geëerd”
Stekelenburg – Casillas: Zwei richtig gute, aber bislang auch nicht überragende Torhüter. Forlans Ausgleichstreffer musste der Ajax-Keeper halten, und Casillas strahlte schon bei Real in der abgelaufenen Saison nicht jene Souveränität aus, die ihn an die Spitze gebracht hat. 1:1
van der Wiel – Sergio Ramos: Der junge Ajax-Mann hat Schwächen im Spielaufbau und seine jeweiligen Gegner nicht immer wirklich im Griff; der Spanier ist offensiv unbestritten stärker und kompromissloser im Zweikampf, was Podolski sehr gut weiß. 1:2
Heitinga – Pique: Heitinga spielt old school, den Ball im Zweifelsfall lieber auf die Tribüne als auf den freien Mann zehn Meter entfernt, wogegen Piques Spielintelligenz für einen Innenverteidiger phänomenal ist; im Halbfinalrückspiel der Champions League war nur seine Körpersprache die eines Champions. 1:3
Mathijsen – Puyol: Nicht nur, weil Puyols Kopfball das Halbfinale entschied, sondern auch, weil der Spanier die bessere Raumaufteilung hat als der verlässliche, aber im Aufbau eher biedere Holländer, geht der Punkt an Spanien: 1:4
van Bronckhorst – Capdevila: Der Niederländer mag drei Jahre älter sein als der Spanier, und langsamer als sein Alter ego, das 2008 dieses phantastische Tor gegen Italien erzielte, ist er auch; aber er hat zwischen 2003 und 2007 die Barca-Schule verinnerlicht, er hat dieses Traumtor gegen Uruguay geschossen und weiß im Notfall besser, was zu tun ist, als der Mann von Villareal, dem Thomas Müller erspart blieb und der mit Trochowski keinerlei Mühe hatte. 2:4
van Bommel – Xabi Alonso : Ein Schlüsselduell, ein Mehr an spanischer Eleganz gegen die Rustikalität des Trainer-Schwiegersohns, der leidenschaftlicher spielt, aber gegen Brasilien wegen seiner drei technischen Fouls in den letzten zehn Minuten früher hätte duschen gehen müssen. Sein Wille ist größer als der von Xabi, seine Spielintelligenz ein bisschen kleiner. 3:5
de Jong – Busquets : Der Holländer ist der unerbittlichste Zweikämpfer der WM, er hat sehr gefehlt im Halbfinale, in welchem der Spanier Ozil derart zugedeckt hat, dass man sich bisweilen fragte, ob der Bremer noch auf dem Platz war. 4:6
Robben – Iniesta:: Eigentlich kaum zu vergleichen. Ein losgelassener Robben richtet jederzeit mehr Unheil an, aber seine Abspiele erreichen nie jenes Maß an fußballerischer Sinnstiftung wie die des Spaniers. 5:7
Sneijder – Xavi: Von der Spielanlage her ebenfalls kaum zu vergleichen. Der Holländer ist der härtere Zweikämpfer und der schlechtere Ballverteiler. Ist Xavi gut drauf, zwingt er Sneijder in die Schweinsteiger-Rolle während des Spanienspiels und nimmt ihm damit ein Stück seiner Torgefahr. Und damit muss man rechnen. 5:8
Kujt – Pedro: Pedros Einsatz war del Bosques entscheidende Maßnahme gegen Deutschland. Das werden auch die Niederländer gesehen haben. Und Pedro, das hat man bei Barca gesehen, lässt sich schneller entmutigen als ein Fighter wie Kujt, der aus seiner ungewohnten Position auf der linken Seite, auch dank seiner Erfahrung, immer mehr macht als der Spanier. 6:8
Van Persie – Villa: Tore allein sprechen keine unmissverständliche Sprache, aber van Persie spielte bislang eher zickig und weit weniger mannschaftsdienlich als der spanische Theatraliker, der für jede noch so kleine Chance und jede miese Einlage gut ist. 6:9
Und, sagen wir es mit Forrest Gump, der von Fußball so wenig versteht wie die überwältigende Mehrheit der Amerikaner: „That’s what I have to say about that.” Und natürlich: “Life is like a box of chocolate: You never know what you’re gonna get.” Fußball natürlich auch!