Nichts gegen den Supercup, der Abhängige nimmt natürlich auch Dänemark gegen Deutschland und Bayern gegen Real Madrid mit, wenn das im Fernsehen übertragen wird; aber es wird einfach Zeit, dass es wieder um etwas geht, und wenn es nur der DFB-Pokal ist. Da wird man vielleicht sogar noch Zeuge einer kleinen Sensation, außerdem war ich noch nie im Berliner Poststadion, obwohl es so eine große Geschichte hat und ich es seit meiner Jugend, seit Sammy Drechsels „Elf Freunde müsst ihr sein” kenne. Da wurde das Endspiel um die deutsche Meisterschaft ausgetragen, bevor der sogenannte Führer das Olympiastadion bauen ließ, da gab es Länderspiele mit bis zu 50 000 Zuschauern.
Wie so viele historische Orte liegt das Stadion gut versteckt, in in der Nähe des Lehrter Bahnhofs, den Bahnchef Mehdorn zum Hauptbahnhof umgetauft hat. Sein aktuelles Aussehen verhält sich umgekehrt proportional zu seiner einstigen Bedeutung. Auf der einen Seite ein Park, alles etwas heruntergekommen, eine ältere Tribüne ist noch da, die nur noch zu einem kleinen Teil genutzt werden kann, und wenn der Ball auf der einen Seite zu weit übers Tor geflogen wäre, hätte ihn niemand aus den dichten Büschen geholt. Kein Glanz mehr, es ist lediglich zu ahnen, dass hier mal Berlins größtes Stadion war. Über der Sporthalle nebenan steht „Spörthalle”, der BAK 07 spielt hier, mit vollem Namen Berlin Ankaraspor Kulübü 07, ein ehrgeiziger Fünftligist, der sich gegen den einstigen Mielke-Club BFC Dynamo im Berliner Pokalfinale durchgesetzt hatte.
Ein bisschen überraschend war es schon, dass fast so viele Mainzer Anhänger da waren wie Fans von BAK. Nur knapp 1200 Zuschauer waren erschienen, als gäbe es in Berlin dauernd Erstligamannschaften zu besichtigen, wobei man das Besichtigen fast wörtlich nehmen muss. Man ist so nah am Spielfeld, dass man die Wortwechsel und Kommandos hört, dass man merkt, wie viel die Spieler miteinander reden in 90 Minuten, und einmal sogar deutlich hörte, wie der Schiedsrichter zu einem BAK-Spieler nach einem Foul sagte: „Spielen sie ihr Spiel, ich kümmere mich darum.” Auf diese Weise entsteht eine Nähe zum Spiel, die man nur noch kennt, wenn der eigene Sohn spielt, und das hat den schönen Effekt, dass auch der Klassenunterschied verschwindet. Die Stars aus den Magazinen und von den Sammelbildern sehen genauso aus wie die Oberligakicker, auch wenn diese keine Namen über den Rückennummern tragen. Man sieht die kleinen Rangeleien und Trikotzupfereien, die technischen Fehler und das sparsame Laufpensum einiger Akteure, die exakte Fußhaltung und die Erschöpfung.
Eigentlich war Mainz schwach genug, um zu stolpern, die Dominanz der Mannschaft brachte kaum Resultate, und wenn BAK sich früher mehr zugetraut hätte, wäre mehr drin gewesen für die Amateure, die in der zweiten Halbzeit beherzter konterten und in der ersten Halbzeit ziemlich gut damit fertig wurden, dass das Mainzer Spiel zu 90 Prozent über die linke Seite vorgetragen wurde. Technisch waren die Amateure phasenweise gleichwertig, konnten sich durch ein ansprechendes Kurzpassspiel oft aus dem Mainzer Pressing lösen, und einem Spieler wie Pardis Fardjad-Azad zuzuschauen, der aus der Jugend von Hertha Zehlendorf kommt und ein kurzes Zweitligagastspiel in Jena gegeben hat, war eine Freude, weil er sich gut bewegte, die Zweikämpfe suchte, einen großartigen Antritt hatte und einmal mit einem Kopfball nur die Latte traf. Ein Kämpfer ist er auch noch, so wie der Innenverteidiger Rocco Teichmann, mit Pferdeschwanz und einem (beim Aufwärmen) furchterregend harten Schuss, der in einem zu 90 Prozent türkischstämmigen Team immer wieder der große Antreiber war, der “Los, weiter Männer!” und “Macht Feuer!” brüllte, der auch nach dem 0:2 nicht locker ließ und hinten humorlos abräumte.
Mainz, ohne den kurz zuvor nach Dubai transferierten Bancé, wirkte behäbig, weder Karhan in der ersten noch Polanski in der zweiten Halbzeit wussten aus ihren enorm vielen Ballkontakten irgendetwas Gefährliches zu machen, Ivanschitz blieb auf links blass, wogegen Holtby, der viel zu wenig angespielt wurde, zwei lichte Momente reichten.
Dass der BAK-Keeper beim 0:1 schlecht aussah, machte er in der zweiten Halbzeit dadurch wett, dass er nach einem Rückpass im eigenen Strafraum mangels Abspielmöglichkeit zwei Mainzer ausspielte, den einen sogar mit einem Übersteiger. Von dem Szenenapplaus wird er noch seinen Enkeln erzählen können, und das ist ja das Schöne an diesen Pokalspielen: Dass sie den unterklassigen Mannschaften selbst dann, wenn sie verlieren, als eines der, wenn nicht das größte Spiel ihres Lebens in Erinnerung bleiben werden.
Zur Zuschauerzahl: Für...
Zur Zuschauerzahl: Für Berliner Verhältnisse ist die normal. Für jede andere Stadt würde ich sie als enttäuschend konstatieren. Ansonsten habe ich einige Sachen anders gesehen: Ich mache jetzt drei Tage Urlaub in der Türkei.