Es ist eine Sache, die Ergebnisse vom Wochenende zur Kenntnis zu nehmen, mal mit leichter Überraschung, mal mit Gelassenheit, unbewegt oder erschüttert. Etwas anderes ist es, wenn man selber tippt, wenn auch nicht im Café King. Dann stellt man nämlich fest, dass man intuitiv an alten Hierarchien festhält, weil man glaubt, dass sie sich nach fünf Spieltagen spätestens einstellen und die Schnellstarter dorthin fallen werden, wo man sie automatisch einsortiert hat. Das ist der intuitive Tipp. Aber selbst dann, wenn man glaubt, mal contra-intuitiv zu tippen, wird man böse überrascht, weil man kalkuliert hat, der wankende HSV werde sich an den noch desolateren Bremern aufrichten oder Freiburg seinen Aufwärtstrend gegen einen VfL Wolfsburg fortsetzen, der alles andere als gefestigt wirkt. Alles daneben, auch weil man sich natürlich, gegen die Wahrscheinlichkeit, dann doch für die Bayern entschieden hat und nicht dem ersten Impuls gefolgt ist, Mainz erst auf dem Papier siegen zu lassen, um sie dann in der Allianz-Arena siegen zu sehen.
Vom eigenen Tipp-Deaster verunsichert, hält man auch am Sonntag, nach dem Sieg von 96 auf dem Betzenberg, die Tabelle für eine verkehrte Welt, weil solche kontrafaktischen Annahmen leichter fallen, als sich eine andere Bundesligawelt vorzustellen. Man glaubt einfach, nach zehn Spieltagen werde die Welt doch wieder so sein, wie sich vorher dargestellt hat. Vielleicht wird sie das ja auch sein, aber vorerst ist sie es nicht. Und wo man schon mal bei den kontrafaktischen Annahmen ist, muss ich auch feststellen, dass Christoph Biermann, der neulich für sein Buch „Die Fußball-Matrix” von der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur” den ersten Preis in der Kategorie “Fußballbuch des Jahres 2010″ erhalten hat, Recht hat. Denn nachdem er alle Systeme und Methoden, den Fußball berechenbar zu machen, durchgearbeitet hat, ist er am Ende seines Buches zu der Folgerung gekommen, dass „die Neigung zu Instabilität und Chaos” die schönsten theoretischen Szenarien meist alt aussehen lässt.
Bestes Beispiel: In dem neuen „Kicker”-Spiel „Top League” habe ich mich mal zum Trainer meines Clubs, der Bielefelder Arminia, berufen, um dem absehbaren Fall Einhalt zu gebieten. Hat natürlich geklappt. Mit meinem Trainingsprogramm, meiner Taktik und meiner Aufstellung haben die Blauen aus 6 Spielen 5 Siege und ein Unentschieden eingefahren und stehen auf Platz 1 der Zweitligatabelle. Ich weiß ja auch nicht, was die IT-Freaks beim „Kicker” bei den jeweiligen Spielsimulationen am Vorabend des realen Spiels so treiben, aber es klappt, Neuville trifft in Serie, das 4-4-2 funktioniert auch. Die Realität ist ein Dreck dagegen, da stehen 1 Sieg und 5 Niederlagen in der Tabelle, Trainer Christian Ziege lässt Spieler rotieren, verändert ständig das System – alles vergeblich. Und ich habe dennoch den Eindruck, dass er länger auf der Bank bleiben wird als ich, denn wenn ich nicht gegen Gebühr weiterspielen mag, bin ich demnächst nur noch Assistent.
Verkehrte Welt. Und darüber tröstet auch nicht hinweg, dass seit Sonntag nun endlich Schluss ist mit dem aufgeregten Gequäke von Rolf Töpperwien, dass er sich an niemanden mehr heranwanzen und die “Duzmaschine” Waldemar Hartmann wie einen diskreten, auf Abstand und Unabhängigkeit bedachten Journalisten aussehen lassen kann.