Als Jugendliche haben wir Ewald Lienen verehrt. „Ayala” hieß er anfangs wegen seiner Haare, die er so lang trug wie der Argentinier Ruben Ayala, er war eloquent, er war schnell, technisch versiert, er hatte einen politischen Standpunkt und damit alles, was ein Idol braucht. Als er 1977 Bielefeld verließ, war der neue Club auch moralisch einwandfrei: Mönchengladbach, damit konnte man leben. Aber leider ist das alles 33 Jahre her.
Die Trainerkarriere des einstigen Friedensaktivisten hatte nicht mehr den Glanz. Die Verweildauer auf seinen letzten Stationen war nie allzu imponierend, die größeren Erfolge mit Hansa Rostock oder dem 1. FC Köln liegen auch schon ein Weilchen zurück, und wenn man sich ein wenig umsieht im Netz, wenn man die einschlägigen Foren besucht und die überschießenden Meinungen herunterkocht, dann bleibt dennoch der Eindruck, Lienen sei zwar ein, wie es immer wieder heißt, „akribischer Arbeiter”, was ihm den Beinamen „Zettel-Ewald” eingetragen hat, aber nicht unbedingt der Typus Trainer, der eine angezählte Mannschaft auch psychisch wieder aufbaut. Verdächtig oft liest man da von einem eher unterkühlten Verhältnis zur jeweiligen Mannschaft.
Man kann seine Verpflichtung in Bielefeld deshalb, mit ein wenig gutem Willen, als Versuch begreifen, sich wenigstens mythologisch zu stärken, indem man einen großen, alten Arminen holt, der die Erinnerung an bessere Zeiten beschwört. Man kann aber auch zu dem Schluss kommen, dass keine anderen arbeitslosen Trainer bereit waren, das Himmelfahrtskommando auf der Alm zu übernehmen. Dass der Langzeitarbeitslose Rudi Bommer als einziger Konkurrent geblieben war (und auch als einziger in Bielefeld sein Konzept vortragen musste, wogegen man bei Lienen andere „Kommunikationswege” nutzte), spricht für die zweite Lesart. Ob der von vielen verlangte Uwe Rapolder nicht wollte oder der Vorstand ihn nicht wollte – wer weiß das schon? Benno Möhlmann jedenfalls wird schon gewusst haben, warum er lieber in Ingolstadt unterschrieben hat.
Und wenn man liest, was Christian Ziege zum Abschied über die finanzielle Ebbe und den dadurch reduzierten Spielraum gesagt hat, kann man sich ausrechnen, dass es eher noch enger wird, weil ja nun auch noch Ziege abgefunden werden muss. Trotzdem hätte Ziege natürlich einen besseren Kader aus jungen Spielern zusammenstellen können. Ob es Lienen nun gelingt, mit einem schwach besetzten und mittlerweile völlig verunsicherten Team den Abstieg zu vermeiden, halte ich für fraglich. Ich fürchte eher, man wird jetzt lange Monate mit zusammengebissenen Zähnen zuschauen müssen, wie sich die Arminia unaufhaltsam Richtung 3. Liga bewegt, weil alle Korrektive ausgeschöpft sind – es sei denn, Dr. Oetker schenkt dem Club zu Weihnachten drei bundesligataugliche Spieler. Darauf habe allerdings nicht nur ich in mehr als vierzig Jahren Anhängerschaft vergeblich gewartet.