Es ist ja wunderbar, dass endlich wieder Fußball gespielt wird seit dem Wochenende, aber emotional nimmt mich die Handball-WM derzeit doch mehr mit. Nach dem Spiel der Deutschen gegen Spanien am Montag die Zweitliga-Partie der Hertha in Oberhausen anzusehen, war schon beinahe eine Qual. Nicht dass die Niederlage gegen Spanien nicht quälend gewesen wäre, aber sie hatte eine Dramatik, die dem zähen Geschiebe auf fast unbespielbarem Boden fehlte, und wo das Geschehen in der Halle ständig Adrenalin freisetzte, drohte angesichts des uninspirierten Kicks der Schlaf.
Das heißt natürlich nicht, dass Handball grundsätzlich spannender anzuschauen wäre; es bedeutet nur, dass der Energiehaushalt beim Zuschauen jeweils ganz anderen Rhythmen folgt. Deutschland gegen Bahrein etwa war womöglich noch langweiliger als das Oberhausener Gestolper, weil viel zu früh feststand, wohin die Reise gehen würde. Auch beim Rückrundenauftakt in Leverkusen hätte man ja nach dem 3:0 für den BVB innerhalb von sechs Minuten gut abschalten können, wogegen die deutschen Handballer gegen Spanien zwar auch zwischen der 49. und der 53. Minute das Spiel aus der Hand gaben, es aber noch nicht endgültig verloren hatten.
Wie sie fünf Angriffe hintereinander torlos blieben, wie die Paraden von Johannes Bitter ihnen wieder und wieder die Möglichkeit eröffneten, den Vorsprung auszubauen, weil die Spanier hypernervös wirkten – das mitanzusehen, kostete jedoch mehr Nerven, als man am frühen Abend verkraften kann. Erst recht, weil ich zumindest vor dem Spiel mit einer Niederlage gerechnet hatte, um dann auf einmal den Sieg greifbar nahe und doch wieder verspielt zu sehen. Und es war dann doch schwer zu begreifen, wie wenig der Drei-Tore-Vorsprung die Mannschaft beflügelte; stattdessen nahezu panische Abschlussversuche und ein kopflos agierender Michael Kraus, der zu Recht den Zorn von Heiner Brand auf sich zog.
Das sehenswerteste Spiel bei der WM allerdings fand gestern Abend statt, als, völlig unerwartet, Argentinien den Gastgeber Schweden schlug. Sehenswert vor allem deshalb, weil im Handball die Hierarchie zwischen „Großen” und „Kleinen” noch ausgeprägter, weil die Wahrscheinlichkeit schon statistisch deutlich niedriger ist, dass, zum Beispiel, eben die Argentinier gegen Schweden gewinnen, als dass Oberhausen sich gegen Hertha BSC durchsetzt.
Es war ja schon ungewohnt genug, die hellblau-weißen Trikots der Argentinier in der Halle zu sehen, ohne grünen Rasen, ohne die fußballbekannten Gesichter, und man glaubte an einen Irrtum, als immer wieder der Name Matias Schulz fiel, der hinterher zum „Man of the match” gewählt wurde, weil er einen Ball nach dem anderen abwehrte. Die Argentinier machten im übrigen genau das, was die Deutschen gegen Spanien versäumt hatten. Sie deckten aggressiver, und sie hatten die Geduld, auf den Abschluss zu warten, sie gaben den Vorsprung nicht mehr her, den die Deutschen verschenkt hatten. Und sie konnten sich nach dem Schlusspfiff auf eine Weise freuen, wie man es auf einem Handballparkett lange nicht mehr gesehen hat. Ein solcher Jubel, fürchte ich, wird bei Brands Team weder heute Abend noch an einem anderen tag dieser WM zu sehen sein.