Eins gegen Eins

Eins gegen Eins

Immer am Ball – das Fußball-Blog. Mal spielen wir Doppelpass, mal kommen wir gut in die Zweikämpfe, und mal suchen wir allein den Abschluss.

Der Prince von San Siro – Milan vs. Inter

In der Sportsbar meines Vertrauens verkehren in der Regel Süditaliener, beinharte Napoli-Fans, und deshalb war am Samstag die große Frage, für wen sie beim...

In der Sportsbar meines Vertrauens verkehren in der Regel Süditaliener, beinharte Napoli-Fans, und deshalb war am Samstag die große Frage, für wen sie beim gestrigen Mailänder Stadtderby Partei ergreifen würden. Die Frage war schnell geklärt, als Pato in der 1. Minute nach einem überfallartigen Angriff das 1:0 für Milan erzielte und der Berliner Altbau bebte. Die Bar war fest in der Hand der Rossoneri, und der schweigsame Mann neben mir, der nach dem 2:0 verschwand und nicht wiederkam, wird wohl einer der wenigen, stummen Interisti im Saal gewesen sein.

Großer Fußball war es zwar nicht, auch der erbitterte Kampf fehlte, das Tempo sowieso bei zwei Teams, von denen ein Großteil schon im Seniorenteam kicken könnte, aber es war beim Zuschauen zumindest ein großes Spektakel, auch wenn man oft nur erahnte, was die Spottgesänge bedeuteten. Und im Grunde war ich ja ganz froh, weil es einem die Leute womöglich eher unsympathisch gemacht hätte, wenn ich komplett verstanden hätte, was sie über Eto’o von sich gaben und was ihnen so durch den Kopf ging, wenn ein Zwischenschnitt auf die Vorzugstribüne eine ganze Phalanx sehr blonder Frauen zeigte.

Als Wahlberliner jedoch verfielen sie gelegentlich ins Deutsche, wenn sie darüber stritten, ob Kevin Prince Boateng denn nun aus dem Wedding käme oder aus Moabit. Geklärt werden konnte das nicht, aber das war auch ziemlich egal, denn Boateng hatte eine großen Abend. Ballsicher und lauffreudig, immer gedanken- und handlungsschnell, bereit zum Direktspiel und in voller Kontrolle seines Adrenalinhaushalts. Er hat offenbar gelernt, wann man hart zur Sache kommen darf, sein Temperament ist, wie man vor allem in einigen Nahaufnahmen sah, ungebrochen, aber er hat sich im Griff.

Für das Frührentnermittelfeld mit dem gewohnt rustikalen van Bommel, dem Terrier Gattuso und dem immer noch in seiner Spielübersicht und Ballbehandlung fabelhaften Clarence Seedorf ist einer wie Boateng die ideale Ergänzung. Als Seedorf müde wurde, ließ sich Boateng zurückfallen, räumte ab, behauptete sich am Ball, und sein Pass auf Pato, der die Notbremse von Chivu herausforderte, war einfach grandios. Wie arm an Spielintelligenz, wie selbstverliebt dagegen das ewige Talent Robinho, der sich zwar die lästigen Übersteiger weitgehend abgewöhnt hat, aber bei dem man sich noch immer fragt, warum große Vereine ihn eigentlich verpflichten.

Und weil ein solches Mailänder Derby aus Mangel an sportlichen Highlights immer ein bisschen Commedia dell’ arte braucht, wurde in der 80. Minute der italienische Superproll Antonio Cassano eingewechselt. Schon seine Gestik, als er sich mit Robinho abklatschte, war großes Theater, der Jubel nach dem verwandelten Elfmeter zehn Minuten später war in seiner totalen Unverhältnismäßigkeit schon wieder klasse und wegen des weggeworfenen Trikots unbedingt gelbwürdig. Dass er dann nach beherzter Grätsche noch vor dem Abpfiff gelb-rot sah, zeigte, dass man auch in zehn Minuten Einsatzzeit eine bleibende Performance abliefern kann. Und man freut sich, dass die Gimmicks von Sky Italia das alles so schön ins Bild rücken. Die Superzeitlupe ist umwerfend, die Splitscreens, mit denen die beiden Trainer nebeneinander gestellt werden, haben auch was – da wird selbst ein fußballerisch mäßiges Derby zum großen Amüsement, und man erträgt auch gelassen den Sieg des Berlusconi-Clubs.