Gegen 22.40 Uhr waren wir dann doch froh, dass es vorbei. Meine Bar dello Sport war ohnehin deutlich schwächer besucht als bei den ersten drei Partien, die Spanier waren in der Überzahl, aber auch sie, zumeist Barcelona-Fans, brachten wenig Stimmung in den Laden. Vier „clásicos” in 18 Tagen sind dann doch zu viel, wenn es nur noch um so wenig geht, und Sky Italia war diesmal auch nicht in Form – keine einzige Kamera, die uns Jose Mourinho auf der Tribüne gezeigt hätte. Oder hatte das die UEFA womöglich untersagt?
Erstaunt war ich heute Morgen dann nur, als ich die Berichte zum Spiel las. Offenbar waren die alle woanders gewesen als im Regen von Camp Nou. Das Spiel war besser als die Partie in Madrid, wozu nicht viel gehört, aber brillant war es nun wirklich nicht. Real war deutlich besser eingestellt, fast so gut wie im Pokalfinale, sie spielten aggressiv, ohne brutal zu sein, aber es sah dann über weite Strecken doch so aus, als könnten sie einfach nicht, wogegen Barcelona nicht musste und deshalb auch nicht richtig wollte.
Und ohne dass man auch nur das geringste Verständnis für Mourinhos Verschwörungstheorien aufbringen wollte: es gab einen Moment, in der 47. Minute, der dieses Spiel noch einmal hätte öffnen können. Auch bei der dritten Wiederholung in Zeitlupe ist mir nicht plausibel geworden, warum der Schiedsrichter den Treffer von Higuain nicht gegeben hat. Es war kein Abseits, es gab kein Foul von Ronaldo an Mascherano und auch keines von Mascherano an Ronaldo. Wer weiß, was passiert wäre, wenn dieses reguläre Tor gegeben worden wäre. Ich habe zwar einige Zweifel, dass Real in der Lage gewesen wäre nachzulegen, aber die dramatische Kurve des Spiels wäre entscheidend verändert worden.
Mascheranos Verhalten bringt einen auch zu den häßlichen Seiten im Spiel von Barcelona. Mich nervt die endlose Ballzirkulation ohne sichtbaren Zug zum Tor schon seit längerem, aber häßlich ist sie natürlich nicht. Häßlich sind die theatralischen Einlagen nach einem Foulspiel. Wie bei Mascherano. Oder, noch auffälliger, bei Pedro Rodriguez. Wenn man schon im Moment der Körperberührung das Gefühl hat, da schiele der Spieler nach dem Schiedsrichter und fordere die Sanktion, noch bevor er zu Boden gegangen ist. Dieses verhalten ist einer solchen Mannschaft unwürdig – erst recht, weil ein Messi zum Beispiel da nur selten mitmacht, sondern fast immer versucht, auf den Füßen zu bleiben, um womöglich noch Kapital aus der Situation zu schlagen.
Mich stört auch nicht, dass ausgerechnet ein Grobmotoriker wie Adebayor getönt hat, Barcelonas Spieler heulten wie die Babys; selbst ein Mann mit so geringer Spielintelligenz und so viel Brutalität im Tackling kann ja mal eine halbwegs richtige Beobachtung machen. Das Problem war eher, dass Mourinhos verlängerter Arm ihn überhaupt einwechselte. Higuain war nicht gut, er war vor allem zu langsam, aber mehr Torgefahr als Adebayor, der durchs eine rüden Attacken immer wieder den Spielfluss zerstörte, strahlt er dann doch aus.
Und es bleibt, nicht nur wegen dieses Wechsels, der Eindruck aus den vier „clásicos”, dass es der Großtaktiker Mourinho war, der wesentlichen Anteil hat am Ausscheiden von Real. Mit Ausnahme der Copa del rey hat er sich hartnäckig für die falsche Besetzung entschieden und diese Fehler durch seine Einwechselungen auch noch überdeutlich sichtbar gemacht. Kaka war gestern erneut eine große Enttäuschung, Özil wirkte agiler, kam jedoch zu spät. Und womöglich wäre das Hinspiel auch nicht verloren gegangen, wenn Mourinho nach dem Platzverweis gegen Pepe besser reagiert hätte, anstatt Xavi und Messi den Raum zu lassen, den Pepe zuvor so energisch zugestellt hatte.
Aber das ist eh nur Spielanalyse im Konjunktiv Imperfekt. Der nächste „clásico” kommt frühestens im Herbst. Erst einmal kommt das Finale von Wembley, und ich habe die Hoffnung, dass Alex Ferguson sich smarter anstellt als Mourinho, dass Manchester Kompaktheit und das schnelle Vertikalspiel Barcelona in Situationen bringen, in denen die Verwundbarkeit der Deckung sichtbar wird. Das habe ich vor zwei Jahren zwar auch schon gehofft, aber dieses Mal halte ich es mit dem Philosophen Hegel, der geschrieben hat: „Die höchste Reife und Stufe, die irgend etwas erreichen kann, ist diejenige, in welcher sein Untergang beginnt.” Und ich schätze mal, Guardiolas Team ist schon in diese Phase eingetreten.