In meiner Bar dello Sport in der Eisenacher Straße gab es gestern zum ersten Mal so etwas wie eine tektonische Verschiebung. Im kleinen Raum saßen die Interisti, um ihren Club untergehen zu sehen, in der großen Sala hatten sich die Germanen ausgebreitet, weil die Nachfrage nach dem Bayern-Spiel entschieden größer war. Das hätte nie passieren können, wenn Napoli oder auch Milan gespielt hätten, denen die Sympathien des sonst mehrheitlich italienischsprachigen Publikums gehören, weshalb ich natürlich hoffe, dass Napoli heute Abend in London weiterkommt und den Bayern im Viertelfinale zugelost wird, weil dann ein denkwürdiger Abend wartet, der im Schöneberger Altbau ein mittleres Beben auslösen könnte.
Es hat im Übrigen etwas sehr Angenehmes, ein Bayern-Spiel mit Bayern-Fans mit italienischem Kommentar zu sehen, weil dann all die sinnlos euphorisierten Sätze unterbleiben, die sich deutsche Kommentatoren nicht verkneifen können, wenn sie zum 87. Mal erwähnen, dass das Finale der Champions League in München stattfinden wird. Es sah natürlich gut aus, wie die Bayern spielten, sie waren präsent, beherrschten die Räume, und ich musste kurz daran denken, dass man vielleicht den vorzeitigen Spielabbruch einführen sollte, wie das im Jugendfußball üblich ist. Denn am vergangenen Wochenende führte das Team, in dem mein Sohn spielt, nach 50 von 60 Minuten mit 18:0, als der Trainer des Gegners das Handtuch warf und den Schiedsrichter bat, dem Grauen ein Ende zu setzen. Was vernünftig war.
Vermutlich hätte Heiko Vogel, der Trainer des FC Basel, gar keinen Gebrauch davon machen wollen, obwohl es ziemlich ersichtlich war, dass er die Bayern ein bisschen unterschätzt hatte. Seine taktische Route, die beiden Stürmer kaum in die Defensivarbeit einzubinden und davon auch nicht abzurücken, als klar wurde, dass weder Frei noch Streller vorne die Bälle halten konnten, war mutig bis tollkühn. Erst recht, weil die beiden Viererketten kaum funktionierten und die beiden Außenverteidiger einem leid tun konnten.
„Vaguely logical” nennt die Taktikanalyse in „Zonal Marking” diese Strategie, und man kann in diesem Blog wie auch in der nüchternen Analyse bei „Spielverlagerung.de nachlesen, dass es vor allem Basels Schwäche war, welche die Bayern stark machte, deren Schwächen dort auch sehr präzise aufgezeigt werden. Man konnte das auch gestern Abend ganz gut in der langen Phase zwischen dem 1:0 und dem 2:0 beobachten, als die Bayern wieder in jenen unproduktiven Rhythmus zurückzufallen drohten, der ihr Spiel in der Rückrunde so statisch und variantenarm wirken ließ.
Und man muss deshalb auch ausnahmsweise mal Uli Hoeneß Recht geben, auch wenn er es so nicht gemeint hat: „Vor 14 Tagen waren sie alle Bratwürste – und jetzt sollen sie alle Superstars sein? In diesem Umfeld möchte ich nicht leben”, zitiert ihn dpa. Natürlich bilden für ihn die Medien das „Umfeld”, aber die lassen sich dank des Ehrenpräsidenten, der sich in diesem „Umfeld” häuslich eingerichtet hat, und dank Hoeneß’ Bereitschaft zum markigen Zitat gar nicht so leicht vom FC Bayern trennen. Es ist ja auch Hoeneß’ Welt, nicht nur wegen der Bratwürste, und wenn sie denn nicht demnächst mal wieder am Rande des vermeintlichen Untergangs stehen soll, wäre es gut, sich in aller Demut an die Videoanalyse des Leverkusen-Spiels oder des 0:1 in Basel zu machen.