Wie sieht man so ein Pokalfinale, wenn man weder Fan der einen noch der anderen Mannschaft ist? Wenn einem der Bayern-Stil besser gefällt, weil er einen, im Gegensatz zur Spielweise des BVB, nicht so penetrant an Leichtathletik erinnert, ohne dass man deshalb zum Anhänger der Roten würde?
Ich habe einfach hingeschaut, weil ich auf ein gutes Fußballspiel gehofft hatte – was es nicht war. Es fing an mit dieser schauderhaften Idee zu einer Gesangseinlage von Rea Garvey, der, obwohl es nun wirklich nicht still war im Olympiastadion, „Can’t Stand The Silence” schmetterte. Muss man schon kennen, den Typen, sagte mein Sohn, taugt aber nichts. Auch gut. Dann hatte jemand beschlossen, der Ex-Biathletin Magdalena Neuner ein goldfarbenes Kleid anzuziehen und sie während der Nationalhymne den Pokal halten zu lassen. Aber warum nur? Welcher Event-Agentur hat der DFB sich ausgeliefert? Oder haben sich Zwanziger und Niersbach das zu Hause im Wohnzimmer mit ihren Ehefrauen ausgedacht? In Altendiez ist so was vielleicht cool. Na gut.
Das Spiel, wie gesagt, war nicht sonderlich ansehnlich, die Luft war viel zu früh raus, die Fehlerquote bei beiden Teams zu hoch, und Oliver Kahn hatte ausnahmsweise mal vollkommen Recht, als er zu Protokoll gab, kein einziger Bayern-Spieler habe auch nur ansatzweise die Einstellung erkennen lassen, derer es bedürfe, um ein Pokalfinale zu gewinnen. Aber trotzdem kann man aus diesem Spiel einige Erkenntnisse mitnehmen für die EM, und es sind vermutlich nicht die erfreulichsten, mit denen Joachim Löw nach Sardinien geflogen ist. Er dürfte gelitten haben auf der Tribüne.
1 Die Performance des gebürtigen Berliners Jerome Boateng war nicht nur wegen des verschuldeten Elfmeters unterirdisch. Er wirkte unsicher, bisweilen orientierungslos und ist in dieser Verfassung weder eine Option für die Innenverteidigung noch für die Außenbahn
2 Toni Kroos, der zum Teil grandios gespielt hat in der Saison, operierte an der Grenze zur Unsichtbarkeit. Das kann nicht alles mit Schonung für die Champions League zu tun haben. Er wirkte matt.
3 Bastian Schweinsteiger tat mir Leid. Ein Schatten seiner selbst. Derzeit verfügt er bloß über einen Bruchteil seiner Möglichkeiten. Ob er in den nächsten vier Wochen wieder auf ein Niveau kommt, auf dem er das Spiel des Löw-Teams strukturieren kann? In der Form von gestern ist er ein Sicherheitsrisiko.
4 Mats Hummels spielte eine souveräne Partie – er hat bloß in der Nationalelf noch nie eine souveräne Partie gespielt. Und es beruhigt mich zumindest gar nicht, mir Hummels mit Badstuber oder gar mit Mertesacker vorzustellen. Mit Boateng wird die Vorstellung zum Albtraum.
5 Marcel Schmelzer war fleißig, war effizient, war Robbens Schatten, aber um sich auf der linken Außenbahn festzusetzen, ist es nicht genug. Seine Flanken sind nach wie vor allenfalls mäßig, seine Saison war auch nicht gerade konstant, auf internationaler Bühne dürfte er untergehen.
6 Ach ja, richtig, fast wäre mir entfallen: Thomas Müller hat auch mitgespielt.
Baut einen nicht unbedingt auf, was da gestern zu sehen war. Allenfalls Robbens Vorstellung macht einen Mut für das Holland-Match, weil zum x-ten Mal zu beobachten war, mit welcher Taktik er aus dem Spiel zu nehmen ist. Und da ich nicht gar so viel von Fußballpsychologie halte, erspare ich mir Spekulationen, welche Auswirkungen eine Bayern-Niederlage am nächsten Samstag haben könnte. Ich hoffe einfach, dass Joachim Löw es richten wird. Soweit ist es schon gekommen…
11 Gründe, warum der BVB...
11 Gründe, warum der BVB gegen Bayern gewonnen hat:
1. weil auf der Tribüne nicht Norbert Röttgen , Wolfgang Clemens oder Liz Mohn schwarzgelb in die Kameras strahlen wie auf der „roten Seite“ Horst Seehofer , Helmut Markwort oder Uschi Glas
2. weil sich Luis Gustavo ins Dortmunder Angriffsspiel einschaltete
3. weil Mats Hummels Abwehr kann und trotz blonder Freundin nie eine Homestory machen würde
4. weil Philipp Lahm seine Hochzeit an die BILD verkauft hat
5. weil Jürgen Klopp das nicht gemacht hat. Damals war er zwar noch in Mainz. Hätte er anno 2012 aber auch nicht gemacht.
6. Weil Großkreutz seinem Vornamen Kevin alle Ehre macht und doch den „Kevinismus“ widerlegt
7. Weil es ein Heimspiel war
8. Weil noch niemand den seismographischen Charakter der BVB-Erfolge für die Sozialdemokratie erforscht hat ( Meisterschaft 1995/96, Champions-League Sieger 1997, SPD-Grüne-Regierung 1998)
9. weil das Zuschauen so einen Spaß macht und die Jungs auf dem Platz das auch so sehen, sind ja am nächsten dran
10. weil Bayern zu Österreich gehört und Bielefeld in Ostwestfalen (Privatwitz 1)
11. weil mein Freund Thorsten jetzt 7 Wetten in Folge gegen mich verloren hat (Privatwitz 2)