Es war ein Abend ohne Sieger, obwohl nach dem Gesamtergebnis Fortuna Düsseldorf vorne lag; obwohl der Fifa-Schiedsrichter Wolfgang Stark so etwas wie der Mann des Abends war, weil er alles richtig machte, weil er Fingerspitzengefühl zeigte, weil er seine Ankündigung nach den ersten Bengalos und Leuchtfeuerraketen, das Spiel bei dem nächsten geringsten Vorfall abzubrechen, eben nicht wahr machte.
Aus der Distanz wird diese auf den ersten Blick widersprüchliche Entscheidung, die sich ganz offensichtlich Starks Gespür für die Gesamtsituation verdankt, noch plausibler. Denn am heutigen Mittwoch hat der Anwalt von Hertha BSC, Christoph Schickhardt, im Morgenmagazin gesagt, Wolfgang Stark habe nach der zweiten Unterbrechung „die Mannschaft nicht wegen des Fußballs auf den Platz zurückgeführt, sondern nur auf Bitten der Polizei, um eine Eskalation – man hat von einem Blutbad gesprochen – zu verhindern”.
Solche Äußerungen muss man zwar mit großer Vorsicht genießen, denn der Clubanwalt ist selbstverständlich Partei, er muss, er soll prüfen, ob Hertha Protest einlegt gegen die Wertung des Spiels. Aber bei aller Vorsicht ist es leider so, dass man den Fans, welche den Rasen nicht nur stürmten, sondern gleich ein paar Grasstücke herausreißen wollten, das zutrauen muss. Vielleicht nicht gleich ein Blutbad, aber in jedem Fall eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit der Spieler, eine potentielle Bedrohung für den Bus, mit dem Hertha das Stadiongelände ja irgendwie verlassen musste, eine reale Bedrohung für all jene Zuschauer, die nicht ihren Verstand verloren, sondern Interesse an der regulären Beendigung einer Partie hatten, die schon nach der ersten Unterbrechung ziemlich aus der Spur geraten war.
Es war also ein ganz trauriger Abend für den Fußball, der noch weiterging in der Nacht, als Hertha-Fans im Sonderzug randalierten, beträchtlichen Sachschaden anrichteten und damit ihre hirnrissige Performance während der Partie fortsetzten. Doch bevor man sich nun moralisch erregt über die Hardcore-Fans beider Lager, was sicherlich richtig und verständlich, aber völlig uninteressant ist, solange es nicht mit unnachgiebigen juristischen Konsequenzen einhergeht, bevor man darüber nachdenkt, ob nicht eine Neuansetzung des Spiels die einzige Lösung wäre – bevor man all das tut, sollte man sich auch fragen, was eigentlich in den Köpfen der Verantwortlichen so vor sich geht.
Da wird zum Beispiel Fortuna-Manager Wolf Werner mit den Worten zitiert: „Die Fans sind nach einem geglaubten Abpfiff auf das Spielfeld gelaufen. Das sind unschöne Szenen, die sind unnötig.” Wer solche Sätze von sich gibt, dem würde man gerne eine bessere Sehhilfe und ein Hörgerät empfehlen, wenn einen die apologetische Haltung nicht zu sehr anwiderte. Man könnte ihn auch fragen, wie es eigentlich möglich ist, dass in der sogenannten Esprit-Arena ein derartiger Mangel an Sicherheitsvorkehrungen herrscht, dass man das Stadion für Fußballspiele sperren müsste, bis dieser Mangel behoben ist. Da würde er wohl ähnlich dämlich antworten.
Aber Werners Gegenüber ist ja auch nicht besser. Hertha-Manager Michael Preetz, befragt nach einem möglichen Protest, wird mit dem Satz zitiert: „Es ist unsere Verantwortung, darüber nachzudenken. Das sind wir auch unseren Fans schuldig.” Man kann ihm gerade eben noch zugute halten, dass er zum Zeitpunkt dieser Worte noch nichts von der Randale in der Bundesbahn wusste. Was er jedoch glaubt, Leuten schuldig zu sein, die nach dem zweiten Tor gegen ihr Team Leuchtraketen abschießen, wird er selber kaum wissen. Was mal wieder die totale Überforderung des Mannes zeigt, den sein Präsident auch nach diesem Abend noch immer nicht von der Verantwortung erlösen mochte. „Für mich ist es völlig unbestritten, dass er in seiner Position bleibt”, sagte Präsident Gegenbauer.
Einem Verein, der sich derart selbst zu Grunde richtet, möchte man eigentlich nicht wünschen, dass er noch eine allerallerletzte Chance zum Klassenerhalt bekommt. Von mir aus soll Hertha doch absteigen. Dann kann der ebenfalls überforderte Otto Rehhagel endlich Urlaub machen. Doch im Interesse des Fußballs und eines regulären Spielbetriebs plädiere ich für eine Neuansetzung des Spiels auf neutralem Boden.
Ich plädiere darauf, das...
Ich plädiere darauf, das Rückspiel nicht zu werten und nur das Resultat des Hinspiels als Entscheidung über die Relegation anzusehen. Das wäre sogar ein recht salomonisches Urteil, da es ausschliesslich das unter regulären, sportlichen Bedingungen zu Stande gekommende Resultat des Aufeinandertreffens der beiden Mannschaften wertet.
Am Spiel in Düsseldorf, das dermassen entgleiste, waren die Anhängerschaften beider Vereine nicht ohne Schuld. Die Fackelwürfe der Berliner Fans und die Platzstürmung durch die Düsseldorfer sollten mit schmerzhaften Geldbussen belegt werden.
Schiedsrichter Stark verhielt sich äusserst besonnen und umsichtig, was in nicht geringem Masse dazu beitrug, Schlimmeres zu verhindern. Ebenso vernünftig und umsichtig war es von den Herthanern noch einmal auf Spielfeld zurück zu kehren, auch wenn das Ganze zu jenem Zeitpunkt längst zur Farce mutiert war.
Für das vorzeitige Entfernen des Elfmeterpunktes sollte dem Schuldigen eine Strafe in der Höhe von einem Jahr Rasenpflege im Stadion auferlegt werden. Ab ins Beet!
...widerrede: wieso neu...
…widerrede: wieso neu ansetzen? der schiedsrichter hat das spiel, da teile ich Ihre einschätzung, mit großer umsicht zu ende spielen lassen. das ergebnis gilt, das letzte wort hat der schiedsrichter.
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die strafen für die vereine sollten empfindlich ausfallen. sonst könnten dresdner, frankfurter oder rostocker mit recht von ungleichbehandlung sprechen.
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fazit: fortuna steigt auf, mit schmutziger visitenkarte. hertha steigt ab, mit einem doppelten makel: zweifelhafte fans, die ihrer mannschaft die letzte chance geraubt haben. und dem unsportlichen versuch, das sportliche ergebnis am grünen tisch klären zu lassen.
d.weise