Vermutlich wäre es klüger und sogar leichter gewesen, wenn ich mir für mein erstes Champions-League-Spiel seit fast zwanzig Jahren AS Rom gegen Bayern ausgesucht hätte, trotz des sogenannten Streiks der völlig durchgedrehten, selbstgerechten Lufthansa-Piloten. Gibt ja auch andere Airlines. Aber ich habe mich für Schalke gegen Sporting Lissabon entschieden, trotz des miserablen Wetters, und was die Dramatik anging, war das sicher abwechslungsreicher als die Gala der Bayern im Olimpico, wo man zur Pause auch hätte gehen und ein nahegelegenes Restaurant aufsuchen können.

Aber gemessen an den Bemühungen der Roma-Fans mit Pyros und echtem Adler sind die Fans des FC Schalke 04 weit kreativer. Nicht nur wegen der Stadtwappen-Choreo kurz vorm Anpfiff, sondern vor allem wegen ihres Gespürs, wann die Mannschaft Unterstützung braucht. Und das war bei dem durchwachsenen Auftritt gegen die Portugiesen elementar. Wenn ein Team nach einem 0:1 wiederkommt, den Rückstand in ein 3:1 umwandelt, um sich dann wieder den Ausgleich einzufangen, stellt es die Zuschauer vor enorme psychische Belastungsproben, welchen die Schalker Fans nun jederzeit gewachsen waren. Ohne den Aufschrei der Empörung, so könnte man nicht ganz unbegründet vermuten, hätte der Torrichter womöglich nicht das Gesicht von Silva für dessen Arm gehalten; ohne die die wütenden Elfmeterforderungen hätte der Schiedsrichter, der es insgesamt nicht schlecht mit Schalke meinte, kaum Konsultationsbedarf gehabt.
Es war ein angenehmes Geschenk, und es zeigt wieder einmal, dass das, was für ein Publikum großes Drama mit Erlösung bedeutet, für einen Trainer das nackte Grauen ist, gepaart mit dem Gefühl, gerade noch mal davongekommen zu sein. Roberto Di Matteo hat gestern Abend seine Mannschaft wohl besser kennengelernt, als ihm lieb ist, er hat ihren Mangel an strukturiertem Defensivverhalten und ihre Schwächen im Spielaufbau erleben müssen.

Und man kann nicht behaupten, dass er seinem Team eine große Hilfe gewesen wäre. Ob der Einsatz von Obasi nun eine goldene Hand verriet oder bloß Reaktion auf einen angeschlagenen Choupo-Moting war, weiß ich nicht, aber der fast verschollen geglaubte Nigerianer spielte sich für seine Verhältnisse geradezu in einen Rausch. Warum dann nach 64 Minuten Meyer für ihn kam, erschloss sich mir so wenig wie der Mehrzahl der knapp 50.000.Und warum Di Matteo dann nach 80 Minuten für den nicht völlig überzeugenden, aber beim 2:1 hellsichtigen und immer energisch nach hinten arbeitenden Draxler ausgerechnet den Zweikämpfe eher scheuenden Sidney Sam brachte, blieb auch sein Geheimnis.
Nach dem erzitterten Happy end also bleibt für alle viel Arbeit. Nicht nur für die Spieler, auch für den Coach, der in den beiden Spielen als Verantwortlicher im Übrigen zeigte, dass unglückliches Coaching kein Privileg von Jens Keller war. Der Anspruch jedenfalls, aus einer besser organisierten Defensive zu operieren und einem in Unterzahl spielenden Gegner die Räume zum Tor zuzustellen, der blieb gestern ein Anspruch – die Realität ist noch ein Stück entfernt.
Wer Schalke nicht kennt, hat sein Leben verpennt!?
:=)