Was für ein verwirrender Name: „Die Gegenwart“! Und was für monströse Texte! Montag für Montag erscheinen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) unter diesem Seitenkopf (manchmal auch unter „Ereignisse und Gestalten“) Essays, die auf den ersten Blick so ganz und gar nicht zum Format Tageszeitung passen: seitenfüllend, gelehrt, zeitraubend.
Doch so unzeitgemäß diese Gattung erscheinen mag, Essays über das ganze Spektrum von Politik, Staat und Gesellschaft sind seit Jahrzehnten ein festes Angebot an die Leser der F.A.Z. Mehr noch. „Die Gegenwart“ gab es als Zeitschrift schon zu einer Zeit, als an die Frankfurter Allgemeine noch nicht zu denken war.
Schon bald nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatten sich zumeist ehemalige Redakteure der 1943 verbotenen „Frankfurter Zeitung“ zusammengefunden, um von Freiburg im Breisgau aus die geistige Trümmerlandschaft, die der Nationalsozialismus hinterlassen hatte, zu vermessen und ihr Orientierung für die Zukunft abzuringen. „Die Zukunft beginnt jeden Augenblick“, hieß es programmatisch am 24. Dezember 1945 in der ersten Ausgabe der neuen Zeitschrift „Die Gegenwart“.
Mehr als siebzig Jahre später ist die Zeitschrift dieses Namens längst Geschichte. Wie die Erinnerung an längst verstorbene Kollegen wie Friedrich Sieburg, Benno Reifenberg oder Dolf Sternberger lebt sie in der F.A.Z. weiter. Und wie einst, so will „Die Gegenwart“ auch heute mit ihren thematisch wie inhaltlich facettenreichen Texten nicht nur eine Bestandsaufnahme sein, sondern Orientierung bieten. „Halten wir uns an die zuversichtliche Überzeugung, die der Zukunft nur gibt, was der Gegenwart abgerungen worden ist. Halten wir uns an die Morgenröte, die, über welchen Trümmerstätten auch immer, jeden gegenwärtigen Tag als Aufgabe heranführt. Und damit als Trost.“
Ihr Daniel Deckers
Verantwortlicher Redakteur für „Die Gegenwart“