Von Patrick Bernau
Das Glück ist in Mode gekommen. In Deutschland, Frankreich, Kanada – überall haben die Menschen gemerkt, dass Geld allein nicht glücklich macht. Jetzt wollen sie ein Bruttoinlandsglück berechnen. Der Bundestag hat gar eine ganze Grundsatzkommission eingerichtet, deren Chefin ein klar gestecktes Ziel hat: „helfen, die Zufriedenheit der Menschen maximieren”.
Wenn sie sich da mal nicht übernimmt.
Wer sich die jüngsten Forschungsergebnisse anschaut, gewinnt einen klaren Eindruck: Politik und Gesellschaft haben nur wenig Einfluss darauf, ob Menschen glücklich sind oder nicht. Ziemlich ernüchternd ist ein Blick in das Buch „The Pursuit of Happiness”, das die Amerikanerin Carol Graham nach mehreren Jahren Forschung am Brookings-Thinktank geschrieben hat. Es ist ein Buch, das jeder mit Interesse am Glück gelesen haben sollte. Denn sein Forschungsstand ist der deutschen Debatte um Jahre voraus.
Und was zeigt die Forschung? Erstens: Am wichtigsten sind die Gene. Ob ein Mensch glücklich oder unglücklich ist, hängt vor allem von seiner genetischen Veranlagung ab – je nach Studie – zu einem Drittel oder sogar zur Hälfte.
Was macht den Rest aus? Vor allem der Wochentag. Sonntags, wenn sich der Montagmorgen nähert, ist das Glück der Deutschen regelmäßig auf dem Tiefpunkt. „In einer Welt von Brot und Spielen nehmen Maße wie das Glück, das mehr vom Valentinstag beeinflusst wird als von einer Verdoppelung der Arbeitslosigkeit, nur die Spiele auf und verpassen das Brot” – so schimpfte kürzlich der angesehene Glücksforscher Angus Deaton voller Enttäuschung über sein eigenes Forschungsobjekt.
Allerdings gibt es ein Maß fürs Glück, das etwas stabiler ist als die meisten anderen: Die Antwort auf die Frage, ob die Menschen insgesamt mit ihrem Leben zufrieden sind. Auch diese Frage muss sorgfältig gestellt werden, wie Angus Deaton zeigt. Am Ende aber ist die “Lebenszufriedenheit” zuverlässiger als viele Antworten auf simplere Glücksfragen, auch wenn die Zufriedenheitswerte ebenfalls von den Genen und den Wochentagen abhängen. Diese Lebenszufriedenheit haben sich die Meinungsforscherin Renate Köcher und der Ökonom Bernd Raffelhüschen in ihrem „Glücksatlas Deutschland 2011″ genauer angesehen. Sie haben getestet, was die Deutschen systematisch zufrieden oder unzufrieden macht.
Die Liste überzeugt sofort: Gesundheit ist enorm wichtig, auch eine stabile Partnerschaft macht die Menschen zufrieden. Auf Rang drei der Zufriedenheitsfaktoren stehen regelmäßige Treffen mit Freunden, mit etwas Abstand folgen Sport, Wohnen im eigenen Haus, Autonomie am Arbeitsplatz und eine Gehaltserhöhung (im Beispiel von 1500 Euro auf 1750 Euro). Wer diese Faktoren verliert, wird unzufrieden. Und auch wer seine Arbeit verliert, dem geht es nicht gut.
Politiker können daran wenig ändern. Natürlich ist ein gutes Gesundheitssystem wichtig, aber das allein macht nicht alle Menschen gesund. Ansonsten ist die Politik weitgehend hilflos. Am ehesten können Politiker noch die materiellen Verhältnisse im Land verbessern. Gibt es viele Arbeitslose? Sind die Einkommen hoch? Können sich die Menschen ein eigenes Haus leisten? Diese Fragen lassen sich politisch beeinflussen – dafür allerdings braucht es kein Bruttoinlandsglück, das alte BIP reicht dafür auch.
Fürs Glück sind aber die anderen Faktoren entscheidend: Gesundheit, Freunde, Partnerschaft. Das bleibt dem Einzelnen überlassen – anders geht es gar nicht. Ob man mehr Zeit den Freunden widmet oder der Arbeit, ob man für die Karriere die Ehe aufs Spiel setzt: Das sind wichtige Entscheidungen, aber dabei kann kein Gesetz helfen. Seine Ziele muss jeder selbst abwägen.
Vielleicht waren die amerikanischen Gründerväter noch weiser, als wir bisher dachten. Sie hielten in der Unabhängigkeits-Erklärung nicht etwa ein Recht auf Glück fest, sondern eines auf das „Streben nach Glück”.
Dank an Jochen Mai für den Link zur Sonntags-Studie.
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