Joseph A. Schumpeter (1883 bis 1950) gilt zurecht als einer der bedeutendsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts und vielleicht wird er auch einer der wichtigen Ökonomen des 21. Jahrhunderts. Aber wer kann von sich behaupten, Schumpeter wirklich gelesen oder gar ernsthaft studiert zu haben? Die Grazer Ökonomen Heinz D. Kurz und Richard Sturn bieten mit ihrem Buch “Schumpeter für jedermann” in einem übersichtlichen Format einen Einstieg in die Welt und das Werk Schumpeters. (Heinz D. Kurz ist einer der prominentesten deutschsprachigen Kenner der ökonomischen Dogmengeschichte. An ein breites Publikum wenden sich auch dieses und dieses Buch; ein wunderbares Werk für Leser mit ökonomischen Kenntnissen ist hier.)
Nach dem traditionellen Schema “Vita-Werk-Wirkung” aufgebaut, werfen die Autoren zunächst auf gut 60 Seiten einen Blick auf das sehr unruhige Leben Schumpeters, der in einer kleinen Stadt in Mähren zur Welt kam und nach zahlreichen Zwischenstationen sein Leben in Neuengland beendete. Mit rund 150 Seiten entfällt der Hauptteil des Buches auf eine Schilderung der wichtigsten Werke Schumpeters, die ja nicht unbedingt für einen leichten Zugang bekannt sind. Gut 70 Seiten sind alleine der “Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung” gewidmet, die üblicherweise und nicht ohne Grund als Schumpeters Hauptwerk gilt. Aber auch andere Schlüsselwerke, darunter das nicht unumstrittene Spätwerk “Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie” erfahren eine angemessene Beschreibung und Würdigung. Das Werk Schumpeters ist auch dank der dogmengeschichtlichen Neigungen des Österreichers sehr vielschichtig, lässt sich aber recht gut mit dem Untertitel von Kurz/Sturn, “Von der Rastlosigkeit des Kapitalismus”, zusammenfassen.
Der Schlussteil “Wirkung” ist notwendigerweise knapper gehalten. Auch wenn Schumpeters Begriff “schöpferische Zerstörung” Popularität erlangt hat, so gilt dies nicht für sein Gesamtwerk, das sich keiner Schule zuordnen lässt und auch keine eigene Schule begründet hat. Schumpeter war, wie die Autoren bemerken, ein großer Kenner der Theorie des Unternehmers und des dynamischen Charakters des Kapitalismus, aber er besaß selbst keine unternehmerische Fähigkeit, um sein eigenes Werk zu vermarkten. Dies ändert aber nichts an den zahlreichen bedeutenden Erkenntnissen dieses großes Ökonomen, dem ein ideologischer Zugang zu den Wirtschaftswissenschaften immer verhasst war, der aber hin und wieder an seiner eigenen Wahrheitssuche verzweifelte.
“Schumpeter für jedermann” ist der zweite Band einer in Entstehung befindlichen Reihe “Ökonomen für jedermann” aus dem Buchverlag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Zuerst erschien vor gut zwei Jahren – Vorsicht: Jetzt kommt Eigenwerbung! – mein “Keynes für jedermann“, der ursprünglich noch gar nicht als Bestandteil einer Reihe konzipiert, sondern vor allem eine Reaktion auf die Wiederentdeckung Keynes’ in der Finanzkrise war. Zwei Bände machen keine Reihe, mag man mit gutem Grund einwenden. Nun: Ein dritter Band, “Adam Smith für jedermann”, steht in Aussicht.
Heinz D. Kurz / Richard Sturn: Schumpeter für jedermann. Von der Rastlosigkeit des Kapitalismus. Frankfurter Allgemeine Buch. Frankfurt 2012. 258 Seiten. 17,90 Euro
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