Wer das Klima schützen will, darf nicht nur die Verbraucher im Westen besteuern. Wichtiger sind die Ölproduzenten in Arabien.
Von Philip Plickert
Kaum ein Volk ist bereit zu so hohen Opfern für den Klimaschutz wie die Deutschen. Mit fast schon religiösem Eifer dringen sie darauf, Emissionen von Kohlendioxid (CO2) einzusparen. Auch innerhalb der Europäischen Union fordern sie besonders ambitionierte Ziele zur CO2-Verminderung. Europa steht aber recht isoliert da mit diesem Streben. Weder die Vereinigten Staaten noch Schwellenländer wie China sind bereit, in vergleichbarem Maße mitzuziehen und ihre Industrie zu belasten.
Ökonomen warnen seit langem, dass nationale oder europäische Alleingänge nutzlos seien. Sie führten zu einer Verlagerung der Emissionen in andere Länder und Erdteile. Dies betonen auch die Wirtschaftsprofessoren John Hassler und Per Krusell von der Universität Stockholm in einer soeben vom National Bureau of Economic Research veröffentlichten Studie (“Economics and Climate Change: Integrated Assessment in a Multi-Region World”, NBER Working Paper No. 17757, Januar 2012). “Eine einzelne Region wie die EU kann sich selbst Steuern auf ihren Ölverbrauch auferlegen, aber das hätte bloß umverteilende Wirkung – es gäbe einen aggregierten Effekt von null. Es gäbe ein perfektes Leck und überhaupt keine Veränderung für das Klima.”
Bemerkenswert an der Studie von Hassler und Krusell, die auf bekannte makroökonomische Modelle von William Nordhaus zurückgreifen, ist, dass sie extrem pessimistische Klimaergebnisse auch dann errechnen, falls sämtliche ölverbrauchenden Regionen der Welt einheitliche Verbrauchsteuern einführen würden. “Steuern auf Ölverbraucher haben keinen Effekt, nur Steuern auf Ölproduzenten können das Klima verbessern”, lautet ihr brisantes Ergebnis. Hohe Steuern auf Verbraucher senkten zwar deren Nachfrage und damit den Weltmarktpreis für Öl. Die Reaktion der Ölproduzenten, die vor allem in Arabien sitzen, führe jedoch dazu, dass die Fördermenge nicht sinke. Folglich werde genauso viel fossiles Öl produziert, verkauft und verbrannt. Die globalen Emissionen blieben so hoch wie in einem Szenario ohne Steuern.
Einzig eine Steuer auf die Ölproduzenten hätte nach der theoretischen Berechnung von Hassler und Krusell einen nennenswerten Effekt auf die Förderung und damit die Emissionen. Die Steuer – in Form eines Importzolls auf Erdöl – müsste mit der Zeit sinken, so dass es für die Ölproduzenten attraktiv wäre, ihre Verkäufe zu verzögern, weil sie so ihre Erlöse steigern könnten. Sie lassen ihr Öl im Boden und warten, bis die Steuer sinkt.
Die Studie erscheint aus verschiedener Sicht angreifbar, wie Hassler und Krusell zugeben. Ihre Rechnung basiert auf einem jener makroökonomischen Modelle mit “dynamisch-stochastischen allgemeinen Gleichgewichten”, die stark vereinfachte Annahmen zum rationalen Verhalten der Produzenten und Konsumenten machen. Diese Modelle stehen deshalb in der Kritik. Zudem könnten liberale Ökonomen einwenden, dass ein Weltwirtschaft-Weltklima-Modell, das die Handlungen von Milliarden Menschen zu berechnen und zu lenken vorgibt, eine “Anmaßung von Wissen” (Hayek) darstellt. Zweifelhaft niedrig ist der verwendete Diskontfaktor von 1,5 für künftige Klimaschäden, die zudem recht simpel mit einer proportionalen CO2-Funktion abgebildet werden.
Dennoch sind die Ergebnisse bedenkenswert. Einige Ökonomen warnen davor, in der Klimadebatte die Angebotsseite für fossile Energieträger zu ignorieren. Hans-Werner Sinn, der Präsident des Ifo-Instituts, hat wichtige Argumente in seinem Buch “Das grüne Paradoxon” zusammengefasst. Seine These lautet: Nicht deutsche oder europäische Politiker bestimmten die Emissionsmenge, sondern arabische Ölscheichs, russische Gaspotentaten und Kohlebarone. Ihr Angebot lege den Weltverbrauch fest, nicht umgekehrt. Und wenn sie steigende Steuern erwarteten, würden sie den Abbau fossiler Energieträger beschleunigen.
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