Fazit – das Wirtschaftsblog

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Es rumort im DIW

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung steht unter der starken Hand von Bert Rürup. Der will aufräumen, doch verprellt er dabei wichtige Wissenschaftler. Immer drängender wird die Frage: Wer wird nächster Chef im DIW? Von Philip Plickert

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung steht unter der starken Hand von Bert Rürup. Der will aufräumen, doch verprellt er dabei wichtige Wissenschaftler. Immer drängender wird die Frage: Wer wird nächster Chef im DIW?

Von Philip Plickert

Es brodelt hinter den dicken grauen Mauern des DIW in Berlin, dem ältesten und größten Wirtschaftsforschungsinstitut Deutschlands, das aber wegen der laufenden Evaluierung und der bislang vergeblichen Präsidentensuche unter Druck steht. „Das ist ein richtiger Saftladen” – zu diesem Ausruf lässt sich ein angesehener Wissenschaftler hinreißen, der dem Institut nahesteht, doch nicht namentlich genannt werden will. Anlass für die deftige Kritik ist der Versuch des Vorstandes und des Kuratoriumsvorsitzenden Bert Rürup, den Leiter der Abteilung Entwicklung und Sicherheit, Tilman Brück, zu schassen.

Bild RürupIn einem Brief an den Vorstand schreibt Oberaufseher Rürup (Foto: dpa), Brück sei zwar wissenschaftlich hervorragend, doch seien seine Themen „randständig”. Der Vorstand und Rürup hätten lieber eine weithin sichtbare Abteilung Weltwirtschaft statt der „Economics of Security”, also der Forschung über Krieg und Frieden aus ökonomischer Sicht, die Brück macht. Der DIW-Vorstandsvorsitzende Gert Wagner verweist explizit auf die Satzung: Dort steht nichts von Sicherheitsökonomie, dafür wird prominent die Weltwirtschaft genannt – und die Forschung darüber ist im DIW derzeit noch ausbaufähig.

Nach dem Auslaufen von Brücks Vertrag 2014 könne desseb Abteilung einfach geschlossen werden, meinte Rürup. „Jetzt hauen sie einen der Besten raus”, schimpft dagegen ein Mitglied des wissenschaftlischen Beirats. Doch scheint sich die Geschäftsführung des DIW geirrt zu haben, denn Brück hat einen unbefristeten Abteilungsleitervertrag. Rürup wehrt sich gegen den Vorwurf, er habe seine Kompetenzen überschritten und agiere nach “Gutsherrenart”. “Das ist alles Blödsinn”, sagt er der F.A.Z. “Ich habe nichts gegen Tilman Brück und schätze den wissenschaftlichen Wert seiner Arbeit, sehe aber, dass sie nicht im Fokus des DIW steht”, sagt Rürup.

Bild BrückTatsächlich sind es ungewöhnliche Themen, die der Entwicklungsökonom Brück (Foto: DIW), Jahrgang 1970, beackert. Zum Beispiel forscht er über Erfolg und Misserfolg des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan, über Konflikte in Kirgistan, Landwirte in Mozambique und Armut in der Ukraine. Vergangenes Jahr hat er ein ganzes Sonderheft über Terrorismus im renommierten „European Journal of Political Economy” herausgeben. Allein das spricht für sein internationales wissenschaftliches Ansehen. Die Abteilung von Brück, eine von neun Abteilungen im DIW, trage rund ein Viertel der Publikationen in wissenschaftlich referierten, hochrangigen Zeitschriften bei, obwohl sie mit knapp 20 Mitarbeitern nur ein Zehntel des Institutspersonals von rund 200 ausmacht, betonen seine Freunde. Auch die Umwelt- und Ressourcenabteilung sowie die Makroabteilung publizierten recht gut, sagen DIW-Kenner; weniger Veröffentlichungen kommen aus den politiknahen Abteilungen, die Rürup wegen ihrer Beraterqualitäten schätzt.

Peinlich für das DIW: Die internen Querelen um die Brück-Abteilung wurden just vor einer Woche öffentlich, als von der Leibniz-Gemeinschaft eine Gruppe Evaluatoren das Institut in der Mohrenstraße durchleuchtete. Um 8.30 Uhr startete die Begehung, kurz zuvor lief der Rürup-Brief durchs Internet. Natürlich waren die Wissenschaftler etwas irritiert, die DIW-Belegschaft verunsichert. Für das Institut steht viel auf dem Spiel: Von der Bewertung durch die Leibniz-Gemeinschaft hängt die weitere gemeinsame Förderung durch den Bund und das Land Berlin ab. Die öffentliche Hand trägt rund 14 Millionen Euro zum 21-Millionen-Budget des DIW bei. Wie aus dem DIW zu hören ist, haben interne Probeevaluierungen einige Schwachstellen offenbart. “Wir sehen den Empfehlungen der Kommission insgesamt gelassen entgegen”, schreibt der DIW-Vorstand im internen Newsletter an die Mitarbeiter. Eine Empfehlung an die gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern wird der Senat der Leibniz-Gemeinschaft wohl erst im Frühjahr nächsten Jahres abgeben.

Gert WagnerDas DIW erscheint derweil innerlich zerrissen. Von einer „Atmosphäre der Angst” berichten Mitarbeiter – doch Rürup spielt die Probleme herunter. Auf der einen Seite stehen jene, die vom alten Präsidenten Klaus Zimmermann protegiert wurden. Dieser wurde Anfang 2011 aus dem Institut gedrängt, nachdem er wegen seines Finanzgebarens und Führungsstils am Pranger stand. Nach langen Ermittlungen wegen angeblicher Steuergeld-Verschwendung hat die Staatsanwaltschaft Berlin jüngst mitgeteilt, es bestehe kein Verdacht mehr gegen ihn. Zimmermann hatte das DIW, das lange gewerkschaftsnah war, in die politische Mitte gerückt. Sein Nachfolger Gert G. Wagner (Foto: dpa), ein SPD-Mitglied, hat das Institut wieder auf einen linkeren, sozialpolitischeren Kurs getrimmt. Verteilungsfragen stehen im Vordergrund, auch eine keynesianische Färbung ist gewünscht. „Es gibt ein ziemliches Rechts-links-Gezerre”, berichtet einer der Wissenschaftler. Das eher rechte „Zimmermann-Lager” und die eher linken Ökonomen und Sozialwissenschaftler beäugen sich gegenseitig misstrauisch. Über allen aber thront der Kuratoriumsvorsitzende Rürup, der mit allen Wassern gewaschener Politikberater und Wissenschaftsmanager, der so deutlich wie noch kein anderer DIW-Aufseher zuvor die Fäden zieht.

Die Rolle des Kuratoriums war denn auch einer der Hauptkritikpunkte, die bei der Begehung der Leibniz-Evaluatoren angesprochen wurden. Wie es sein könne, dass das Kuratorium, ein politisch gefärbtes Gremium, in dem Vertreter von Ministerien, eine ehemalige SPD-Bildungsministerin und andere Nicht-Wissenschaftler sitzen, im DIW so viel Einfluss auf die Richtung der Forschung, über Projekte und Personalentscheidungen ausübt. „Die Governance Struktur wurde von den Evaluatoren stark kritisiert”, ist aus dem DIW zu hören. In dieser Richtung äußerte sich nach Informationen dieser Zeitung etwa der Ökonom Achim Wambach von der Universität Köln bei der Begehung. Wambach wollte sich auf Nachfrage nicht dazu äußern. Doch das Unbehagen über das Hineinregieren des politischen Kuratoriums in die DIW-Forschung ist verbreitet.

„Die große Frage wird sein, wer überhaupt unter Rürup den Chefposten übernehmen will”, sagt ein DIW-Kenner. Er spielt damit auf die mühsame Suche nach einem Nachfolger für Gert Wagner als Vorstandsvorsitzenden an. Dessen Vertrag läuft Ende dieses Jahres aus. Bislang haben sich auf eine Stellenanzeige für den DIW-Chefposten nur eine handvoll Wissenschaftler gemeldet, darunter der Makroökonom Ansgar Belke von der Universität Duisburg-Essen, Daniel Gros vom Brüsseler Think Tank CEPS, der Volkswirt Marcel Fratzscher von der Europäischen Zentralbank und der Wirtschaftsprofessor Hans Peter Grüner von der Uni Mannheim, wie dieses Blog als erster berichtet hat. Als weitere Kandidatin ist inzwischen die Züricher Umweltökonomin Renate Schubert dazugekommen. Gelegentlich wird auch der Politikwissenschaftler Hendrik Enderlein, wie Rürup SPD-nah, in Gesprächen genannt.

Aber all diese Kandidaten sollen bei Rürup noch keine große Begeisterung ausgelöst haben. Bei zwei weiteren Schwergewichten, dem Berliner Makroökonomen Michael Burda und der Tübinger Makroökonomin Claudia Buch, jüngst erst in den Sachverständigenrat berufen, kommt er offenbar auch nicht weiter. Burda sei ein Wackelkandidat, weil er schon zweimal wichtige Posten – einmal im Sachverständigenrat und dann im Kieler Institut für Weltwirtschaft – ausgeschlagen hat. Und Claudia Buch scheint vorerst ausgebucht. Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums haben signalisiert, dass sie sich nun zunächst mal auf ihre Tätigkeit im Rat der „Wirtschaftsweisen” konzentrieren solle.

„Zum Schluss steht Rürup ohne vorzeigbaren Kandidaten da”, meint einer seiner Kritiker. Für Top-Kandidaten sei das DIW nicht besonders attraktiv, weil ihnen zu wenig Spielraum gelassen werde. Der neue Präsident werde “eingemauert”. „Da werden unter der Übergangsführungsmannschaft viele Strukturen und Personen festgelegt”, heißt es. Bei Einigen in der Mohrenstraße verfestigt sich der Verdacht, dass am Ende gar Gert Wagner trotz aller Dementi den Posten behält. Aus dem Übergangschef könnte eine Dauerlösung werden.

 

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