Von Rainer Hank
Nichts ist so spannend wie die Zahlen auf der Website der Bundesbank, behauptet der geschätzte Kollege Mark Schieritz im „Herdentrieb”.
Und dann zeigt er uns den Chart der deutschen Staatseinnahmen, die von 1950 bis Mitte der siebziger Jahre steil ansteigen, dann aber mehr oder weniger auf demselben Niveau verharren.
Was lernen wir daraus? Der Leviathan sei halbtot, sagt Schieritz. Der Staat sei gar nicht so gefräßig – unrecht hätten jene Leute, die sagen, der fette Staat hole sich immer mehr Geld von seinen Bürgern.
Das ist eine ziemlich billige Argumentation. Hätte Schieritz länger auf der Seite der Bundesbank verweilt, hätte er gesehen, dass die stagnierenden Einnahmen den Ausgabenhunger des Staates nicht gemäßigt haben. Denn die Ausgaben sind weiter gestiegen und erst dort verharrt. Die Differenz hat der Staat sich einfach am Kapitalmarkt geholt – kein Wunder, dass exakt ab Mitte der siebziger Jahre die Staatsverschuldung enorm steigt. Womöglich liegt das daran, dass z.B. seit dieser Zeit die Besteuerung von Kapital schwieriger geworden ist, der Leviathan zwar weiter gefräßig blieb, es aber nicht mehr so leicht hatte, an seine Beute zu kommen. Politökonomisch könnte man auch vermuten, dass der Staat einfach zu feige war, den Bürgern reinen Wein einzuschenken. Allemal ist es netter, mit dem Geldausgeben zu protzen und wichtige Wählergruppen zu befriedigen, die Finanzierung aber zu verschleiern (Musgraves „fiskalische Ilusion”).
Die beste Art der Verschleierung ist aber die Staatsverschuldung: den Preis zahlen spätere Generationen, die sich, weil noch gar nicht geboren, nicht wehren können (eine besonders perfide Art des Paternalismus). So argumentiere ich im übrigen auch in meinem „Pleite-Buch”. Schieritz’ Kurve zeigt also, ganz im Gegenteil, nicht einen zahm gewordenen Staat, sondern einen feige gewordenen Staat. Wohin die dramatische Staatsverschuldung führt, das erleben wir derzeit in der Euro- und Staatsschuldenkrise.
Schieritz fragt: „Hat jemand den Leviathan gesehen?”. Ich antworte: „Ja. Ich.” Und biete zum Beweis die beiliegenden Charts. Wenn schon Bundesbankzahlen, dann aber richtig.
Dank an Gerrit Koester, EZB.
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