Ökonomen zeichnen den Züricher Forscher Felix Kübler mit dem renommierten Gossen-Greis aus.
Von Philip Plickert
Felix Kübler schmunzelt, als eines seiner erfolgreichsten Forschungspapiere genannt wird, dessen Titel so nach mathematischem Fach-Chinesisch klingt, dass wohl nicht allzu viele im Hörsaal etwas damit anfangen können. Auch der Laudator stolpert ein wenig über die Begriffe. Aber die komplizierte Forschung hat Kübler soeben einen begehrten Preis eingebracht. Am Montagabend hat Kübler den renommierten Gossen-Preis des Vereins für Socialpolitik erhalten. Der VfS ist die Vereinigung der deutschsprachigen Ökonomen, sie hält gerade mit mehreren hundert Professoren und Nachwuchswissenschaftler ihre Jahrestagung in Göttingen ab.
Der 42 Jahre alte Professor, der an der Universität Zürich lehrt, erhält den renommierten Preis, der an jüngere Wirtschaftswissenschaftler (unter 45 Jahre) vergeben wird, die sich durch besonders starke Forschung und international beachtete Publikationen hervortun. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert. Benannt ist er nach Hermann Heinrich Gossen (1810 bis 1858), der in Deutschland der wichtigste Vordenker der Grenznutzentheorie war. Das klang damals vielen abstrakt, doch war die Theorie hoch relevant. Genauso abstrakt klingt die Forschung von Kübler, doch auch sie hat hohe Relevanz: Etwa Arbeiten über die Stabilität von Finanzmärkten, die Überschuldung von Hausbesitzern oder verschiedene Rentensysteme.
Michael Burda, der Vorsitzende des VfS, war des Lobes voll für den Preisträger. Durch seine Forschung habe Kübler „die wissenschaftlichen Horizonte auf dem Gebiet der allgemeinen Gleichgewichtstheorie, der numerischen Analyse von komplexen Modellen und der Finanzmarktökonomik erheblich erweitert”, heißt es in der Begründung des Preises an den gebürtigen Bochumer. Küblers Forschung bezeuge den Nutzen mathematischer Wirtschaftstheorie für so unterschiedliche Felder wie die Analyse von makroökonomischen Gleichgewichten, staatlicher Rentenversicherung und der Bewertung von Wertpapieren bei unvollkommenen Marktbedingungen.
In seinem kurzen Dankesvortrag stellte Kübler den VfS-Mitgliedern sein Modell zu den überschuldeten Hausbesitzern vor. „Die Idee ist zu erklären, was am amerikanischen Häusermarkt passiert ist”, erläuterte Kübler gegenüber der F.A.Z. Erst hatten sich die Amerikaner hoch verschuldet, um Häuser zu kaufen, dann waren sie nach dem makroökonomischen Schock gezwungen, ihre Häuser zu veräußern; die Preise kollabierten und die Hypothekenschuldner verarmten. Kübler stellt in einem, wie er sagt, „recht einfachen Modell” mithilfe einer allgemeinen Gleichgewichtsanalyse die These auf, dass ein Marktversagen vorliege. Wären die Bürger gesetzlich gehindert, sich so hoch zu verschulden, dann wäre eine „Pareto-Verbesserung” möglich – das heißt, der Nutzen aller wäre gestiegen.
Zur Ökonomie ist Kübler auf einem Umweg gekommen. „Eigentlich wollte ich Mathematik studieren und habe auch an der Fernuniversität Hagen angefangen”, erzählt er. „Dann aber habe ich gemerkt, dass reine Mathematiker zu den realen Problemen der Welt relativ wenig zu sagen haben.” Das war, als er seinen Zivildienst machte. „In der Bahnhofsmission in Frankfurt, das war ziemlich heftig”, sagt er. Kurze Zeit studierte er in Frankfurt dann Philosophie, doch die Belesenheit der Philosophen erschreckte ihn. Auch Soziologie überzeugte ihn nicht. „VWL war das einzige, was ich gut verstanden habe”, erzählt er lachend. In Bonn, das für seine mathematisch-formale VWL-Ausbildung bekannt und berühmt ist, hat Kübler sein Diplom gemacht. Zur Promotion ging er an die Yale-Universität.
Es folgte eine rasante akademische Karriere in den Vereinigten Staaten, Deutschland und der Schweiz. Erst lehrte er als Assistant Professor in Stanford, dann übernahm er bis 2006 einen Lehrstuhl in Mannheim, wechselte dann wieder nach Amerika, an die University of Pennsylvania, bis er 2008 Professor für Finanzökonomik an der Universität Zürich wurde. „Viermal hat Kübler den Atlantik professionell überquert”, sagte Burda. Das sei ein gutes Beispiel für die Internationalisierung der Wissenschaft.
In der Öffentlichkeit ist Kübler bislang kaum aufgetreten. Mit seinen Publikationen hat er es aber in die angesehensten Fachzeitschriften geschafft. Insgesamt 30 Aufsätze hat er seit dem Jahr 2000 veröffentlicht, zudem ist er Herausgeber des „Journal of Mathematical Economics”. Eines seiner Papiere über die Wohlfahrtseffekte der Einführung einer umlagefinanzierten Rente wurde schon 133-mal zitiert, hebt Burda hervor.
Demnächst erscheint ein Aufsatz von Kübler und zwei Kollegen in der „American Economic Review” mit der These: Unter bestimmten Umständen können Staatsanleihen zu sogenannten „Giffen-Gütern” werden – das heißt, sie sind ein „inferiores Gut” (von dem die Menschen weniger wollen, wenn ihr Einkommen steigt), nach dem die Nachfrage aber steigt, je höher der Preis steigt (statt wie bei normalen Gütern zu sinken). „In den Vorlesungen ist es immer schwierig, den Studenten ein Giffen-Gut zu erklären”, sagt Kübler. In vielen Lehrbüchern werden als Beispiel die Kartoffeln in Irland erwähnt (arme Leute mussten ihre Ernährung ganz auf Kartoffeln umstellen, obwohl der Preis stieg, weil ihr Einkommen zu nichts anderem mehr reichte). Man könne zeigen, dass auch Staatsanleihen solche Giffen-Güter seien, sagt Kübler. Die Debatte, ob sich bei Staatsanleihen inzwischen eine Preisblase gebildet habe, hält er indes für verfehlt. Das Wort Blase gehöre „zu den am häufigsten missbrauchten Wörtern in der populären Presse”, sagte er vor zwei Jahren – und bleibt auch heute bei dieser Meinung.
In die Politikberatung zieht es ihn nicht. „Das mag zwar arrogant klingen, aber was ich mache, ist doch ziemlich hoch”, sagte er. Gemeint ist wohl: Politiker verstehen es nicht. Schön fände Kübler es aber, wenn diejenigen, die Politikberatung machten, seine Papiere läsen.