Das iPhone 5 wird zum Wachstumsmotor für die Vereinigten Staaten. Das jedenfalls meint der amerikanische Chefvolkswirt von J.P. Morgan Chase, Michael Feroli.
Von Patrick Welter
Die „Fanboys” des Elektronikherstellers Apple sind im Premierenfieber. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird das amerikanische Kult-Unternehmen an diesem Mittwoch das neue iPhone 5 vorstellen, mit einem größeren Bildschirm und anderen technischen Novitäten. Auch den Bankanalysten und den Anlegern an den Finanzmärkten eröffnen die Produktvorstellungen von Apple üblicherweise eine Sternstunde. Selbst das schwache Wirtschaftswachstum könnte einen kräftigen Schub erhalten.
Das zumindest meint Michael Feroli, der Chefökonom des amerikanischen Bankhauses J.P. Morgan Chase. Er kommt in einer kurzen Ausarbeitung zum Schluss, dass die Markteinführung des iPhone 5 das amerikanische Wachstum im vierten Quartal um rund 0,25 bis 0,5 Prozentpunkte steigern könne. Bei einer Wachstumsrate, die Feroli und Volkswirte anderer Banken auf rund 2 Prozent schätzen, ist das beileibe nicht wenig. Das iPhone, 2007 bei der Markteinführung noch als erlösendes „Jesus-Phone” verspottet, wäre einer der Wachstumsmotoren Amerikas – obwohl es in China gefertigt wird.
Für europäische Leser muss man die Wachstumszahlen umrechnen. Im Gegensatz zu den Amerikanern, die quartalsweise Wachstumsraten auf ein Jahr hochrechnen, verzichten die europäischen Statistiker auf diese Annualisierung. Ein Zuwachs von 0,25 bis 0,5 Prozent in der amerikanischen Rechnung entspricht in der europäischen Rechnung einem Plus von 0,06 bis 0,13 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Zum Vergleich: Die EU-Wirtschaft schrumpfte im zweiten Quartal um 0,1 Prozent. Ein europäisches iPhone wäre da gerade recht gekommen. Aber Nokia, das in seinen Hochzeiten mehrere Prozentpunkte zum finnischen Bruttoinlandsprodukt beisteuerte, läuft im Wettbewerb um die Mobiltelefone nur noch unter ferner liefen.
Ferolis Rechnung erscheint wagemutig. Er selbst schreibt, dass die Schätzung „recht hoch” erscheint. Das liegt nicht an der Annahme, dass Apple noch bis Jahresende von dem iPhone 5 rund 8 Millionen Stück in den Vereinigten Staaten verkaufen wird. Solche Erfolge sind Apple trotz der scharfen Konkurrenz durch das koreanische Unternehmen Samsung zuzutrauen. Immerhin ist das iPhone in den Vereinigten Staaten aus dem Straßenbild nicht mehr wegzudenken.
Unbedenklich sind auch die Annahmen über die noch unbekannten Verkaufspreise: Danach würde Apple das iPhone 5 für 600 Dollar an die Telefongesellschaften verkaufen und striche – abzüglich der chinesischen Herstellungskosten – eine Handelsmarge von rund 400 Dollar je Gerät ein. Das entspricht in etwa den bisherigen Preisen und Kosten. So errechnet Feroli ein Plus des Bruttoinlandsprodukts um 3,2 Milliarden Dollar (oder – auf ein Jahr hochgerechnet – von 12,8 Milliarden Dollar).
Problematisch aber an der Studie ist, dass der Ökonom auf ein singuläres Produkt abstellt und gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge vernachlässigt. Es stimmt zwar, dass im Oktober 2011, als Apple das Vorgängermodell iPhone 4S einführte, der Einzelhandelsabsatz – saisonal bereinigt – um starke 0,8 Prozent gegenüber dem Vormonat wuchs. Mehr als die Hälfte davon ging auf den Internethandel und Computergeschäfte zurück, die Hauptvertriebswege des iPhones. Insoweit deutet einiges darauf hin, dass das iPhone auch ein Wirtschaftswunder ist. Feroli hält seine „recht hohe” Wachstumsschätzung darob für plausibel.
Doch blendet er aus, dass die Verbraucher ihre Dollar nur einmal ausgeben können. Wie sehr die Amerikaner an anderer Stelle sparen, um sich ein neues iPhone zu leisten, ist offen. Auch kann nur spekuliert werden, ob die Verbraucher an ihr Erspartes gehen und mehr konsumieren, um ein neues iPhone zu finanzieren. Im Oktober 2011, anlässlich der Markteinführung des iPhone 4S, jedenfalls stieg die Sparquote der privaten Haushalte anstatt zu fallen. Ebenso wie Ferolis Zahlen freilich ist das nur ein Indiz und kein Beleg.