Boni wirken auch in der Schule und steigern die Mathe-Leistungen. Aber nicht bei jedem.
Von Lisa Nienhaus
Ök onomen glauben an die Macht des Geldes oder der, wie sie es nennen, “monetären Anreize”. Sie glauben so sehr daran, dass sie Geld mittlerweile auch in Gebieten einsetzen, denen solche Belohnungen bisher noch fremd sind – und gucken, was passiert. Geld für das regelmäßige Erscheinen in der Schule oder für gute Noten. Geld dafür, dass man an Raucher-Entwöhnungs-Treffen teilnimmt oder Blut spendet. Geld also, kurz gefasst, um uns zu besseren Menschen zu machen: gebildeter, klüger, gesünder, freigiebiger und einfach netter.
Doch funktioniert das überhaupt? In vielen Fällen ja, stellen die Forscher Uri Gneezy, Stephan Meier und Pedro Rey-Biel fest. Sie haben eine Reihe solcher Studien in einem Aufsatz für das Journal of Economic Perspectives zusammengefasst und zeigen: Mit Geld kann man eine Menge erreichen – auch an scheinbar geldfernen Orten wie etwa der Schule.
Besonders effektiv klappt das, wenn die Ziele relativ einfach sind. Wenn es etwa darum geht, schlicht Anwesenheit in den Klassenräumen herbeizuführen. In Mexiko bekamen Familien, die ihr Kind zur Schule schickten, im Rahmen des Programms PROGRESA 55 Dollar pro Monat (mehr als ein Fünftel des durchschnittlichen Familieneinkommens). Das führte dazu, dass Kinder früher eingeschult wurden, bessere Noten hatten, seltener die Schule ohne Abschluss verließen und häufiger zur weiterführenden Schule wechselten. Zudem erhielten auch ihre Geschwister eine bessere Schulbildung, obwohl es für sie kein zusätzliches Geld gab.
Auch in Versuchen an Schulen in Amerika zeigte sich: Geldanreize funktionieren, wenn sie ein klares Ziel haben, von dem jedem klar ist, wie man es erreicht. So wirken sie schnell, wenn es darum geht, dass Schüler pünktlich kommen oder ihre Schuluniform tragen sollen.
Wenn die Ziele komplizierter zu erreichen sind, wird es schwieriger. Etwa, wenn man Geld dafür auslobt, dass Schüler gute Noten schreiben. Dann erreicht man nicht immer das, was man eigentlich wollte. Ein Beispiel dafür liefert Eric Bettinger. Der Forscher aus Stanford untersuchte an Grundschulen in Ohio, welchen Effekt es hat, wenn Schüler für gute Noten Geld bekommen. Die Schüler erhielten bis zu 100 Dollar. Bettinger stellte fest: Die Geldanreize führten dazu, dass Mathematik-Leistungen sich verbesserten, jedoch nicht bei allen, sondern nur bei den Schülern, die sowieso schon zu den Besten gehörten. Auf die Schlechteren wirkte es nicht leistungssteigernd.
Eine andere Studie mit Studenten an der Amsterdamer Universität kam sogar zu dem Ergebnis, dass Geldanreize für bestandene Prüfungen bei schlechten Studenten negativ wirkten. Sie hatten schlechtere Noten als zuvor, während die Guten deutlich besser wurden. Eine Interpretation ist, dass dies daran liegt, dass die Guten wissen, wie sie besser werden, während den Schlechteren nicht klar ist, welchen Weg sie einschlagen müssen, um bessere Noten zu bekommen.
Gneezy, Meier und Rey-Biel finden es “etwas enttäuschend”, dass es offenbar so schwierig und auch so teuer ist, gute Schulleistungen mit Geld zu erzeugen. “Es ist nicht sicher, dass diese Programme die beste Rendite für das eingesetzte Kapital liefern”, schreiben sie. Zudem monieren sie, dass noch zu wenig geforscht wurde, ob sich die Noten der Guten langfristig bessern – auch wenn kein Geld mehr gezahlt wird.
Sie sind da zu Recht skeptisch. Denn Experimente in anderen Bereichen zeigen: Effekte verschwinden schnell, wenn der Geldanreiz weg ist. So zeigten Forscher, dass es mehr Menschen schaffen, sich das Rauchen abzugewöhnen, wenn sie Geld dafür bekommen, dass sie regelmäßig an einem Entwöhnungsprogramm teilnehmen. Später verschwindet der Effekt aber. Langfristig rauchen die Menschen wieder so viel, als hätte es den Geldanreiz nie gegeben.
Und wenn es ganz schlecht läuft, dann führt das Geld sogar dazu, dass die Menschen das Gegenteil davon tun, was man wollte. Die ursprüngliche innere Motivation, etwas zu tun, versiegt, weil es ja plötzlich doch nur um eine schnöde bezahlte Tätigkeit geht. Ein einleuchtendes Beispiel dafür erfinden die Autoren selbst: “Stellen Sie sich vor, Sie treffen eine attraktive Person und nach kurzer Zeit sagen Sie ihr: “Ich mag Sie sehr und hätte gern Sex mit Ihnen.” Alternativ stellen Sie sich die gleiche Situation vor, aber nun sagen Sie: “Ich mag Sie sehr, hätte gern Sex mit Ihnen – und, um Ihnen das zu versüßen, bin ich außerdem bereit, Ihnen 20 Dollar zu zahlen.” Nur eine ganz bestimmte Sorte Ökonom würde erwarten, dass ihr Partner im zweiten Szenario glücklicher wäre.”
Interessant werden diese Ergebnisse, wenn man sie auf Bereiche überträgt, in denen Geldanreize normal sind: auf den Arbeitsmarkt oder die Beziehungen eines Unternehmens zu seinen Zulieferern. Zunächst sollte man sich gut überlegen, ob eine Tätigkeit tatsächlich Extraanreize braucht oder ob man damit nicht einige Menschen davon abhält, gute Leistungen zu erbringen. Belohnt man etwa Angestellte oder Zulieferer für gute Leistungen mit Boni, so motiviert man damit womöglich nur diejenigen, die sowieso schon gute Qualität liefern. Die anderen werden demotiviert und liefern eventuell sogar schlechtere Qualität ab. Will man die Guten zu Höchstleistungen anstiften, ist es also eine gute Idee, Boni zu zahlen. Die Gesamtleistung steigert man damit aber nicht unbedingt.
Einfacher ist es, wenn es um ein sehr konkretes Ziel geht. Wenn man etwa das Problem hat, dass bestimmte Sitzungen von Mitarbeitern gemieden werden oder Zulieferer ständig zwei Tage zu spät liefern. Hier wirkt Geld für Teilnahme oder Pünktlichkeit höchstwahrscheinlich schnell und löst das Problem.
Es muss allerdings genug sein. Ist die Bezahlung zu gering, könnte es ebenfalls dazu kommen, dass sie rein gar nichts bewirkt. Zudem darf man sie nicht wieder abschaffen, wenn man den Effekt dauerhaft erhalten will. Hier muss man sich fragen, ob das tatsächlich effizient ist oder man nicht für wenig Effekt Geld zum Fenster hinauswirft.
Und zuletzt sollte man nicht vergessen, dass es eventuell sinnvoller ist, andere Anreize zu schaffen: eine lobende Erwähnung des Mitarbeiters in einer E-Mail an alle, ein Preis für den besten Zulieferer, einen Blumenstrauß oder eine Flasche Wein. Denn, denken wir zurück an das Beispiel mit der attraktiven Person, die über Ihr Angebot von 20 Dollar die Nase rümpft. “Wenn Sie der Person hingegen Blumen im Wert der 20 Dollar überreichen, könnten Sie sie tatsächlich glücklicher machen.”
Uri Gneezy, Stephan Meier und Pedro Rey-Biel: “When and Why Incentives (Don’t) Work to Modify Behavior”, in: Journal of Economic Perspectives, Vl. 25, No. 4, Herbst 2011, Seiten 191-210.
Dieser Text ist der Sonntagsökonom der F.A.S. vom 2. September 2012. Die Illustration stammt von Alfons Holtgreve.