Die Deutsche Bundesbank war es gewohnt, sich Forderungen zu widersetzen, ihre Geldpolitik internationalen Absprachen zu unterwerfen. Sie folgte damit dem Ordnungsprinzip der Selbstverantwortung: Wenn alle Zentralbanken (und Regierungen) ihre Hausaufgaben machen, gedeiht die Weltwirtschaft und aufgeregte politische Streitigkeiten über Auf- und Abwertungen halten sich in Grenzen.
Versuche der internationalen Währungsabsprachen wie das Plaza-Agreement 1985 zur Abwertung des Dollar und der Louvre-Accord 1987 zur Stabilisierung des dann abwertenden Dollar erwiesen sich als wenig hilfreich bis schädlich. Japanische Geldpolitiker und Ökonomen klagen noch heute darüber, dass der amerikanische Druck zur lockeren Geldpolitik, dem Japan unvorsichtigerweise nachgab, die Luftblase am Aktien- und Hausmarkt mit aufblies – deren Platzen Japan dann in die Wirtschaftskrise stürzte. Spätestens seit dieser Episode hat die Idee der internationalen Koordinierung der Geldpolitik an Glanz verloren und die Notenbanken machten, was sie im Eigeninteresse für richtig hielten. Auch theoretische Arbeiten zeigten, dass der Zugewinn aus einer Koordinierung der Geldpolitik gering war.
Im Rückblick war das eine glückliche Zeit, die Ökonomen heute als die „große Moderation” oder die große Mäßigung bezeichnen. Große Inflationssorgen gab es nicht und die Wirtschaften wuchsen recht stabil.
Von der „großen Moderation” zur „großen Abweichung”
Dieses goldene Zeitalter ist vorbei. Der amerikanischen Federal Reserve, aber auch der Europäischen Zentralbank wird nicht nur aus Entwicklungsländern vorgeworfen, mit der Politik des billigen Geldes einen Währungskrieg zu inszenieren. Im gleichen Atemzug leben die Forderungen nach einer Koordinierung der Geldpolitik wieder auf – und sie kommen diesmal auch aus der Denkschmiede der Zentralbankwelt, der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel, deren Generaldirektor Jaime Caruana eine international abgestimmte Geldpolitik fordert.
Was hat sich geändert? Für den Stanford-Ökonomen John Taylor liegt der Grund darin, dass die Notenbanken sich von der regelgebundenen und maßvollen Geldpolitik entfernt haben – und zwar nicht nur in den Vereinigten Staaten. In einem Vortrag auf der Jahrestagung der American Economic Association verwies Taylor auf Studien, nach denen auch die Leitzinsen vieler anderer Notenbanken niedrig sind, vergleicht man sie mit den Regeln, die ihre Geldpolitik während der großen Moderation beschrieben. Taylor sprach von der „großen Abweichung” der Notenbanken von ihren gewohnten geldpolitischen Regeln.
Was sind die Gründe dafür? Auffällig ist, dass nach Taylors Angaben die Abweichungen der Geldpolitik anderer Staaten von vorher geltenden Regeln recht synchron mit der Zinsentwicklung in den Vereinigten Staaten verlaufen. Damit liegt es nahe, nach gemeinsamen Ursachen zu suchen. Die Finanzkrise 2007/08, so Taylor, könne aber nicht der Grund sein. Schließlich hatten die Vereinigten Staaten schon 2003 bis 2005 mit der nicht regelkonformen Niedrigzinspolitik begonnen, als die Greenspan-Fed den Zins auf 1 Prozent herabschleuste.
Interdependenz der Geldpolitik
Taylor betonte vielmehr die Abhängigkeiten zwischen den Geldpolitiken verschiedener Länder. Die Niedrigzinspolitik in den Vereinigten Staaten werde anderswo mit niedrigen Zinsen beantwortet, um die Aufwertung der heimischen Währung zu verhindern. Diese Reaktion muss nicht Zeichen eines Abwertungswettlaufs sein, um Exportvorteile zu erlangen. Sie kann auch darin gründen, dass ausländische Zentralbanken die finanzielle Stabilität sichern wollen. Denn eine Zinssenkung in einem großen Land wie den Vereinigten Staaten verlockt heimische Investoren im kleinen Land, sich zunehmend in Dollar-Krediten zu finanzieren. Das erhöht die Risiken für die Finanzstabilität, weil den Dollar-Krediten Erträge in heimischer Währung gegenüberstehen. Ein Weg dem vorzubeugen ist ganz einfach, dass auch die Zentralbank des kleinen Landes ihren Leitzins senkt, wie die Ökonomen Valentina Bruno und Hyun Song Shin auf der AEA-Tagung argumentierten.
Diese Interdependenz der Geldpolitik, fürchtet Taylor, kann sich gegenseitig verstärken und die Zinssätze weiter heruntertreiben als ursprünglich beabsichtigt. All das hört sich theoretisch an, aber nicht nur die Daten, sondern auch manche Zentralbanken geben Taylor direkt recht. So weist die Bank von Norwegen in ihren Berichten ausdrücklich darauf hin, dass ihre geldpolitischen Entscheidungen teils durch die Zinspolitik anderswo beeinflusst werden.
Internationale Koordinierung mag hilfreich sein
Als Folge dieser Entwicklungen sieht Taylor internationale monetäre Ungleichgewichte in der Welt, die im gemeinsamen Interesse behoben werden müssten. „Eine internationale Koordinierung mag sich dabei als hilfreich erweisen”, sagte Taylor. Er denkt dabei nicht an große Vereinbarungen, erklärte der Ökonom auf Nachfrage. Reden aber müssten die Zentralbanken miteinander, alleine schon, weil ja die aufgeblähten Notenbankbilanzen auch mal wieder verringert werden müssten. Das werde gewisse Absprachen bedingen.
Sein Plädoyer für eine solche moderate Koordinierung der Geldpolitik sieht der Stanford-Ökonom nicht als Gegensatz zu der alten theoretischen Erkenntnis, dass eigentlich jede Zentralbank nur ihr Haus in Ordnung halten muß, damit Weltwirtschaft und Währungsordnung gut funktionieren. Geändert hätten sich mit dem Wechsel von der großen Moderation zur großen Abweichung aber die Voraussetzungen, weil die Notenbanken ihre Regelorientierung aufgegeben hätten.
Hinter Taylors Analyse steht so unausgesprochen die Hoffnung, dass die Zentralbanken zu mehr geldpolitischer Vernunft zurückkehren werden, wenn sie mehr miteinander sprechen. Anders gesagt: Taylor rät zur internationalen Koordinierung der Geldpolitik als Gruppentherapie.
Weitere Berichte zum AEA Meeting:
Nützliche Umverteilung – Wie die Industrielle Revolution in England entstand
Hat die Unabhängigkeit einer Zentralbank noch einen Sinn?
Ein Überblick über interessante Studien (englisch)
Verstärkt die Globalisierung die Ungleichheit? Ja, aber nicht auf lange Sicht.
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