Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Wenn Ökonomen streiten: Wie entsteht Wohlstand? Acemoglu/Robinson gegen Jeffrey Sachs

Lässt sich die Entstehung und Verbreitung wirtschaftlichen Wohlstands in der Welt monokausal erklären? Daron Acemoglu und James Robinson sagen "ja": Die richtigen politischen Institutionen sind entscheidend. Andere Ökonomen, darunter Jeffrey Sachs, halten eine monokausale Erklärung für unbefriedigend. Kürzlich wurde eine Kontroverse darüber ausgetragen.

Wir haben uns in den vergangenen Monaten in FAZIT ausgiebig mit dem Buch “Why Nations Fail” von Daron Acemoglu und James Robinson befasst. (Eine Übersicht unserer Beiträge ist am Ende dieses Artikels aufgeführt). Die Kernthese des Buches lautet: Die Gestaltung der politischen Institutionen beeinflusst maßgeblich die Gestaltung der wirtschaftlichen Institutionen. Diese wiederum beeinflussen das Niveau des technischen Fortschritts, der wiederum eine entscheidende Einflussgröße für das wirtschaftliche Wachstum darstellt. Acemoglu/Robinson betreiben ein sehr interessantes Blog, in dem sie die Debatte um ihr Buch sowie neue  Erkenntnisse fortschreiben.

“This tale sounds good, but it is simplistic”, schrieb im Herbst 2012 der bekannte Columbia-Ökonom Jeffrey Sachs in einer Rezension für die Zeitschrift “Foreign Affairs”; also einer Publikation, die sich nicht speziell an Ökonomen richtet. Dann legte Sachs richtig los: “Although domestic politics can encourage or impede economic growth, so can many other factors, such as geopolitics, technological discoveries, and natural resources, to name a few. In their single-minded quest to prove that political institutions are the prime driver or inhibitor of growth, Acemoglu and Robinson systematically ignore these other causes. Their theory mischaracterizes the relationship among politics, technological innovation, and growth. But what is most problematic is that it does not accurately explain why certain countries have experienced growth while others have not and cannot reliably predict which economies will expand and which will stagnate in the future.” Sachs stellt unter anderem die Geografie als einen wesentlichen Einflussfaktor für das langfristige Wirtschaftswachstum eines Landes heraus – eine These, die er in seiner eigenen Forschung oft betont hat, die von Acemoglu/Robinson aber abgelehnt wird.

Daron Acemoglu (Foto: privat)

Daron Acemoglu (Foto privat) und James Robinson ließen einige Zeit ins Land gehen, ehe sie in ihrem Blog eine Replik verfassten, an deren Beginn sie Sachs im übertragenen Sinne erst einmal ziemlich rüde mit dem Knüppel auf den Kopf schlugen: “Several people asked us why we haven’t responded to Jeffrey Sachs’s review of Why Nations Fail in Foreign Affairs… We said that thoughtful reviews deserve thoughtful answers. What about not-so-thoughtful ones? Be that as it may. We cave in to pressure. Sachs charges that we are ‘simplistic’ and our argument ‘contains a number of conceptual shortcomings’. But in each case, these are either just stated (and are wrong) or he is criticizing something we haven’t said. The Sachs strategy seems to be to throw a lot of mud, hoping that some of it would stick – did we say that we didn’t think it was quite thoughtful?” Danach befassen sich Acemoglu/Robinson mit einzelnen Kritikpunkten Sachs’, die sie zurückweisen – garniert mit weiteren persönlichen Attacken an die Adresse ihres Gegenspielers.

Dies konnte Sachs natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Auf seine Homepage stellte er eine längere Ausarbeitung, in der er nicht nur an seiner ursprünglichen Kritik festhält, sondern zahlreiche Einwände gegen das wissenschaftliche Grundmodell von Acemoglu/ Robinson. Die Debatte hat eine Reihe interessanter Teilaspekte wie die Frage nach der Bedeutung der Verbreitung von Technologie für den Wachstumsprozess, insgesamt aber geht es um folgende grundsätzliche Diskrepanz:

“We think, and perhaps Sachs disagrees, a framework that says there are 17 factors, each of them hugely important, is no framework at all. The power of a framework comes from its ability to focus on the most important elements at the exclusion of the rest and in doing so in providing a way of thinking about these elements, how they function, how they have come about, and how they change. For us, those elements were related to institutions and politics, and we have focused on them.”
Daron Acemoglu/James Robinson

Das Duell hat Reaktionen in Blogs und auf Twitter (hier nahm Sachs teil) hervor gerufen. Recht interessant ist auch diese Darstellung der Ansätze von Acemoglu/Robinson und Sachs.

 

Eine Überbetonung der Bedeutung politischer Institutionen durch Acemoglu/Robinson thematisiert auch Andrei Shleifer (Harvard) in einer Präsentation auf einem Kongress in Stockholm vor wenigen Monaten. Shleifers Einschätzung lautet zusammengefasst:

“Daron has been pushing forward a critical research agenda
– I am skeptical of over-emphasis on historical determinants of institutions.
– Change is extremely rapid, especially today
– Human Capital is not the only determinant of development and institutions, but it goes a long way in explaining the data.
– Perhaps it is not a coincidence that the enormous institutional improvement we have seen in the last 40 years has coincided with rapid improvement in education.
– Understanding at both macro and micro levels exactly how institutions improve is an open – but totally manageable – problem.”

 

Als Ergänzung ein Video von einer Präsentation Acemoglus Ende November 2012 beim IWF mit anschließender Diskussion. Die besonders interessante Diskussion beginnt bei Minute 42.


Noch eine Ergänzung: Wie moderne Institutionenökonomik am MIT gelehrt wird

Für Professoren und Studenten in Deutschland sowie für all jene, die sich Gedanken darüber machen, ob und wie deutsche Ordnungsökonomik eine Zukunft haben könnte, folgen hier der Plan und das Material für eine Vorlesung über Political Economy of Institutions and Development, die im Frühjahr 2012 von Daron Acemoglu und Benjamin Olken am MIT angeboten wurde. (Dieser Link gibt eine Übersicht.) Institutionen- und Wachstumsökonomik sind eng miteinander verzahnt; wer keine Ahnung von ökonomischer Theoriebildung, Mathematik und Empirie hat, bleibt völlig chancenlos. Im Detail:

Der Plan der Vorlesung und die Literatur

Die Vorlesungsunterlagen (569 Seiten !!!)

 

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“Why Nations Fail” in FAZIT:

1. Eine Rezension (Das Buch erscheint im Frühjahr 2013 im Verlag S. Fischer in deutscher Übersetzung.)

2. Wie die Französische Revolution Teile Deutschlands wirtschaftlich nach vorne brachte

3. Ein Interview mit Daron Acemoglu

4. Henne oder Ei? Hat die alte Modernisierungsthese doch recht?