Der Plan, einen Teil der zyprischen Bankeinlagen zu kassieren und damit die Finanzprobleme Zyperns und seiner Geldhäuser einzudämmen, hat in ganz Europa Empörung ausgelöst. Von Tabu- und Vertrauensbrüchen ist die Rede, wenngleich sich (bisher) weder an den Kapitalmärkten, noch an Bankschaltern außerhalb Zyperns panische Ansteckungseffekte gezeigt haben. Zyperns Parlament hat das Paket gestern Abend ganz abgelehnt.
Tatsächlich ist das vereinbarte Rettungspaket zumal aus Sicht Zyperns ökonomisch wohl das kleinste Übel, wie der Ökonom Jacob Funk Kirkegaard vom Peterson Institut of International Economics gerade dargelegt hat. (Zur Erinnerung: Die Euroländer haben dem Inselstaat Finanzhilfe in Höhe von zehn Milliarden Euro versprochen und von Zypern dafür verlangt, knapp 6 Milliarden Euro aus den Einlagen bei zyprischen Banken einzukassieren und die Unternehmenssteuern um 2,5 Prozent zu erhöhen.)
Natürlich koste es, argumentiert Kirkegaard, die zyprischen Abgeordneten wie auch die Regierung des Landes eine Menge Überwindung und Ansehen. Doch eine (bessere) Alternative ist nicht in Sicht. Jetzt droht Zypern, dass es kein Geld von seinen europäischen Partnerländern bekommt. Dann wären die zyprischen Banken nahezu unmittelbar insolvent – und die Einlagen damit in viel größerem Umfang futsch (wenn überhaupt etwas bleibt). „Das Rettungspaket wird das Parlament letztlich kaum verändert passieren, auch wenn es zunächst aus Ärger ablehnt worden sein mag.“
Kirkegaard führt weiter aus, warum gerade Zypern wenig Anlass hat, sich über fehlende Solidarität der anderen Euroländer zu beschweren. Die zehn Milliarden Euro, welche die Euroländer Zypern leihen wollen, entsprächen ungefähr 57 Prozent der für dieses Jahr prognostizierten Wirtschaftsleistung der Inselrepublik – bezogen auf die Wirtschaftskraft korrespondiere dies mit dem ersten Hilfsprogramm für Griechenland und sei sogar wesentlich größer als die Finanzhilfe, die Portugal und Irland bekommen haben. „Zypern bekommt damit tatsächlich mehr Hilfe als andere unter der Krise leidende Euroländer.“ Der Inselstaat können darüber hinaus keine gewichtigeren Gründe seiner Probleme anführen, die mehr Solidarität rechtfertigten: Zyperns Banken haben schlicht ihre Risiken schlecht kalkuliert und viel zu umfangreich in griechische Staatsanleihen investiert.
Auch der Eigenanteil, den Zypern aufbringen soll, sei nicht außergewöhnlich hoch verglichen mit anderen Programm-Ländern. Er sei äquivalent zu dem 17,5 Milliarden Euro umfassenden Beitrag, den das irische Finanzministerium zusammen mit dem Irish National Pension Reserve Fund hatte aufbringen müssen. „Im Gegensatz zu Irland verfügt Zypern nicht über einen nationalen Pensionsfonds“ – deswegen müsse das Geld eben dort eingesammelt werden, wo es ist: auf den Bankkonten. Genügend ausstehende Anleihen der zyprischen Problembanken gebe es schlicht nicht.
Kirkegaard argumentiert, dass der teilweise Einzug der Bankeinlagen ohnehin aus der Sicht Zyperns vergleichsweise vorteilhaft sei: Die „Steuerbasis“ umfasse so nicht alleine Zyprer, sondern werde über die Bankeinlagen von Russen und anderen Ausländern in dem Land ausgedehnt. Einkassiert werden sollen nach dem Rettungsplan insgesamt 5,8 Milliarden Euro der Bankeinlagen – umgerechnet rund ein Drittel des zyprischen Bruttoinlandsprodukts. Machen ausländische Einlagen die Hälfte davon aus, was (wie die unmittelbare Reaktion des russischen Präsidenten Putin zeigt) keine absurde Annahme sein sollte, würde Zypern Steuern in Höhe von 16 bis 17 Prozent seines BIP aus ausländischen Quellen einnehmen. Entsprechend sinkt die Belastung der Zyprer. „Nicht nur Russen, auch viele Briten werden dann zahlen müssen, wodurch eine negative Rezeption des Rettungsplans in britischen Medien garantiert sein sollte“, schreibt Kirkegaard – was sich bereits bewahrheitet hat.
Schließlich weist Kirkegaard die infolge des Zypern-Rettungsplans geäußerten Sorgen zurück, nun könnten sich womöglich Bankkunden in ganz Europa ihrer Einlagen nicht mehr sicher sein. Zyperns Bankenbranche sei im Vergleich zur Wirtschaftskraft des Landes in einem Maße aufgebläht, die (mittlerweile) in Europa außergewöhnlich ist – nämlich das Sieben- bis Achtfache des BIP. Zugleich gebe es nirgendwo sonst im Verhältnis so wenige Anleihegläubiger und so viele (berechtigte) Sorgen, hier werde Schwarzgeld gerettet. Dies alles mache Zypern zu einer glaubwürdigen Ausnahme.
Kirkegaard stellt bereits in einer vorangegangenen Analyse heraus, dass er sinnvoll findet, dass sich die zyprische Rettung eher am Vorgehen Islands als an Irland orientiert. Island habe vor Ausbruch seiner Krise ein unrettbar großes Bankensystem gehabt, für Zypern gelte das auch. Über die Beteiligung der Einlagen-Kunden (und den wohl folgenden Kapitalabzug) schrumpft das zyprische Bankensystem nun erheblich und nähert sich einem nachhaltig stabileren Niveau an.
Abschließend weist Kirkegaard überdies auf die Rolle der Europäischen Zentralbank hin. Die EZB drohte Zypern damit, die Notliquiditäts-Hilfen für die leidenden zyprischen Banken abzustellen, sollte das Programm abgelehnt werden. Noch im Falle Irlands hielt die EZB die irische Regierung davon ab, Anleihegläubiger in die Rettung der strauchelnden irischen Banken einzubeziehen. Nun habe die Notenbank sogar auf eine Beteiligung besicherter Einlagen gedrängt – Kirkegaard wertet dies als Zeichen dafür, dass die EZB das europäische Bankensystem mittlerweile für merklich stabiler hält als vor drei Jahren. Und dafür, dass sie ihre Rolle als künftiger Bankenaufseher im Euroraum sehr ernst nehmen werde.