Müssen wir uns nach der Zypern-Rettung um unser Geld sorgen? Nein. Nach Zypern bekommt die positive Deutung der Euro-Krise mehr Gewicht. Hier kommen sechs Argumente von einem unerschütterlichen Optimisten, die zeigen: Der Euro ist offenbar schon wesentlich stabiler und die Krise der Währungsunion weiter überwunden als gedacht. Schon gegen Ende des vergangenen Jahres sagten einige, das Schlimmste liege hinter uns. Sie haben wohl recht behalten.
1. Nur eine Woche
Innerhalb von nur einer Woche haben die Eurofinanzminister, die Troika und Zypern ein Rettungsprogramm auf den Weg gebracht, das die zyprischen Sorgen an der Wurzel anpackt und zugleich zeigt, dass Solidarität weiter groß geschrieben wird in Europa: 10 Milliarden Euro Finanzhilfe wird die Insel bekommen, das entspricht beinahe 60 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. So viel Hilfe bekamen im Vergleich weder Irland noch Portugal. Die beiden großen zyprischen Problembanken Bank of Cyprus und Laiki werden grundlegend umstrukturiert beziehungsweise abgewickelt und nicht als Zombie-Unternehmen weitergeführt. Die Kosten dafür tragen substantiell diejenigen, die sie in einer funktionieren Marktwirtschaft immer übernehmen sollten: Erst die Eigentümer (in Form der längst in den Keller gerasselten Aktienkurse), dann die Gläubiger, was im Falle der zyprischen Banken überwiegend die Konteninhaber sind.
Toll, dass das Euroraum-Finanzsystem mittlerweile offenkundig so stabil ist, dass so etwas wieder möglich ist. Es zeigt: Die Ansteckungsgefahren werden infolge der ins Leben gerufenen Rettungsmechanismen (ESM, Stabilitätspakt) und der Maßnahmen der Europäischen Zentralbank heute von den Verantwortlichen wohl für viel geringer erachtet und das Bankensystem insgesamt für merklich stabiler als noch vor drei Jahren.
2. Die beste Lösung
Das nun beschlossene Programm ist für Zypern wie für Europa sogar noch besser als der ursprüngliche, vom Parlament in Nikosia zunächst abgelehnte Plan, einfach flächendeckend Konteninhaber zur Kasse zu bitten. Er belangt nicht alle Banken, sondern gezielt die mit den größten Problemen. Und aus Sicht der Zyprer bleibt ein großer Vorteil: Die finanzielle Last für die eigene Bevölkerung ist durch die Sonderabgabe auf Konten geringer, als sie beispielsweise durch eine höhere Einkommensteuer wäre. Denn viele Konten werden von Ausländern gehalten – die Steuerbasis ist also größer. Für Letztere ist das sicherlich blöd, aber nicht zu ändern. Immerhin haben sie während der Jahre zuvor überdurchschnittliche Zinsen bekommen und dafür eben ein höheres Risiko in Kauf genommen.
Dass die Zyprer selbst einige turbulente Tage benötigten und immer noch mit dem für sie selbst guten Ergebnis hadern, ist verständlich (schließlich ist der kleine Mann nicht derjenige, der die Inselrepublik in das Schlamassel gebracht hat, in dem sie sich heute befindet). Aber das wird vorbeigehen. Die ersten Bilder aus Nikosia, wo gerade die Banken zum ersten Mal seit Mitte März wieder geöffnet haben, sprechen dafür. Verzagen müssen die Zyprer vermutlich ohnehin nicht: Sicher, die kommenden zwei bis drei Jahre werden wahrscheinlich hart. Wenn aber die Erdgasvorkommen vor der Küste nur annähernd so groß sind wie immer wieder berichtet, dann braucht das Land nicht erst lange darüber zu grübeln, womit es künftig Geld verdienen wird außer mit Tourismus und Finanzdienstleistungen.
3. Souveräne Europäer
Die Europäer wiederum haben bloß zwei Wochenendsitzungen gebraucht, um die Leitplanken des Programms unter Dach und Fach zu bringen. Die Souveränität, mit der sie darauf drängten und keine Zweifel daran aufkommen ließen, dass sich auch Zypern wie vorher schon Irland und Griechenland an der eigenen Rettung beteiligen muss, ist beeindruckend. Chaotisch ging es zwischendrin in Nikosia zu. Aber kaum in Brüssel (harte Verhandlungen sind keine Katastrophe, sondern eher ein gutes Zeichen), nicht an Bankautomaten in einem anderen Euroland und auch nicht an den internationalen Finanzmärkten.
4. Ein starker Eurogruppen-Chef
Aus der Sicht von uns unerschütterlichen Euro-Optimisten hat entgegen der zuweilen veröffentlichten Wahrnehmung insbesondere der neue Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem eine gute Figur gemacht. Er sagte nach der Verkündung des Rettungspaketes in einem Interview, die Rettung Zyperns sei ein Modell auch für andere Länder mit einem vergleichsweise großen Bankensystem, sollten sie einmal in Schwierigkeiten kommen. Sicher, er hätte sich sparen können, konkrete Namen wie Luxemburg oder Malta zu nennen – das war kein diplomatischer Geniestreich. Aber in der Sache hat er nur ausgesprochen, was längst innerhalb der EU „Common Sense“ ist, wenn nicht alles trügt: Banken, die pleite sind, werden künftig nicht mehr allumfassend mit Steuergeld am Leben gehalten. Sie werden umgebaut oder abgewickelt, je nachdem, ob es Geschäftseinheiten gibt, die nachhaltig profitabel sind oder eben nicht. Das ist die zweite tragende Säule dessen, woran unter dem Begriff „Bankenunion“ gearbeitet wird: Eine funktionierender Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism), der sich mutmaßlich stark an dem Modell orientieren wird, das die amerikanische Einlagensicherungsbehörde FDIC verwendet.
Übrigens ist Zypern nicht einmal das Labor, auf dem diese Art und Weise der Rettung im Euroraum erstmals ausprobiert wird. Das irische Parlament hat im Februar ein Gesetz verabschiedet, mit dem die Auffanggesellschaft der irischen Bankruinen, die Irish Bank Resolution Corporation, abgewickelt werden soll – inklusive der Möglichkeit, Gläubiger einzubeziehen. Und ein weiteres weniger beeindruckendes Beispiel: In Spanien sind die Aktionäre der Pleitebankengruppe Bankia gerade enteignet worden. Insofern hat Dijsselbloem möglicherweise vieles getan in diesen Tagen: Nur einen Fehlstart hingelegt, das hat er bestimmt nicht.
5. Keine Blaupause und doch eine Blaupause
Natürlich wird Zyperns Rettungspaket, wie vom französischen Staatspräsidenten bis zur deutschen Bundesregierung bis zur Europäischen Zentralbank versichert, nicht eins zu eins übertragen werden auf andere Euroländer, wenn diese einmal um Hilfe bitten sollten. Das ist aber überhaupt kein Widerspruch zu Dijsselbloem, sondern beinahe banal: Da sich die Länder unterscheiden und unter zuweilen vollkommen unterschiedlichen Problemen leiden, wird natürlich jedes Rettungsprogramm dort ansetzen, wo es hakt. Wo nicht marode Banken umstrukturiert werden müssen, werden auch nicht deren Eigentümer oder Gläubiger zur Kasse gebeten werden. Und wo nicht Konteninhaber die hauptsächlichen Gläubiger einer Bank sind, werden auch nicht im Krisenfall deren Bestände teilweise herangezogen. Zu glauben, hier redeten viele wichtige europäische Politiker aneinander vorbei oder befänden sich in fundamentalem Dissens, ist falsch.
6. So sicher waren 100.000 Euro noch nie
Apropos Konten: Im Nachhinein betrachtet war es gar nicht schlecht, mal eine Beteiligung der Konten unter 100.000 Euro zu durchdenken (ganz gleich, ob die Idee nun von der zyprischen Regierung stammte oder von der EU-Kommission). Denn nach dem folgenden berechtigten Sturm der Entrüstung und Zurückweisung und der vielerorts abermals ausdrücklich ausgesprochenen Garantie dürfte diese Einlagensumme noch sicherer sein als zuvor.
Fazit: Die Zypern-Rettung zeigt eindrücklich: Die Euro-Krise ist nicht mehr zuallererst ein Wettlauf mit „den“ ungeduldigen Märkten. Sie wird zunehmend vor allem von politischen Ereignissen getrieben wie beispielsweise Wahlen – ohne dass die Anleger an den Börsen gleich hyperventilieren, wenn ein kurios wirkendes Ergebnis herauskommt. Die wichtigsten Wirtschaftskennzahlen werden wieder vermehrt Arbeitslosenquoten und Wachstumsraten, die Renditeabstände zwischen Staatsanleihen verlieren hingegen an Bedeutung. Wir Euro-Optimisten sind mit den vergangenen anderthalb Wochen ziemlich zufrieden.