Der aus China stammende und in London ansässige Hedgefondsmanager und Ökonom Stephen Jen veröffentlicht in unregelmäßigen Abständen ökonomische Betrachtungen, aus denen wir in FAZIT bereits mehr als einmal zitiert haben (z.B. hier und hier). Seine neueste Analyse ist brisant.
1. Aufmerksamkeit verdienen in diesem Jahr in Europa vor allem Länder, die sich mit der Bezeichnung FISH abkürzen lassen: Frankreich, Italien, Spanien und Holland (Niederlande). In seiner aktuellen Arbeit befasst sich Jen mit Frankreich und den Niederlanden.
2. Sorgen machen ihm jetzt auch die Niederlande: “Like Germany, the Netherlands has been seen as one of the ‘Northern European’ countries that is fiscally-disciplined and favours economic conservatism. However, the reality is that the Netherlands bears striking resemblance to Spain and Ireland two or so years ago: there is a substantial housing bubble in the Netherlands that is in the process of deflating.”
3. Zieht man das verfügbare Einkommen als Maßstab heran, sind die privaten Haushalte in den Niederlanden mit weitem Abstand am höchsten verschuldet: Das Verhältnis von Schulden zu verfügbaren Einkommen beträgt in den Niederlanden rund 250 Prozent – in Spanien sind es nur 125 Prozent.
4. Die Verschuldung in den Niederlanden erklärt sich vor allem mit Immobilienkrediten. Der Bestand an Immobilienkrediten im Verhältnis zum BIP betrug kürzlich (Stand 2010) in den Niederlanden rund 110 Prozent – im Vergleich zu 87 Prozent (Irland), 64 Prozent (Spanien), 41 Prozent (Frankreich) und 23 Prozent (Italien).
5. Das Gefahrenpotential ist nicht gering: “These high levels of household liabilities (mortgage debt) relative to assets (the value of homes) make the Dutch economy particularly vulnerable to a further decline in property prices. Indeed, the proportion of the Dutch households with negative home equity has nearly doubled from 13% in 2008 to around 25% now. Predictably, Dutch banks, who hold huge mortgage portfolios and face large funding gaps (loans relative to deposits), must manage a large mismatch in the maturity structure of their balance sheets. Market funding (mostly short term) has been a key source of financing, which leaves Dutch banks vulnerable to another flare-up in the European financial crisis.”
6. Bisher ziehen die Märkte die Niederlande nicht in Zweifel – die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Handelsbilanz hat einen Überschuss, die Sparquote ist hoch.Aber das galt auch für Japan, als dort 1991 die Blase am Immobilienmarkt platzte. Um es klar zu sagen: Jen ist nicht alarmistisch (er neigt sowieso wenig zu Übertreibungen), aber ihm gefällt diese Entwicklung nicht.
7. Nur kurz zu Frankreich: Hier sieht Jen nachhaltige Probleme mit der nachlassenden Wettbewerbsfähigkeit und der nachhaltigen Tendenz zu Haushaltsdefiziten, zu denen ein hoher und wenig effizienter Staatssektor erheblich beiträgt. Mit kurzfristiger Makropolitik – expansiver Geld- und Fiskalpolitik – seien diese strukturellen Probleme nicht lösbar.