„Die Sachsenhäuser brachten das für die Anzahlung erforderliche Silbergeld auf Schubkarren mit“, heißt es in einer alten Schilderung des Frankfurter Geldwesens. Am Main „konnte man zu jeder Stunde des Vormittags zahlreiche Karren und Lastträger mit Säcken und Fässern Silbergeld in den Straßen in Bewegung sehen.“ Zugetragen haben sich diese Szenen in der Mitte des 19. Jahrhunderts; geschildert hat sie Rudolf Winterwerb, der Chronist der ersten Jahrzehnte der Frankfurter Bank. *)
An die Frankfurter Bank erinnert längst nur mehr der Buchstabe „F“ im Namen der heute noch aktiven BHF-Bank. Sie wurde im Jahre 1854 als Notenbank der Freien Reichsstadt Frankfurt gegründet und sollte durch die Ausgabe von Banknoten dem unpraktischen und die Wirtschaftsentwicklung hemmenden Bewegen großer Mengen Silbermünzen ein Ende bereiten. Die Noten der Bank beliefen sich auf den damals als Währung in Süddeutschland verbreiteten Gulden und waren auch jenseits der Stadtgrenzen wegen der Solidität der Bank geschätzt, auch wenn sie kein gesetzliches Zahlungsmittel waren und damit kein Annahmezwang herrschte. So schrieb im Jahre 1885 Meyers Konversationslexikon: „Eine besonders geachtete Stellung nahm in der kaufmännischen Welt von jeher die Frankfurter Bank in Frankfurt a. M. ein.”
Das ursprünglich in der – nomen est omen – Münzgasse ansässige Haus begründete eine reiche Tradition. Frankfurt könnte sich mit sehr wohl als „Stadt der Notenbanken“ bezeichnen. Die Stadt beherbergt derzeit die am Willy-Brandt-Platz (und bald im Frankfurter Osten) gelegene Europäische Zentralbank und die wenige Kilometer nördlich im Diebsgrund befindliche Deutsche Bundesbank. Zur Organisation der Bundesbank gehörte einst die für die Notenbankgeschäfte in Hessen zuständige und in der Taunusanlage ansässige Landeszentralbank (deren großer Saal noch heute für allerlei Vorträge und Konferenzen genutzt wird). Der im Jahre 1957 gegründeten Bundesbank ging die 1948 ins Leben gerufene Bank deutscher Länder mit Sitz ebenfalls in der Taunusanlage voraus.
Auch die Gründung der Frankfurter Bank besaß eine lange Vorgeschichte, denn die Etablierung einer eigenen Notenbank wurde am Main mehrfach erwogen und angesichts des Widerstands einflussreicher Privatbankhäuser mehrfach abgelehnt. Es gab aber auch Bedenken in der Frankfurter Politik; die Ausgabe von Papiergeld galt nicht wenigen Traditionalisten als ein fragwürdiges Unterfangen. Erst die Gründung einer eigenständigen Bank in Darmstadt, die man am Main als Bedrohung ansah, veranlasste die Verantwortlichen in Frankfurt, ihr eigenes Projekt zu realisieren.
So wurde die Frankfurter Bank als Aktiengesellschaft gegründet und mit einem strengen Regelwerk versehen, das ihr geschäftliches Abenteurertum verunmöglichen sollte. Die Bank arbeitete stets seriös, was sich an dem guten Ruf ihrer überwiegend durch Edelmetall, aber auch durch Wechsel (also Unternehmenskredite) und Wertpapiere gedeckten Noten ablesen lässt. Sie verdiente ordentliches Geld und schüttete regelmäßig Dividenden aus. Erster Leiter ihrer Geschäftsführung war Wilhelm Isaak Gillé, später von Gillé (1805 bis 1873): “Gillé hat die größten Verdienste um dieses Institut, das er von kleinen Anfängen schnell zu großer Bedeutung brachte und das er sicher durch die Gefahren der beiden Kriege, wie durch sonstige Krisen steuerte.”
Die Geschichte der Frankfurter Bank ist aber auch die Geschichte einer Notenbank in wirtschaftlich und politisch bewegten Zeiten. Diese Geschichte belegt, dass eine Notenbank in ihrer jeweiligen Zeit lebt und sich, ohne Prinzipien zu verraten, an die Herausforderungen ihrer Zeit anpassen muss, wenn sie ihrer Aufgabe nachkommen will.
Übrigens wurde die Bank anlässlich ihrer Gründung verpflichtet, der Stadt Frankfurt auf Verlangen innerhalb eines von Vornherein festgeschriebenen Rahmens Geld zu leihen. Heute würde man dies als gemeingefährliche Staatsfinanzierung durch die Notenpresse bezeichnen. **)
Zum einen zeigt die Geschichte der Frankfurter Bank, dass auch in Zeiten der Edelmetallwährungen ein beachtliches Auf und Ab an Wirtschaft und Börsen herrschte, das zudem mit grenzüberschreitenden Zu- und Abflüssen von Edelmetallen einher ging. So kam es vor, dass „die Gewölbe der Bank manchmal nicht ausreichten, um die Masse des Silbergeldes zu verwahren. In solchen Fällen musste das Silber in Säcken oder Kasten vorübergehend im Hof untergebracht werden, wo es natürlich von Militär bewacht wurde.“
Zu den wichtigsten Geschäften einer Notenbank gehörte damals das Diskontgeschäft, also der Ankauf von in Handelswechseln (mit maximal drei Monaten Laufzeit) verbrieften Unternehmenskrediten mit einem Abschlag („Diskontsatz“). Um den internationalen Geschäftsverkehr der Frankfurter Wirtschaft zu fördern, kaufte die Frankfurter Bank auch ausländische Wechsel an. So hatte im Jahre 1864 „der Verkehr in Wechseln auf auswärtige Plätze unter den Eingangs berührten Umständen ein glänzendes Resultat geliefert.“
Gelegentlich ging es schief, indem Wechsel platzten, weil das ausstehende Unternehmen zahlungsunfähig wurde: „Von den durch die Bank hier angekauften, und in der Krise des abgelaufenen Jahre nothleidend gebliebenen Wechsel auf auswärtige Plätze ist ein Theil noch nicht zum Vollen remboursiert worden.“ Manchmal dauerte es Jahre, ehe ausstehende Forderungen eingetrieben werden konnten. Hin und wieder verlor die Bank mit einem Wechselgeschäft Geld; ihre Existenz war jedoch wegen solcher Verluste nie bedroht.
Sie war durchaus bereit, traditionelle Grenzen zu überschreiten, wenn die Wirtschaft am Boden lag, um zur Stabilität des Banksystems und der Belebung der Wirtschaft beizutragen. Dies geschah im Anschluss an die Krise nach dem sogenannten Gründerboom in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Nachdem sich die Frankfurter Bank zuvor standhaft geweigert hatte, amerikanische Staatsanleihen als Sicherheit für Kredite zu akzeptieren, gab sie nach und nahm solche Papiere in den Bestand. Amerikanische Staatsanleihen waren nach dem Ende des Bürgerkriegs ein beliebtes Spekulationsobjekt in Europa.
Das Jahr 1866 beendete die Unabhängigkeit Frankfurts, das preußische Provinzstadt wurde, und damit die Glanzzeit der Frankfurter Bank als Notenbank. Die in Berlin ab 1876 agierende Reichsbank wurde Deutschlands führende Notenbank, auch wenn private Emittenten wie die Frankfurter Bank zugelassen blieben und, unter strengem preußischen Reglement, Noten ausgeben durften. Das Geschäft besaß im Schatten der durch die Politik protegierten Reichsbank aber auf Dauer keine Zukunft und so gab die Frankfurter Bank die Notenausgabe zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf.
Ihre Geschichte war damit nicht beendet; Ende des 19. Jahrhunderts baute sie sogar einen neuen Hauptsitz (siehe Bild). Sie etablierte sich als Vermögensverwalter und als Spezialbank für Wertpapiergeschäfte und verdiente damit deutlich mehr Geld als zu ihrer Zeit als Notenbank. Diese Phase endete mit dem Zweiten Weltkrieg. Nach 1945 verwandelte sie sich in eine Kreditbank für vorwiegend mittelständische Unternehmen – wiederum mit einem hervorragenden Ruf. Im Jahre 1970 ging sie als Ergebnis eines Zusammenschlusses mit der seit langem befreundeten Berliner Handels-Gesellschaft in der damals neuen BHF-Bank auf.
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*) Rudolf Winterwerb: Die Frankfurter Bank 1854-1929. Druck- und Verlagsanstalt Frankfurt am Main. Frankfurt am Main 1929. 254 Seiten.
**) Im Zuge der Besetzung Frankfurts durch feindliche preußische Truppen im Jahre 1866 wurde Frankfurt vom siegreichen Militär kurzfristig eine Zahlung von 6 Millionen Gulden auferlegt, die von der Frankfurter Bank in der Not zur Verfügung gestellt wurde, da deren Keller voll mit Silber waren. In der darauf folgenden Hauptversammlung gab es lange Debatten darüber, ob der Vorstand damit die Unabhängigkeit der Bank verraten und eine Art unzulässige Staatsfinanzierung betrieben habe. Nach mehreren Jahren zahlte Preußen die Millionen zurück.
Das Bild zeigt den Ende des 19. Jahrhunderts gebauten neuen Hauptsitz an der Frankfurter Junghofstraße, der im Zweiten Weltkrieg bis auf die Grundmauern zerstört wurde. Bildquelle: BHF-Bank Aktiengesellschaft.
Eine kürzere Version dieses Beitrags ist am 12. Mai 2013 als “Sonntagsökonom” in der Frankfurter Allgemeinen Sontagszeitung erschienen.