(16.01) Der Präsident wird nach der Planung mit einer zwanzigminütigen Ansprache beginnen. Daran werden sich Fragen und Antworten anschließen. Wir werden uns auf wirtschafts- und finanzpolitische Themen konzentrieren. (Hier ist unsere Aufzeichnung der ersten Pressekonferenz vor einem halben Jahr.)
(16.13) Hollande beginnt: Europa hat Finanzkrise hinter sich gelassen. Das große Problem ist jetzt die Rezession, die das Ergebnis von Austeritätspolitik ist. Rezession bedroht ganz Europa. Mittlerweile gibt es einen realistischeren Ansatz in Europa, um Wirtschaftswachstum und solide Staatsfinanzen miteinander zu vergleichen.
(16.14) Das deutsch-französische Paar ist unverzichtbar.
(16.15) Die Regierung hat bedeutende Reformen angepackt. Beginn der haushaltspolitischen Konsolidierung. Programm zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch unter anderem Senkung der Arbeitskosten. Reform des Arbeitsmarkts mit Hilfe der Sozialpartner; eine Reform, die früher als undenkbar galt. Reform des Bankwesens; Gründung einer öffentlichen Investitionsbank.
(16.20) Man braucht eine europäische Initiative. Europa ist die größte Wirtschaftsmacht der Welt, wird aber als krank und schwach wahrgenommen. Die vier Punkte der europäischen Initiative:
– Gründung einer europäischen Wirtschaftsregierung, das sich monatlich trifft und einen Präsidenten hat.
– Möglichst schnelle Mobilierung von Geldern zur leichteren Eingliederung junger Menschen in den Arbeitsmarkt
– Gründung einer europäischen Gemeinschaft in der Energiepolitik
– Man muss eine europäische Haushaltspolitik installieren mit der Möglichkeit, Anleihen auszugeben.
(16.25) Deutschland tritt für eine stärkere politische Union ein – Frankreich wird sich dem anschließen: zwei Jahre für die Entwicklung eines Plans
(16.33) Stärkung der Eigenkapitalfinanzierung: Lebensversicherungen sollen leichter in Aktien investieren können. Spezielle Sparpläne zur Bereitstellung von Eigenkapital für kleine und mittelgroße Unternehmen. Revision der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen.
(16.40) Sarkozys Rentenreform war unzureichend. Die Defizite die auflaufen und in Zukunft drohen, sind untragbar. Drei Prinzipien einer neuen Reform:
– Die höhere Lebenserwartung muss berücksichtigt werden.
– Ein höheres Maß an Gleichheit. (Es gibt in Frankreich sehr viele Sonderregelungen für bestimmte Berufsgruppen.)
– Reform soll bis Ende des Sommer stehen.
(16.43) Frankreich muss nicht zu Reformen gezwungen werden, Frankreich will reformieren. Frankreich weiß, dass es sich ändern muss, um in einer sich ändernden Welt eine große Nation zu bleiben. Frankreich besitzt das Potential, um sich zu seinem Vorteil zu ändern.Die Arbeitslosigkeit bleibt ein ganz großes Problem.
(16.50) Statt 20 Minuten hat Hollande etwa 45 Minuten geredet. Es wird bei den Fragen und Antworten zunächst um innenpolitische Fragen gehen.
(16.51) Frage: Ist Hollande nicht wankelmütig? Zum Beispiel preist er Kostensenkungen für Unternehmen und erhöht gleichzeitig Steuern und Abgaben.
Antwort: Kein Wankelmut. Staatsausgaben sind stabilisiert und werden sinken. Seine Abgabenerhöhungen betrugen letztes Jahr nur 4 Milliarden Euro; die übrigen 12 Milliarden Euro entfielen auf die Vorgängerregierung. Frankreich hat unter anderem mit Deutschland ein Wettbewerbsproblem, man muss sich dem stellen. Er will nicht im Ausland als Präsident der Steuererhöhungen gelten.
(16.57) Frage nach internen Spannungen in der Regierung.
Antwort: Hollande singt ein Loblied auf den stark kritisierten Premierminister Ayrault und spricht ihm für die kommenden Monate weiter sein Vertrauen aus. Es gibt nur eine wirtschaftspolitische Linie in der Regierung; Hollande lobt Finanzminister Moscovicis Arbeit auf dem internationalen Parkett. Eine Regierungsumbildung ist kein aktuelles Thema.
(17.19) Es geht derzeit um reine Innenpolitik…
(17.21) Frage: Will Hollande mit seinen Reformen die französische Linke verändern?
Antwort: Hollande will Frankreich verändern, nicht einzelne politische Lager. Aber auch die französische Linke hat kein Interesse an schwachen französischen Unternehmen.
(17.34) Im Internet ist mehrfach die Frage aufgeworfen worden, inwieweit die Fragen der Journalisten vorher mit dem Elysée abgesprochen worden seien. Die Kollegen von “Le Monde” versichern, es sei überhaupt nichts vorher vereinbart worden.
(17.37) Hollande lehnt eine Regierung der “nationalen Einheit” ab. Für eine solche Regierung hatten sich vor wenigen Wochen in einer Umfrage deutlich mehr als 50 Prozent der befragten Franzosen ausgesprochen. Eine solche Regierung wäre für das in Frankreich verbreitete Lagerdenken sehr ungewöhnlich; zuletzt gab es eine solche Regierung im Jahre 1946. Hollande betont, dass nirgendwo sonst die politische Auseinandersetzung verbal so brutal sei wie in Frankreich. Wenn es gemeinsame Interessen über die Lager hinweg gebe, könne man sie auch gemeinsam verfolgen. Aber eine Regierungsumbildung sei derzeit keine Option.
(17.43) In vielen Fragen geht es jetzt darum, wie man die Kaufkraft und die sozialen Standards der Franzosen bewahren und gleichzeitig eine Reformpolitik betreiben kann. Hollande versucht zu verdeutlichen, dass schwache Unternehmen und immer weiter steigende Defizite kein Weg sind, um den Lebensstandard der Franzosen zu sichern. Mehrfach wird die sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit erwähnt.
(17.51) Frage: Wie ist das Verhältnis zu Angela Merkel?
Antwort: Frankreich und Deutschland haben eine geteilte Verantwortung für Europa, das wissen Merkel und Hollande. Sie dürfen Europa nicht dominieren wollen, müssen aber die Leitlinien geben. Merkel und Hollande haben politische Unterschiede, können aber Kompromisse schließen. Er versteht, dass die Deutschen nicht unbegrenzt für andere zahlen wollen. Wenn Frankreich und Deutschland auseinander fielen, fiele Europa auseinander, und das wäre äußerst schlimm.
(18.08) Man ist jetzt bei der Außenpolitik – konkret bei Syrien. Kein Thema für FAZIT…
(18.16) Ein Kollege vom SPIEGEL fragt, was Hollande von der auf der französischen Linken vorhandenen Idee hält, wonach an der Krise in Europa vor allem die deutschen Austeritätsforderungen und deutscher Egoismus verantwortlich seien.
Antwort: Es gibt kein persönliches und kein nationales Problem in Europa oder zwischen Frankreich und Deutschland, aber ein politisches. Es geht um die Frage, die man die notwendige Haushaltskonsolidierung mit mehr Wirtschaftswachstum verbindet. Das ist Hollandes Thema seit dem ersten Tag im Elysée. Er ist bereit zu reformieren, aber man braucht dafür haushaltspolitischen Spielraum. Man braucht für Europa ein gemeinsames Projekt und das kann nicht nur die Idee solider Staatsfinanzen sein. Deutschland will nicht isoliert sein und ist kompromissbereit. Frankreich will nicht isoliert sein und ist auch kompromissbereit. Man darf nicht nur von politischer Union reden, sondern muss sie mit Leben füllen.
(18.30) Frage: Kann man sich die Europäische Union ohne Großbritannien vorstellen?
Antwort: Die EU hat auch schon vor dem Eintritt Großbritanniens funktioniert. Er wünscht die Briten in der EU, aber das müssen die Briten selbst entscheiden. Ihm geht es aber in erster Linie um die Weiterentwicklung der Eurozone; Länder, die der Eurozone fernstehen, sollen nicht die Möglichkeit besitzen, die Weiterentwicklung der Eurozone zu blockieren.
(18.35) Frage: In Japan und in den USA belebt sich das Wirtschaftswachstum wegen der aggressiven Geldpolitik dort. Muss man nicht das Statut der EZB ändern?
Antwort: Alle Länder müssten einer Änderung des Statuts zustimmen, aber nicht nur Deutschland ist dagegen. Die EZB hat bereits ihre Zinsen auf nahe Null gesenkt, da geht nicht mehr. Aber die EZB könnte noch etwas für die mittleren und kleineren Unternehmen tun. Das Beispiel Japans zeigt, dass man mehr Liquidität braucht.
(18.40) Hollande hat die Pressekonferenz beendet.