Die SPD will, dass Deutschland mehr in sich selbst investiert. Von 80 Milliarden Euro ist in einem Wahlkampf-Strategiepapier die Rede. 20 Milliarden davon sollen vom Staat kommen, die übrigen 60 Milliarden aus der privaten Wirtschaft. Das Investitionsprogramm soll die Bereiche Bildung, Verkehrsinfrastruktur und auch neue Breitbandleitungen umfassen. Aus einem höheren Beitragssatz zur gesetzlichen Pflegeversicherung sollen 125.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Macht das Sinn? Nein, in diesem Fall nicht. Warum?
Staatliche Investitionsprogramme sind traditionell unter zwei Gesichtspunkten immer wieder ein Thema.
Erstens in schweren Wirtschaftskrisen, wie das derzeit in einigen Mitgliedsländern der Europäischen Währungsunion beispielsweise der Fall ist. Wenn Firmen und Privatleute trotz niedriger Zinsen nicht investieren (“Liquiditätsfalle“), dann gibt es die Idee, das durch Staatsausgaben zu ersetzen – auf dass dadurch private Haushalte und Unternehmen das Geld einnehmen, mehr verdienen, das Geld wieder ausgeben und so im Idealfall ein sich selbst tragender Aufschwung zustande komme. Das prominente historische Vorbild dafür ist der “New Deal”, den der amerikanische Präsident Roosevelt in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts infolge der Weltwirtschaftskrise auf den Weg gebracht hatte. Gedanklich orientierte der sich an Vorschlägen, wie sie der britische Allzweckökonom Keynes ausgedacht hat – heute reden zum Beispiel die beiden Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman und Joseph Stiglitz so. Dieser Gedankengang spielt jedenfalls für Deutschland derzeit keine Rolle: Die deutsche Wirtschaft liegt alles andere als brach – vielmehr herrscht in großen Teilen des Landes nahezu Vollbeschäftigung.
Die zweite Argumentationsschiene für staatliche Investitionsprogramme verläuft ganz anders als die erste. Sie zielt nicht (primär) auf den aktuellen Konjunkturverlauf, sondern davon unabhängig auf die Frage: Soll der Staat jetzt gerade Geld für diese oder jene Sache ausgeben, weil das langfristig wichtig ist? Dass gute Universitäten, Schulen und Kindergärten, schlaglochfreie Straßen, funktionierende Strom- und Datennetze wichtig sind für die Wirtschaftswachstumsmöglichkeiten, ist klar. Dass Grundlagenforschung vielfach ertragreich ist und häufig staatlich finanziert werden muss (weil eben nur schwer absehbar ist, was wirklich herauskommt und Unternehmen vielfach nicht bereit sind, diese Risiken zu tragen), ja, auch das ist Konsens. Ein weiteres Beispiel ist das Internet, dass vom Milliarden Dollar kostenden amerikanischen Militär “erfunden” wurde, ein anderes sind jene Innovationen, die letztlich “Abfallprodukte” der staatlich bezahlten Raumfahrt waren und sind.
Eine Frage der Zinsen
Solche staatlichen Investitionen lohnen sich natürlich umso mehr, je günstiger sie finanziert werden können. Betrachtet man den Staat (was generell wenig zielführend ist) wie ein Unternehmen, was etwa Stiglitz in diesem Fall für die Vereinigten Staaten getan hat, kann man argumentieren: Die Zinsen sind gerade niedrig, Geld leihen kostet wenig – also wenn schon investieren, dann jetzt. Äußerst niedrige Zinsen hat derzeit auch die Bundesrepublik.
Es ist dieser zweite Begründungszusammenhang für ein staatliches Investitionsprogramm, an dem letztlich auch die Idee der SPD gemessen werden muss. Und hier fällt der Vorschlag gleich dreifach durch. Erstens fällt das Stiglitz’sche Niedrigzinsargument flach, weil die SPD ausdrücklich keine neuen Schulden aufnehmen, sondern die Investitionen mit höheren Steuern bezahlen will. Der Staat glaubt also, dass die öffentliche Verwaltung dieses so umgesteuerte Geld besser ausgeben kann als diejenigen, von denen es weggenommen wird – und die ohnehin schon soviel an den Staat abführen müssen. Das ist unwahrscheinlich.
Zweitens verläuft die Stoßrichtung falsch herum: Zunächst müssten lohnende Investitionen klar definiert werden. Doch das Programm vermittelt den Eindruck: Hauptsache, wir geben noch viele Milliarden mehr aus, und für was, das sehen wir dann im Detail.
Drittens ist die Erwartung, dass wenn der Staat – sagen wir – 20 Milliarden Euro in die Hand nimmt, Private aus der Deckung kommen und auch nochmal 60 Milliarden Euro dazu investieren, nicht leicht begründbar. Warum sollte das so sein? Wenn die Investition attraktiv ist, wäre sie doch sicher ohnehin (also auch ohne Staat) schon privat getätigt worden.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat neulich ausgerechnet, Deutschland investiere rund 75 Milliarden Euro zu wenig jedes Jahr. Die Zahl ist beinahe deckungsgleich mit der nun von der SPD vorgestellten Summe. Die Wirtschaftsforscher argumentieren, mit diesen höheren Investitionen ließe sich das Wachstumspotential Deutschlands erheblich steigern. Sie messen das an durchschnittlichen Investitionsquoten in anderen Ländern – auch in vielen europäischen und schreiben, die Bundesrepublik habe Nachholbedarf.
Gerade dieser Vergleich sollte allerdings eher Warnung als Ermunterung sein: Es geht eben nicht um reine Summen. Sondern darum, wie das Geld ausgegeben wird. Es ist ja gerade nicht so, dass Deutschland in den vergangenen zehn Jahren merklich ins Hintertreffen geraten wäre gegenüber der übrigen EU – im Gegenteil, wie die aktuelle Krise zeigt.
Die 80 Milliarden Euro Investitionen, die sich die SPD vorstellt, sind unnötig, so wie sie vorgeschlagen wurden. Und auch unwahrscheinlich angesichts der Umfragewerte der Partei und ihres Spitzenkandidaten.