Einen Steuersatz festzulegen, ist immer eine Abwägung – speziell den Spitzensteuersatz. Ist der Steuersatz zu niedrig, dann vergibt sich der Staat (im Fall des Spitzensteuersatzes begrenzte) Einnahmechancen und hinterlässt ein Gefühl sozialer Kälte. Ist der Spitzensteuersatz hoch, fliehen die Betroffenen im Extremfall aus dem Land. Auf jeden Fall aber werden Spitzenjobs und Überstunden weniger attraktiv, viele Spitzenverdiener arbeiten weniger – und Wirtschaftswachstum wie Steuereinnahmen werden gedämpft.
Am Ende steht die Abwägung: Wirtschaftswachstum gegen soziale Gerechtigkeit. Und wie soll die ausfallen? Der französische, an der Universität Berkeley in Kalifornien lehrende Ökonom Emmanuel Saez, der sich oft mit Ungleichheit und Steuerfragen beschäftigt, hat dafür schon vor Jahren ein mathematisches Modell entwickelt, mit dem sich aus den unterschiedlichen Vorlieben der Bürger und der wirtschaftlichen Lage ein optimaler Steuersatz errechnen lässt.
Das Problem ist daran nur, die Vorlieben der Bürger so zu erfassen, dass sie mathematisch in dieses Modell passen. Deshalb sind solche Rechnungen oft nicht sonderlich scharf. Am Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) haben es jetzt zwei Ökonomen probiert: Johannes Hermle und Andreas Peichl. Sie errechnen eine große Bandbreite an möglichen Steuersätzen.
Wenn der Spitzensteuersatz wie derzeit ab rund 52.000 Euro Jahreseinkommen berechnet wird, kommen sie auf optimale Steuersätze zwischen 41 und 50 Prozent inklusive Solidaritätszuschlag – der aktuelle Spitzensteuersatz von insgesamt 44,3 Prozent (42 Prozent plus Solidaritätszuschlag) liegt da locker drin. Auch eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags, wie sie die FDP fordert, fällt nicht aus der Bandbreite.
SPD und Grüne fordern höhere Spitzensteuersätze für höhere Einkommen. Die Grünen wollen insgesamt 51,7 Prozent ab 80.000 Euro Einkommen und liegen auch damit in der Bandbreite für diese Einkommensklasse. Die SPD schlägt 51,7 Prozent ab 100.000 Euro vor – für 100.000 Euro ermitteln die IZA-Ökonomen eine Bandbreite von 51 bis 60 Prozent, auch darin liegt die SPD.
Nur die Linkspartei fällt mit einem geforderten Spitzensteuersatz von insgesamt 79,1 Prozent ab einer Million Euro Einkommen völlig aus der Bandbreite, die Hermle und Peichl ermittelt haben – sie kommen für dieses Einkommen nur auf Steuersätze zwischen 58 und 68 Prozent.