Wird Wolfgang Schäuble Deutschlands neuer alter Finanzminister? Noch ist es nicht klar. Sicher ist nur, dass die SPD sich nicht als Erstes danach drängelt, das mächtige Ministerium zu übernehmen. Sigmar Gabriel hat andere Ideen. Sicher ist auch: Schäuble will weitermachen. Mit 71 Jahren.
Wäre das nun gut oder schlecht für Deutschland? Brauchten wir nicht eher einen jüngeren Finanzminister? Oder einen, der sich besser mit der Ökonomie auskennt? Schließlich war es doch nach der Krise allüberall in Mode, Experten der Ökonomie einzusetzen als Ministerpräsidenten in kränkelnden Südstaaten, in der Annahme, dass sie das mit den Finanzen besser regeln. Wovon hängt es ab, ob es einem Finanzminister gelingt, das Budget in den Griff zu bekommen, oder nicht?
Diese Frage ist keine neue. Lange beantwortete man sie vor allem mit den Umständen: den politischen Zuständen, der Konjunktur. Je besser die Wirtschaft läuft, desto höher die Steuereinnahmen, desto leichter ein Sparerfolg für den Finanzminister. Seit neuestem wird es persönlich. In diversen Studien fragten Forscher zuletzt: Inwieweit beeinflusst die mächtige Person das Geschehen? Was hat ihre Ausbildung, ihre politische Ausrichtung, ihr Geschlecht oder gar ihr Familienstand damit zu tun, was sie erreicht?
Der Ökonom Sebastian Thomasius hat sich genau das für die Finanzminister angeguckt. Er untersuchte gemeinsam mit weiteren Forschern empirisch: den Einfluss von Bürgermeistern auf die Kommunalfinanzen in Bayern, den von Landesfinanzministern auf die Finanzen westdeutscher Bundesländer und den von Finanzministern in ganz Europa auf die Finanzen ihrer jeweiligen Länder. Wer schaffte es zu sparen? Wer nicht? Dabei unterschied er nach der Ausbildung der Finanzverantwortlichen, ihrem Alter, ihrer Berufserfahrung, der Zahl ihrer Kinder, der Parteizugehörigkeit, dem politischen Spektrum, ihrem Geschlecht und vielem mehr.
Einen Sparerfolg sah er dort, wo es etwa einem Länderfinanzminister gelang, das Haushaltsdefizit pro Kopf zu senken. Oder wo es einem Finanzminister eines europäischen Staats gelang, die Schuldenquote seines Landes, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, zu senken.
Die Ergebnisse der Studie sind überraschend. Denn die meisten Faktoren, die die Forscher untersuchten, spielen überhaupt keine Rolle. Noch erwartbar ist, dass das Geschlecht des Finanzministers, sein Alter oder die Zahl seiner Kinder keinen Einfluss hatte. Doch im Gegensatz zu dem, was man derzeit offenbar in Europa glaubt, wenn man Expertenregierungen einsetzt, kam außerdem heraus: Die Ausbildung hat keinerlei Einfluss darauf, ob ein Mensch ein sparsamer Minister ist oder nicht.
Es hilft also nicht, wenn der Finanzminister Ökonomie studiert hat; und es schadet auch nicht, wenn er Germanist (wie Sigmar Gabriel) oder Jurist (wie Wolfgang Schäuble, Frank-Walter Steinmeier oder Thomas Oppermann) ist. Einen leicht negativen Effekt findet Thomasius nur für die Menschen, die Technik, Mathematik oder Naturwissenschaften studiert haben. Sie sind offenbar eher ausgabefreudig. Vorsicht also, wenn Angela Merkel sich zu sehr ins Finanzministerium einmischt? An dieser Stelle warnen die Studienersteller. Dieses Ergebnis werde womöglich dadurch verfälscht, dass vorrangig in Südstaaten Menschen mit technischem oder mathematischem Studium Finanzminister wurden. Und da viele südliche Länder lange wenig von Haushaltsdisziplin hielten, könnte das das Ergebnis verzerrt haben.
Wie auch immer – ein Ökonomiestudium ist auf jeden Fall kein Vorteil. Nicht einmal überhaupt ein Studium zu haben erwies sich als vorteilhaft für die Finanzen. Bei den Bürgermeistern in Bayern etwa zeigte sich, dass zwar jemand mit akademischem Abschluss deutlich größere Chancen hatte, gewählt zu werden, doch er erzielte, was das Budget angeht, keine signifikant besseren Ergebnisse als Kandidaten ohne Studium. Thomasius und seinen Mitautor Ronny Freier hinterlässt das ratlos. “Wieso interessieren sich die Wähler so sehr für die Qualifikation der Bürgermeister, wenn das am Ende die fiskalischen Ergebnisse wie Verschuldung, Ausgaben und Steuersätze nicht groß beeinflusst?”
Überraschend irrelevant zeigen sich in der Studie auch die politische Ausrichtung – egal, ob CDU, FDP oder SPD, alle können schlechte Finanzminister sein – sowie die zuvor geäußerte Einstellung zum Schuldenmachen. Das Amt scheint so zu prägen, dass eigene Überzeugungen nicht mehr besonders relevant sind.
Nur eines sagte sehr gut voraus, wie stark der Finanzminister sparte: sein Zugang zur Macht. Wenn er von der gleichen Partei war wie der Regierungschef, dann konnte er signifikant mehr Schulden abbauen oder zumindest weniger neu aufbauen. Außerdem spielte eine Rolle, wie lange er schon im Amt war. Die Minister, die gerade erst begannen, hatten es viel schwerer zu sparen als diejenigen, die schon eine gewisse Amtszeit hinter sich hatten.
In der Untersuchung der Länderfinanzminister kam zudem heraus, dass – ganz im Gegensatz zur abstrakten Finanzen-Lehre im Studium, die nichts brachte – konkrete Berufserfahrungen im Bereich Finanzen sich womöglich positiv auswirkten. Darunter fasste Thomasius sowohl Erfahrungen in Firmen als auch mit öffentlichen Finanzen. Zumindest unter den Länderministern war es positiv, hier Erfahrungen zu haben, bei den europäischen Finanzministern gab es hingegen keinen Effekt solcher Berufserfahrung.
Wer wäre demnach der optimale Finanzminister? Einer, der von der CDU ist (gleiche Partei wie die Regierungschefin) und nicht erst seine erste Amtszeit anstrebt. Scheint alles auf Wolfgang Schäuble hinauszulaufen. Den Autor der Studie jedenfalls hat er schon einmal angeheuert. Er arbeitet seit kurzem als Forscher im Finanzministerium.
Sebastian Thomasius: “Political Decision Makers and their Relevance for Public Finances“, Neue Studien zur Politischen Ökonomie, Nomos Verlag, 2013.