Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Ein Crashkurs für die Euro-Krise

Konventionelle Beschreibungen der Euro-Krise sind nicht falsch, aber unvollständig. Sie berücksichtigen nicht die zentrale Rolle der Banken, die durch ihre wachsende Abhängigkeit von kurzfristigem Fremdkapital und ihrer Neigung, wenig rentable Investitionen in den Krisenländern zu finanzieren, entstanden ist.

 

Ein Beitrag von Markus Brunnermeier *), Ricardo Reis **) und Gerald Braunberger

 

Die Euro-Krise dürfte das bisher bedeutendste gesamtwirtschaftliche  (makroökonomische) Ereignis im noch jungen 21. Jahrhundert darstellen. Mit der jüngsten Rezession in den Vereinigten Staaten verbindet sie die finanziellen Wurzeln, die Tiefe des wirtschaftlichen Einbruchs und die langsame Erholung des Arbeitsmarkts. Mit dem Aufstieg Chinas verbindet die Euro-Krise die wichtige Rolle von Kapitalbewegungen und Ungleichgewichten in der Leistungsbilanz. Die Europäische Union ist der größte Wirtschaftsraum der Welt, aber sie ist auch der Wirtschaftsraum mit dem vermutlich geringsten Wachstum im Jahr 2013.

Eine auf traditionellen makroökonomischen Betrachtungen lautende Schilderung der Euro-Krise hat sich allmählich etabliert. Diese konventionelle Betrachtung geht so: Mit der Einführung des Euro und dem damit verbundenen Wegfall des Wechselkursrisikos erlebten die ärmeren Länder in der Peripherie der Eurozone einen großen Rückgang der Zinsen. Die ärmeren Länder reagierten darauf mit einer erheblichen Kreditaufnahme in den reicheren Ländern der Eurozone, die eine Zunahme von Löhnen, Preisen und des realen Wechselkurses begünstigt. Als sich die Kapitalgeber nach 2008 weigerten, die immer größeren Defizite in den Staatshaushalten und Leistungsbilanzen zu finanzieren, folgte eine unausweichliche Rezession in der Peripherie. Ein Ausgleich der Leistungsbilanzen erfordert höhere Wachstumsraten des Preisniveaus und der Löhne im Kern der Währungsunion als in der Peripherie. Austerität in der Finanzpolitik muss die Staatshaushalte in Ordnung bringen. Politische Unfähigkeit bei der Kürzung der Staatsausgaben und ein nur langsamer Rückgang der Löhne in der Privatwirtschaft haben zu einem Durchwursteln geführt, währenddessen die Peripherieländer in einer Rezession gefangen sind.

Diese Schilderung ist überwiegend korrekt, anders als Fiktionen über faule Südeuropäer und austeritätsbesessene Nordeuropäer. Die zentrale These dieses Beitrags lautet aber, dass die konventionelle Schilderung der Krise nicht vollständig ist. Sie beinhaltet einige zentrale wirtschaftliche Mechanismen nicht und führt daher zu falschen Politikempfehlungen. Der konventionellen Schilderung fehlen vor allem zwei Bestandteile, die für die Erklärung der Euro-Krise wichtig sind: Erstens floss in den Jahren bis zum Krisenausbruch Kapital nicht direkt von Sparern im Kern der Währungsunion zu den Finanzierern von Projekten in der Peripherie, zum Beispiel Bauherren. Das Kapital floss durch eine Kette von Finanzhäusern, die von kurzfristigen Refinanzierungen abhängig waren. Zweitens wurde das Kapital in der Peripherie nicht für die rentabelsten Investitionsprojekte genutzt.

Die Jahre bis zur Krise

Eine Analyse der Kapitalströme zwischen 1999 und 2007 zeigt, dass die Kapitalgeber im Kern der Währungsunion der Peripherie überwiegend Kredit gewährten, aber kaum Beteiligungen an Unternehmen oder Eigenkapital erwarben. Im Zentrum dieser Kreditvergabe standen die europäischen Banken, während der Markt für Unternehmensanleihen in Europa weniger entwickelt ist als in den Vereinigten Staaten. Der Bankensektor ist in Europa daher ein weitaus größerer Faktor als in den Vereinigten Staaten. Viele europäische Banken sind so groß, dass ihre Heimatländer im Falle eines Konkurses Schwierigkeiten besäßen, sie aufzufangen.

Heutzutage funktionieren Banken anders als im herkömmlichen Lehrbuchmodell (Diamond-Dybvig-Modell). In diesem Modell besteht die Aktivseite der Bankbilanz aus Krediten (zum Beispiel an Unternehmen oder zur Finanzierung von Immobilien) und Finanzanlagen wie Staatsanleihen. Diese Aktiva sind überwiegend langfristig und wenig liquide. Die Refinanzierung dieser Anlagen geschieht im Lehrbuchmodell überwiegend durch kurzfristige Einlagen privater Haushalte. Das Vertrauen der Kunden in Einlagensicherungssysteme und Staatsgarantien sorgt dafür, dass diese eigentlich kurzfristigen Einlagen den Banken meist langfristig zur Verfügung stehen.

Dieses Modell des Finanzsystems hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Auf der Aktivseite verbriefen Banken einen Teil ihrer Kredite, unter anderem für Immobilien, in prinzipiell handelbare Wertpapiere. Dieser Prozess ließ sich vor der Krise nicht nur in den Vereinigten Staaten beobachten, sondern unter anderem auch in Irland und Spanien. Für Banken, die solche Verbriefungen anwenden, entstehen zwei Risiken, die traditionellen Banken nicht bekannt sind: Die verbrieften und handelbaren Anlagen unterliegen einerseits dem Risiko von Verlusten bei fallenden Marktwerten. Zweitens besteht das Risiko, dass die Märkte für diese Verbriefungen gerade dann illiquide werden, wenn Banken sie verkaufen wollen. Es wird eine „Scheinsicherheit“ kreiert, da der Eindruck erweckt wird, dass man zu gegenwärtigen Marktpreisen große Mengen Wertpapiere verkaufen kann.

Auf der Passivseite ihrer Bilanz haben die modernen Banken neben dem Eigenkapital und den Einlagen privater Haushalte eine weitere Refinanzierungsquelle entdeckt: den Markt für kurzfristige Geldaufnahmen bei anderen Finanzunternehmen (wholesale funding market). Die beiden wichtigsten Finanzierungsquellen sind unbesicherte Kreditaufnahmen sowie Wertpapierverkäufe mit Rückkaufvereinbarung (Repo). Banken mit Zugängen zum Wholesale-Markt konnten in den Jahren vor Krisenausbruch schnell wachsen.

Dazu trug die Tatsache bei, dass moderne Banken zur Verstärkung von Zyklen der Vermögenspreise beitragen können: Wenn die Immobilienpreise steigen, nehmen die Marktwerte der von den Banken gehaltenen Verbriefungen von Immobilienkrediten zu. Dadurch steigt das Finanzierungsvolumen der Banken, die diese Verbriefungen für Repo-Geschäfte nutzen. Da diese Anlagen sehr kurzfristig sind und durch Verbriefungen abgesichert waren, genossen sie de facto Seniorität gegenüber ganz normale Einlagen. Dies ermutigte Banken im Kern der Eurozone, großzügig Gelder an Banken in der Peripherie zu verleihen. Das Risiko wurde auf die Einlagensicherungsfonds abgewälzt. Das höhere Finanzierungsvolumen der Banken in der Peripherie ermöglichte ihnen die Vergabe zusätzlicher Kredite am Immobilienmarkt. Diese Effekte ließen sich vor der Krise unter anderem bei den eng mit der Politik verflochtenen spanischen Regionalbanken (Cajas) beobachten.

Eine wichtige Aufgabe der Banken besteht darin zu entscheiden, welche Projekte finanziert werden. Nach der herkömmlichen neoklassischen Wachstumstheorie hätte das Kapital aus dem Kern der Währungsunion in die rentabelsten Wirtschaftszweige der Peripherie fließen müssen, also nicht zuletzt in das im internationalen Wettbewerb stehende verarbeitende Gewerbe. Dies ist aber nicht der Fall gewesen, vielmehr ist das verarbeitende Gewerbe seit der Einführung des Euro in der Peripherie geschrumpft. Stattdessen wurde das Kapital in weniger rentable Projekte investiert, in Spanien und Irland überwiegend in das private Bau- und Immobiliengewerbe. In Griechenland, Italien und Portugal wurde das Kapital daneben auch zur Finanzierung der Staaten eingesetzt. Ein Grund, warum gerade die Baubranche profitiert hat, besteht darin, dass mit den Bauprojekten eine handfeste Besicherung für die Kredite zur Verfügung steht.

Der nicht effiziente Einsatz wirtschaftlicher Ressourcen ist kein Phänomen, das sich alleine in der europäischen Peripherie beobachten lässt. Die moderne Forschung zeigt, dass ärmere Länder nicht nur über weniger Ressourcen verfügen als reiche Länder, sondern dass sie ihre Ressourcen oft nicht effizient einsetzen. Im Falle der europäischen Peripherie dürfte diese Fehlverwendung aber durch zwei spezielle Faktoren beeinflusst worden sein: Zum einen sorgte der Überfluss an aus dem Norden strömenden Kapitals für einen laxen Umgang bei der Vergabe der Mittel. Der Überfluss reduzierte zudem den Druck auf die Politik der Peripherieländer, Strukturreformen vorzunehmen. Zum zweiten begünstigte ein niedriger Entwicklungsstand der Finanzmärkte in der Peripherie eine Fehllenkung des Kapitals. Wenig produktive Unternehmen in abgeschotteten Wirtschaftszweigen können wegen bürokratischer Hemmnisse überleben und erhalten Kredite, anstatt das vielversprechende neue Unternehmen finanziert werden.

Vor dem Ausbruch der Krise wies die Eurozone insgesamt eine ausgeglichene Leistungsbilanz aus. Bei einer zusammenfassenden Betrachtung wuchs das Kreditvolumen in der Eurozone nicht schneller als in anderen Industrienationen. Aber der Zugriff auf kurzfristige Finanzierungen am Wholesale-Markt erlaubte den Banken in der Peripherie ein schnelles Wachstum, das zu einem guten Teil auf Kreditsicherheiten beruhte, die aus der Verbriefung von Forderungen gegenüber dem wenig produktiven Teil der Wirtschaft beruhte. Das machte die Eurozone sehr anfällig für wirtschaftliche Schocks.

Die Krisenjahre 2008 bis 2012

Im Sommer 2007 brach in den Vereinigten Staaten die Subprime-Krise aus. Unter ihr litten auch europäische Banken aus den Kernländern der Währungsunion, die auf ihre Verbriefungen amerikanischer Kredite Verluste verzeichneten. Eine gut kapitalisierte Bank könnte einen solchen Schock wegstecken und sogar die Gelegenheit nutzen, zu niedrigen Preisen angebotene Aktiva anderer Banken zu kaufen und so den Markt zu stabilisieren. Die europäischen Banken waren aber nicht gut kapitalisiert, sondern im Gegenteil hoch verschuldet, und die Verluste aus den amerikanischen Immobiliengeschäften reduzierten das ohnehin nicht reichhaltige Eigenkapital.

Da die Beschaffung neuen Eigenkapitals in einer solchen Situation sehr schwierig ist, versuchten die Banken, ihre Bilanzsummen durch den Verkauf von Aktiva zu reduzieren, um das Verhältnis von Eigenkapital zu Schulden nicht noch ungünstiger werden zu lassen. Wenn viele Banken zur gleichen Zeit versuchen, Aktiva zu verkaufen (Fire Sales), brechen die Preise dieser Aktiva ein, die Märkte für diese Aktiva werden illiquide, und es reduziert sich auch der Wert der noch in der Bilanz verbliebenen Aktiva. Gleichzeitig eignen sich die Aktiva wegen ihrer niedrigeren Marktwerte nur noch eingeschränkt als Sicherheit auf dem Wholesale-Markt; auch auf diesem Markt trocknet die Liquidität aus. Der Wholesale-Markt erweist sich dabei als eine extrem unstabile Finanzierungsquelle. Professionelle Anleger sind sehr schnell dabei Gelder abzuziehen.

Diese Effekte breiten sich durch das Finanzsystem aus. Banken aus dem Kern der Währungsunion, die Verluste in den Vereinigten Staaten erlitten haben, reduzieren ihre Kredite gegenüber Banken aus den Peripherieländern. Die Banken aus der Peripherie erhalten nur noch zu höheren Zinsen Geld von anderen Banken (sofern sie noch Geld am Wholesale-Markt erhalten). Die Banken in der Peripherie sehen sich veranlasst, in ihrem Besitz befindliche Verbriefungen zu verkaufen, die Vergabe neuer Kredite einzustellen und die Zinsen für bestehende Kredite unter anderem an Bauunternehmer und Bauherren zu erhöhen. Das zwingt viele von ihnen ihre Immobilien zu verkaufen, was die Preise für Immobilien unter Druck setzt. Dies erhöht die Kreditausfallwahrscheinlichkeiten und wertet Aktivapositionen der Banken ab. Wegen dieser Verluste geben die Banken weniger Kredit: Ein Teufelskreis in Form einer Liquiditätsspirale zieht die Wirtschaft hinunter.

Es sind aber nicht nur Liquiditätseffekte, die sich im Finanzsystem ausbreiten und schließlich die Realwirtschaft erreichen. Hinzu treten Preisniveaueffekte. Steigende Zinsen und ein rückläufiges Kreditangebot erhöhen die Grenzkosten der Produktion für die Unternehmen bei einer gleichzeitig nachlassenden gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. In der Eurozone betrug die jährliche Inflationsrate im Juli 2008 noch 4,05 Prozent; zwölf Monate später lag sie kurzzeitig bei minus 0,65 Prozent. Deflation trifft besonders die Schuldner, und die Banken gehören zu den wichtigsten Schuldnern im Wirtschaftsleben.

Ein zweiter Preisniveaueffekt entstand durch die wachsende Sorge, von der Rezession geplagte Peripherieländer könnten die Währungsunion verlassen. Für Banken aus dem Norden der Währungsunion verband sich mit einer Kreditvergabe an Banken aus der Peripherie nunmehr auch ein Wechselkursrisiko durch Euro-Austritte. Die Banken in der Peripherie besaßen Verbindlichkeiten in Euro, hätten nach einem Austritt ihrer Länder aus der Währungsunion aber Forderungen in neuer, gegenüber dem Euro sehr wahrscheinlich abgewerteter Währung besessen. Die Verlustgefahr im Falle eines zunehmend als wahrscheinlich angesehenen Austritts der Peripherie aus dem Euro erschwerte es den Banken zusätzlich, Geld am Wholesale-Markt aufzunehmen.

Diese Liquiditäts- und Preisniveauspiralen gingen einher mit steigenden Zinsen in der Peripherie, da die Kapitalgeber eine höhere Prämie für die wachsenden Risiken verlangten. Die versiegenden Kapitalflüsse in die Peripherie verursachten dort eine Rezession vor allem in den wenig wettbewerbsfähigen Branchen. So ging die Beschäftigung im spanischen und irischen Baugewerbe um jeweils mehr als 50 Prozent zurück. Die Rezession reduziert den Wert der Anlagen der Banken, was das Kreditangebot weiter reduziert und zu zusätzlicher Kapitalflucht ermutigt. Im Gegenzug setzte der Einbruch in den wettbewerbsschwachen Branchen unter anderem in Portugal Ressourcen für die wettbewerbsstärkere Exportwirtschaft frei, obgleich der reale Wechselkurs kaum sank.

Die EZB, Target 2 und die Finanzpolitik

Die Europäische Zentralbank (EZB) versuchte den Wegfall der Finanzierung im Wholesale-Market durch öffentliche Gelder zu ersetzen. Banken in der Peripherie brachten nun ihre Verbriefungen zur EZB, um von ihr Geld zu leihen. Auf der anderen Seite parkten Banken aus dem Kern der Eurozone Gelder bei der EZB. Diese ersetzte den Interbankenmarkt, über den zuvor Wholesale-Finanzierungen stattgefunden hatten. Dadurch wuchsen die Target-2-Salden. Das Problem dabei ist, dass nun die EZB ein mögliches Ausfallrisiko trägt. Sie leiht sich Geld von den Kernbanken und verleiht es an risikoreichere Banken in der Peripherie.

Bisher haben wir herausgearbeitet, wie der Aufbau einer hohen kurzfristigen Verschuldung und die Finanzierung wenig produktiver Investitionen durch die Banken in der Peripherie über Liquiditäts- und Preisniveauspiralen eine schwere Rezession der Realwirtschaft verursachten. Daneben hat aber auch die Finanzpolitik eine wesentliche Rolle gespielt. Es ist denkbar, dass sich die Peripherieländer mit dem Ausbruch der Krise an der Grenze ihrer Schuldentragfähigkeit befinden. Die Schuldentragfähigkeit ist bestimmt durch den Gegenwartswert künftiger Primärüberschüsse im Staatshaushalt und hängt unter anderem von der Verzinsung der Staatsanleihen ab. Die Einführung des Euro hat für seine Mitglieder ein weiteres Risiko geschaffen: Ein prinzipiell solventes Land kann illiquide werden, wenn es ihm nicht gelingt, seine kurzfristige Verschuldung durch die Ausgabe neuer Staatspapiere zu verlängern, da keine nationale Zentralbank bereit steht, in einem solchen Fall die Liquidität des Staates durch Ankäufe von Staatspapieren zu gewährleisten. Aber wenn die Staatsverschuldung nicht tragfähig ist, stehen wir vor einem Insolvenzproblem und nicht vor einem Illiquiditätsproblem. Eine Intervention kann dann zu Verlusten bei der Zentralbank führen.

Das Feiglingsspiel (“Chicken Game”)

In den ersten Jahren der Währungsunion sind aus Ungleichgewichten und Fehlinvestitionen Verluste entstanden. Wer diese trägt, ist Bestandteil eines sogenannten Feiglingsspiels (Chicken Game), bei dem die Teilnehmer versuchen, die Last auf andere abzuwälzen. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, diese Verluste zu verteilen. Im Falle eines Schuldenschnitts zahlen die Anleihegläubiger, im Falle von Bail-outs die Steuerzahler (wobei im Falle der Europäischen Währungsunion auch festzulegen bliebe, in welchen Ländern die Steuerzahler herangezogen würden) und im Falle von höherer Inflation und Niedrigzinsen zahlen die Sparer die Rechnung. In dieser Situation gibt es viele Beteiligte, die versuchen werden, die Last wenn möglich auf andere abzuschieben.

Zudem müssen in etlichen Ländern wichtige, aber unpopuläre Reformen durchgeführt werden. Etliche Regierungen hoffen, diese unbeliebten Maßnahmen durch frische Gelder vermeiden zu können. Das gibt dem Spiel zwischen der EZB und den Regierungen eine weitere Dimension. Die EZB kann durch ihre Interventionen die negativen Nebenwirkungen der Illiquidität verringern, aber sie macht es dabei auch einfacher für die Regierungen, wachstumsfördernde Reformen zu unterlassen. Falls die Regierungen jedoch Reformmaßnahmen unterlassen, wächst das Risiko für der EZB.

Die Kosten des Feiglingsspiels sind hoch, denn je länger die Eurozone die ungelösten Probleme mit sich schleppt, umso höher werden die Kosten. Daher braucht die Eurozone ein festes Regelwerk für die künftige Behandlung solcher Probleme.

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*) Markus Brunnermeier, aus Landshut stammend, ist Edwards S. Sanford Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Princeton University. Brunnermeier gilt als einer der wichtigsten Vertreter der modernen Zusammenführung von Makroökonomie und Finanztheorie und den Wechselwirkungen zwischen Banken, Geldpolitik und Finanzpolitik. In seinen Arbeiten befasst er sich unter anderem mit der Rolle von Friktionen an Finanzmärkten und den sich daraus ableitenden Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung. Regelmäßige Leser von FAZIT sind mit Arbeiten Brunnermeiers vertraut, zum Beispiel hier und hier und hier.(gb.)

**) Ricardo Reis stammt aus Portugal und ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Columbia University in New York. Reis hat seine Doktorarbeit an der Harvard University geschrieben. Das Spezialgebiet des Portugiesen ist die theoretische und die angewandte Makroökonomie; ebenso wie Brunnermeier ist er auch als Berater von Zentralbanken und anderen öffentlichen Institutionen tätig. In seiner Arbeit befasst er sich unter anderem mit der Analyse der Finanzpolitik und der Geldpolitik. In FAZIT haben wir im vergangenen Jahr eine Arbeit Reis’ über die Ursachen der Krise in Portugal behandelt. (gb.)

Dieser Beitrag ist am 17. Januar 2014 im Wirtschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen. Er beruht auf einer noch nicht veröffentlichten Arbeit von Brunnermeier/Reis, deren wichtigste Elemente Anfang Januar 2014 auf der Jahrestagung der American Economic Association in Philadelphia im Rahmen der Session “Teaching the Euro Crisis” vorgestellt worden sind.